Gewalt: Warum lassen sich Frauen das gefallen?

In meinem Bekanntenkreis ist eine Frau, die mit einem gewalttätigen Mann verheiratet ist. Ich habe neulich mit ihr gesprochen, als sie wieder einmal bei Regen eine Sonnenbrille trug. Sie meinte, dass sie ungeschickt gegen den Türrahmen gelaufen wäre und sie wäre ja so oft so ungeschickt und sie versteht es wohl selber nicht. Ich habe sie in der Stadt getroffen und wollte mit ihr einen Kaffee trinken gehen. Aber sie meinte, dass sie nach hause muss, weil ihr Mann von der Arbeit kommt. Sie schaute sich dabei ängstlich um.

Ich weiß, dass der Mann sie schlägt. Denn dieses Verhalten ist nichts Neues und sie hat oft blaue Flecken und trägt bei Regen eine Sonnenbrille oder im Sommer einen Rollkragenpulli. Ich habe auch schon versucht mit ihr zu sprechen. Aber ich bin nicht so eng mit ihr befreundet.

Von einer Freundin weiß ich, dass für manche Frauen wohl der Absprung sehr schwer fällt, wenn sie von einem Mann geschlagen werden. Diese Freundin hat sich vor ein paar Jahren von einem gewalttätigen Mann getrennt. Sie meint, dass sie immer gehofft hat, dass er sich ändert. Sie hat das Ganze aber 4 Jahre mit gemacht. Ich frage mich, wie eine Frau das über so eine lange Zeit aushalten kann und warum sie sich nicht direkt trennt. Meine Freundin meinte, dass sie das auch immer gesagt hat. Wenn man aber selber in dieser Situation ist, würde man nicht so handeln. Aber warum ist das so? Warum sagt man, dass man sich das nie gefallen lassen würde und wenn man dann in diese Situation kommt, dann lässt man sich verprügeln? Ich verstehe das nicht und ich denke, dass ich mir das nicht gefallen lassen würde.

Wie denkt ihr über Frauen, die sich das über Jahre gefallen lassen und was würdet ihr machen, wenn ihr so was mit bekommt?

Erst einmal, wie auffällig es ist im Regen eine Sonnenbrille zu tragen und dann die Ausrede zu haben, man sei ungeschickt gegen den Türrahmen gelaufen. Oder im Sommer einen Rollkragenpullover zu tragen, um seine Verletzungen zu verstecken. Da weiß doch im Endeffekt schon jeder Bescheid, was dieser Frau passiert ist. Selbst Außenstehende würden sofort Bescheid wissen. Auch das Sie sofort nach Hause muss, weil ihr Mann gleich von der Arbeit kommt, finde ich schon krass. Immer hin kann man doch mal einen Kaffee trinken gehen und der Mann kann doch auch mal fünf Minuten zu Hause alleine überleben.

Mir tun diese Frauen auch immer leid, wenn ich höre, dass deren Männer ihren Frauen gewalttätig gegenüber werden. Meist ist es wirklich so, dass diese Frauen keinen Mut haben ihren gewalttätigen Mann zu verlassen. Entweder haben sie Angst davor, dass der Mann sie eventuell noch weiter gewalttätig gegenüber werden kann, wenn die Frau dem Mann sagt, dass sie ihn verlassen wird oder das der Mann die Frau aufsucht und findet und dann die Frau trotzdem keine Ruhe vor dem gewalttätigen Mann hat. Leider gehen diese Frauen auch nicht zur Polizei, um den gewalttätigen Mann anzuzeigen, da sie Angst vor den Konsequenzen haben, was ich auch irgendwie wiederum verstehen kann. Wer hätte nicht Angst seinen Mann anzuzeigen, wenn man weiß, was auf einen zu kommt an Gewalt von der Seite des Mannes.

Meist ist es aber auch so, dass die Frauen der Absprung schwerfällt von ihrem gewalttätigen Mann. Vielleicht sind sie schon lange ein Paar und die Frau weiß nicht, was sie machen soll und wie es weiter gehen soll, wenn sie ihren Mann verlassen hat, auch finanziell oder eventuell sogar, wohin sie gehen soll, wenn sie ihren gewalttätigen Mann verlässt. Vielleicht hat die Frau keine Freunde oder Verwandte oder andere Familienmitglieder, zu denen sie flüchten kann oder vielleicht möchte sie die Freunde, Verwandte oder die anderen Familienmitglieder nicht mit hineinziehen, aus Angst, dass der Mann dort vor der Tür stehen könnte und der gewalttätige Mann sie auch terrorisieren könnte, was ihr natürlich auch sehr peinlich sein müsste, wenn der verlassene Mann solch einen Terror bei anderen macht, obwohl sie ja nichts dafürkann.

