Haben wir alle unbewusste Vorurteile?

Als ich gestern eine Zeitschrift las, las ich einen Bericht über versteckte Vorurteile. Ich war eigentlich der festen Ansicht, ich sei frei von Vorurteilen und der Bericht sei falsch, wenn dort behauptet wird, dass die allermeisten Menschen tatsächlich unbewusste Vorurteile gegenüber bestimmten Dingen, sei es Mann oder Frau, Dick oder dünn, hell-oder dunkelhäutig. In diesem Bericht war auch ein Link zu einem Internettest bezüglich eventuell verdeckter Vorurteile angegeben, welcher an der Harvard University entwickelt wurde. Ich machte diesen Test recht sorgenfrei, würde ich mir doch selbst damit beweisen, dass ich einer der angeblich wenigen Menschen bin, die wirklich keine Vorurteile haben.

Ich machte mich also an den Test und wählte zuerst den Test Geschlecht-Karriere aus, ob man (unterbewusst) die Frau eher mit Familie und den Mann eher mit Arbeit in Verbindung bringt, also eher alte Rollenmuster im Kopf hat. Nein, habe ich nicht, dachte ich mir und machte den Test. Ergebnis: geringe bis gar keine Assoziation von weiblich; oder männlich mit Familie oder Karriere. Tatsächlich, Mann und Frau sind für mich also gleich, ich habe keine engen Denkmuster und keine Vorurteile. Juhu. Wusste ich's doch.

Danach machte ich mich an den Test Rasse. Da ich von klein auf mit Afrikanern zu tun hatte, war ich auch hier überzeugt, keinerlei Präferenzen oder Vorurteile zu haben und machte den Test. Ergebnis: starke automatische Bevorzugung von Weißen gegenüber Schwarzen. Schock!

Wie das? Sind wir Menschen tatsächlich unbewusst darauf eingestellt, Unterschiede zwischen Gruppen zu machen, selbst wenn wir irgendwo zwischen beiden Gruppen aufgewachsen sind? Oder ist so ein Test gar nicht ernst zu nehmen? Immerhin kommt er ja aus Harvard und die sind für "gute" und seriöse Wissenschaft bekannt. Oder ist das jetzt auch nur ein Vorurteil? Glaube ich eher an die Richtigkeit des Testes, weil er aus Harvard kommt oder glaube ich eher daran, dass man ihn nicht ernst nehmen kann, weil es nur ein Internettest ist?

Ich für meinen Teil finde das sehr interessant und werde mir dazu noch weitere Gedanken machen sowie die anderen Tests ausprobieren - und dann hoffentlich doch mein Gutmenschentum noch in dem ein oder anderen Ergebnis bestätigt sehen.

Wie seht ihr so was? Habt ihr Lust, den Test auch mal zu machen? Wenn ja, welche Ergebnisse bekommt ihr und würdet ihr diesen zustimmen? Ich bin äußerst gespannt auf eure Antworten.

Hier geht's zum Test

Ich denke schon, dass die meisten Menschen unbewusst Menschengruppen in solche Kategorien einsortieren. Das vereinfacht irgendwie ja auch den Alltag. Wichtig ist aber eben, dass solche impliziten Vorurteile dann durchdacht werden, wenn man eine Entscheidung fällt. Also wenn man beispielsweise einen neuen Menschen kennen lernt, ob man den automatisch in eine Kategorie stecken will, oder ob man offen für die Person als Individuum ist und jedem eine faire Chance als Person gibt.

Ich habe eben nur mal die Kategorien dick-dünn und Ossi-Wessi gemacht und bei mir kam ein ausgewogenes Ergebnis heraus. Ich fand es aber verwirrend, dass nach einer gewissen Zeit die Zuordnungen der Gruppen mit den Eigenschaften getauscht wurde, weil darunter meine Konzentration erheblich litt. In der zweiten Phase musste ich mich deutlich mehr anstrengen, nicht auf die falsche Taste rein aus Automatismus zu drücken.

Dadurch, dass ich lange Jahre Klavier gespielt habe und auch das zehn Finger System beim Tippen beherrsche habe ich eine recht gute und gleichmäßige Kontrolle über beide Hände. Ich kann mir aber doch auch denken, dass es bei manchen einen Unterschied macht, ob sie stark linkshändig oder stark rechtshändig geprägt sind und das so die Ergebnisse beeinflussen kann.

Zudem schreiben die auf der Homepage des Testes auch, dass der Online-Test eine abgespeckte Variante des originalen Tests ist. Ein Test ist dann aussagekräftig, wenn er an einer ausreichend großen Versuchspopulation durchgeführt ist und die Ergebnisse dann in eine normierte Skala überführt wurden. Ob das bei der abgespeckten Online-Variante der Fall ist, weiß ich nicht. Die Betreiber schreiben auch, dass es Online teils Probleme mit der Validität gibt und man Testteile, deren Ergebnis man sich einfach nicht erklären kann noch mal wiederholen soll und als Ergebnis dann einen Mittelwert nehmen soll. Versuch das doch einfach mal.

Nun, ich habe den Rassentest ein zweites Mal gemacht und bekam das gleiche Ergebnis. Das wundert und verwirrt mich schon sehr, zumal ich dann den dick-dünn-Test gemacht habe und dabei wieder herauskam, dass ich keins von beidem bevorzuge. Insofern scheint es ja doch in meinem Tippverhalten irgendeinen Unterschied zu geben. Inwiefern der nun aussagekräftig ist, weiß ich auch nicht. Letztlich ist es mir auch egal, weil ich mal behaupten würde, dass ich tatsächlich vom reinen Handeln gegenüber den Menschen gerade keinen Unterschied mache.

Ich habe den Bericht in der Zeitschrift, wo ich den Test gefunden habe, ja gelesen. Und dort stand, dass man einen Test gemacht hat, wo es auch gerade um Vorurteile gegenüber Andersfarbigen ging. 15% aller Befragten gaben im Gespräch zu, Vorurteile zu haben. Nach Auswertung des Tests hatten aber tatsächlich ganze 90% Vorurteile, ohne sich darüber wirklich im Klaren zu sein.

Klar, letzten Endes ist es egal, so lange man nicht rassistisch handelt und jedem Menschen -wie du auch sagtest- eine faire Chance gibt. Dennoch, mit so einem Ergebnis konfrontiert zu werden, ist schon ziemlich verwirrend. Wenngleich ich mir natürlich durchaus im Klaren darüber bin, dass so ein Test nicht die 100 prozentige, einzige Wahrheit darstellt.

Ich bin mal gespannt, ob noch andere Lust haben, den Test zu machen und zu berichten.