Es gibt aber auch Frauenhäuser, in denen die Frauen flüchten können, sogar mit ihren Kindern, wenn sie Angst haben vor ihrem Mann oder häusliche Gewalt von der Seite ihres Mannes erleben müssen. Meist wissen die Männer noch nicht einmal, wo sich solch ein Frauenhaus befindet, da diese Frauenhäuser immer sehr gut versteckt sind und die Adresse sehr geheim gehalten wird. Aber leider haben die meisten Frauen nicht den Mut diesen Schritt zu gehen, wenn sie Gewalt von der Seite ihres Mannes erleben müssen.

Wenn ich mitbekommen würde, dass eine Frau aus meinem Umfeld von ihrem Mann geschlagen wird, dann würde ich definitiv meinen Mund aufmachen. Ich habe keine Angst vor Männern, egal welche Statur. Und ich würde die Frau dazu bewegen ihre Sachen zu packen und mit zu kommen und ihr dann zu helfen eine Unterkunft zu finden, wenn die Unterkunft nicht sogar bei mir wäre. Es sei denn, die Frau möchte dies auch. Wenn die Frau es nicht möchte, dann kann man leider nicht viel machen, denke ich.

Es steckt meist ein sehr geringes Selbstbewusstsein dahinter, was natürlich zusätzlich unter der Situation leidet. Zudem kommt bei vielen die Hoffnung dazu, dass sich irgendwann etwas ändern. Schließlich war zu Anfang ja alles in Ordnung und "so schlimm" ist der Mann ja dann doch nicht und außerdem versprechen solche Männer meist regelmäßig sich zu ändern. Dazu kommt dann der emotionale Druck. Oft machen die Männer ihre Frauen ja auch psychisch fertig, in dem sie ihnen einreden, dass sie nichts hinbekommen, es nicht anders verdient haben, selbst schuld sind oder ihnen sowieso niemand glaubt und es ihnen woanders noch schlechter geht.

Dazu kommt sicherlich auch die Angst sich der Situation zu stellen. Mit Fremden darüber zu reden und vermutlich genau das gefragt zu werden, wie in diesem Thread "Warum hast du dir das so lange gefallen lassen?" Wirklich etwas machen kann man eigentlich nicht. Sofern man ernsthaft bereit ist zu helfen, kann man genau das anbieten.

Natürlich tun mir die Frauen leid, die sich so etwas gefallen lassen und nicht loskommen von den Menschen, die ihnen weh tun. Es gibt viele Beispiele dafür auch in den Medien. Neulich erst wieder mit einer jungen Mutter, die immer wieder zu ihrem gewaltbereiten Freund zurückgekehrt ist, bis er ihr die Augen ausgequetscht hat und sie seit dem blind ist.

Frauen, die mit einem gewalttätigen Mann zusammen sind, haben Angst, den Mund aufzumachen. Denn sie wissen, zu was der Mann bereit ist und dass sie in Gefahr sind, wenn sie nicht das tun, was der Mann will. Deshalb suchen sie sich keine Hilfe, weil sie ebenfalls immer noch glauben, dass das nicht ihr Mann ist, weil sie ihn anders kennen. Die Frau will natürlich nicht wahrhaben, dass der Mensch, der so wichtig ist, eine Gefahr darstellt.

Hilfe in Anspruch nehmen bedeutet Mut zu haben. Und diesen Mut nimmt der Mann ihnen, wenn er Gewalt anwendet.

Ich denke, dass diese Frauen unter einem gewissen Druck stehen. Wenn sie sich scheiden lassen wollen, haben sie oft Angst, dass der Mann bis zur endgültigen Scheidung noch gewalttätiger wird. Auch nach der Scheidung ist der Mann nicht unbedingt aus der Welt und kann die Frau auch dann noch angreifen. Ich denke, wenn man in so einer Situation ist probiert man alles, damit der Mann nicht wütend ist.

Natürlich sagt man jetzt erst einmal, dass man selbst anders handeln würde. Aber man kann dies, meiner Meinung nach, aus der Momentanen Situation nicht richtig beurteilen. Wie man diesen Frauen helfen kann oder sollte kann man nicht so genau sagen. Es kommt immer auf die individuelle Situation an.

Es gibt allerdings solche Heime, in denen die Frauen von gewalttätigen Männern aufgenommen werden. Ich denke, dort können sie vor ihren Männer sozusagen flüchten. Dort müssen sie auch nicht noch bis zur endgültigen Scheidung mit ihrem Ehemann zusammen leben.

Es geht dabei nicht nur darum einfach den schlagenden Mann zu verlassen. Um dann wirklich Ruhe vor so einem Menschen zu haben muss man eben auch die Gewalttätigkeiten anzeigen und gegen den eigenen Mann aussagen. Und bis der Punkt erreicht ist, dass Frauen das wirklich durchstehen, muss eben schon sehr viel passieren.

Dazu muss man bedenken, dass diese Frauen meist keinen Job haben. Wenn sie ihren Mann verlassen, dann stehen sie ohne Geld da. Es ist dann ein weiterer Spießrutenlauf, bis sie Gelder von den Ämtern beantragt und bewilligt bekommen.

Ich denke, dass sich wohl jeder fragt, warum manche Frauen einfach bei ihren Männern bleiben, die sie schlagen. Immerhin, so denkt man sich, kann man so einen Menschen doch gar nicht lieben, weshalb eine Trennung nicht allzu schwer sein würde.

Ich denke, dass es aber gar nicht so schwer ist, zu begreifen, warum manche Frauen sich so etwas gefallen lassen und sich regelmäßig von ihrem Mann misshandeln lassen, ohne den Mund aufzumachen und ohne an eine Trennung zu denken.

Keine Frau wird wohl gleich zu Beginn einer Beziehung geschlagen. Vielmehr handelt es sich dabei wohl um einen schleichenden Vorgang, bei dem der Mann immer dominanter wird und der Frau klarmacht, wer der Herr im Haus ist. So macht der Mann immer wieder unmissverständlich klar, dass er im Recht ist und die Frau etwas Schlechtes getan hat. Schafft er es nämlich, der Frau ein schlechtes Gewissen zu bereiten, ist der Mann nämlich am Ziel. So erreicht er, was er möchte und zeigt der Frau somit, dass ihr Verhalten nicht korrekt war. Um dies unmissverständlich klar zu machen, kommt eben auch Gewalt ins Spiel.

Ich denke, dass besonders Frauen mit geringem Selbstbewusstsein anfällig für gewalttätige Männer sind, weshalb diese sich wohl indirekt nach solchen Frauen umschauen. So hat die Frau ohnehin ein geringes Selbstbewusstsein, wobei der Mann eben auch noch versucht, der Frau mit allen Mitteln ein schlechtes Gewissen zu bereiten, wenn sie in seinen Augen, etwas falsch macht. So bekommt die Frau immer wieder das Gefühl, dass der Mann Recht habe und sie wirklich etwas Schlimmes getan hätte, so dass die Schläge auch gerechtfertigt wären. Dadurch wird ihr Selbstbewusstsein natürlich noch geringer, was schnell dazu führt, dass die Frau sich nicht als wertvoll empfindet und denkt, dass sie nie einen anderen Mann abbekommen wird.

Dass der Mann eben nicht immer böse ist, sondern sich zwischen den Gewalttaten sicherlich oftmals lieb verhält, wird die eine oder andere Frau wohl auch die Hoffnung nicht los, dass die Bestrafungen irgendwann aufhören, wenn sie sich nur gut genug benimmt.

Ich habe da ähnliche Gedanken wie Prinzessin. Zum einen ist es ja so, dass Mann am Anfang oft furchtbar charmant ist, einem ein ganz tolles Gefühl gibt und das vielleicht ohnehin nicht gut ausgeprägte Selbstbewusstsein stärkt. Irgendwann verliebt man sich dann, kann die Zeit noch ein wenig genießen und dann beginnt der schleichende Prozess, vielleicht angefangen mit Beleidigungen oder Befehlen. Wenn das dann erstmal los geht, dann ist bei anfälligen Personen das Selbstbewusstsein schnell im Keller, vielleicht hat man Angst, dass man ohne den Mann nicht klar kommt, dass andere Männer ohnehin kein Interesse an einem haben und man allein sein muss. Oder, dass andere einem nicht glauben. Das gepaart mit der Hoffnung, irgendwann wieder den Mann zurück zu bekommen, den man zu Anfang kennen gelernt hat, lässt wohl so manche Frau bleiben.

Ich selber habe keine Erfahrungen mit schlagenden Männern gemacht, durchaus aber mit psychischer Gewalt, die ich mir habe gefallen lassen, weil ich -aus irgendeinem Grund- an das Gute in diesem Menschen glauben wollte. Als wir uns kennen lernten hat er mich umgarnt und behandelt wie eine Prinzessin. Als er mich dann "an der Angel" hatte, war er dann nicht mehr der charmante, tolle Kerl, sondern hatte Forderungen und wenn er seinen Willen nicht bekam, dann wurde ich beleidigt. Von "kein Wunder, dass deine Mutter dich nicht wollte" über andere Boshaftigkeiten bis "erschieß dich und erleichtere die Welt". Das ging ein halbes Jahr so und es war keineswegs so, dass er nur beleidigt hätte. Nee, wenn er gute Laune hatte, war er sensibel und toll - und so hatte ich immer wieder die Hoffnung, dass sein asoziales Verhalten irgendeinen Grund (Stress o.Ä.) hätte und ich irgendwie auch selber Schuld wäre und mich verändern müsste. Auch, dass Freunde auf mich eingeredet haben, hat rein gar nichts gebracht. Bis ich dann einsehen musste, dass sich nie irgendwas ändern würde und dieser charmante Kerl von "damals" nur eine Maske war. Die Folge waren dann Depressionen vom allerfeinsten und ein endgültiges Ende - für das ich dann ebenfalls beschimpft wurde.

Das als kleine Erklärung. Manchmal braucht man einfach lange -und länger-, bis Herz und Verstand begreifen, dass jede Hoffnung fehl am Platze ist und man ohne die Person, die einen schlecht behandelt, besser dran wäre.