Ist Inklusion für alle Behinderungen geeignet?
Gerade jetzt wurde in Mecklenburg-Vorpommern der breiten Öffentlichkeit ein umfassender Katalog vorgestellt wie man nun die behinderten Schüler in der Grundschule unterrichten will. Allerdings treten dabei nun gleich mehrere unterschiedliche Probleme ans Tageslicht, denn die Behinderungen der Schüler sind total verschieden. Es steht einfach nicht genug Personal zur Verfügung.
Gibt es vielleicht auch noch andere Optionen, wie man diese Schüler unterrichten kann? Wie setzen es beispielsweise andere Bundesländer in der Praxis um? Können hierbei die Bundesländer nicht ganz einfach direkt zusammen arbeiten? Die Probleme ähneln sich doch bestimmt und treten in allen Bundesländern im gleichen Umfang auf.
Wer von euch arbeitet im Bildungsbereich und hat hier schon einige Erfahrungen gesammelt? Können die Eltern der Schüler auch effektive Hilfe mit anbieten? Wie lässt sich die Sache in der Praxis mit allen Fachkräften umsetzen?
Deine Vorstellungen sind zielorientiert. Die Arbeit in den Bildungsministerien ist meist deutlich schwieriger. Erstmal sind sämtliche Entscheidungsträger weit weg von der Basis. Das ist kein Vorwurf, es ist einfach so. Wer im Ministerium arbeitet, der hat mit Schulen einfach keinen Kontakt. Dann muss es auch noch jemand sein, der sich in die Lage hineinversetzen kann, also möglichst selbst betroffen ist und so die Eltern und Kinder tatsächlich verstehen kann.
Sicherlich wäre es sinnvoll, wenn die Bundesländer an einem Strang ziehen würden, aber dazu sind die Ministerien viel zu weit voneinander entfernt. Das meine ich nicht in Hinblick auf die reale Entfernung sondern auf die Gedankliche. Ich glaube nicht, dass da das eine Ministerium sich von anderen reinreden lassen möchte. Das wird das Hauptproblem sein. Jeder denkt, er geht den richtigen und den einzigen Weg und alle anderen Wege sind Quatsch. Außerdem versucht hier jeder das Rad neu zu erfinden und versucht sich zu profilieren. Da sind die Kinder ganz weit weg.
Es ist natürlich klar, dass Kinder mit Behinderungen sehr sehr unterschiedlich sind. Alle Kinder sind unterschiedlich, wie sollte es da funktionieren behinderte Kinder in einer Klasse unterzubringen, die noch dazu ganz verschiedene Behinderungen haben. Um den Kindern gerecht zu werden und sie gleichermaßen berücksichtigen zu können, muss man die Kinder nicht nur nach Alter sondern auch noch hinsichtlich der Behinderung gruppieren. Man kann nun einmal mit blinden Kindern nicht so unterrichten wie Kinder mit Gehbehinderungen. Das liegt ganz klar auf der Hand. Das leuchtet dir und auch anderen ein, aber leider nie denen, die die Entscheidungen treffen.
Ich halte Inklusion nicht für alle Behinderungen geeignet, und natürlich erst recht nicht bei den ohnehin schon zu großen Klassengrößen mit nur einem Lehrer pro Klasse.
Das Problem ist halt, dass alle Behinderungen unterschiedlich sind. Viele behinderte Kinder kann man natürlich weitgehend problemlos in den Schulalltag integrieren, allerdings nicht ohne zusätzliches Personal. Und das Problem ist, dass zusätzliches, möglichst noch gut ausgebildetes Personal Geld kostet, und dass niemand zusätzliches Geld ausgeben möchte. Wenn das Modell der Inklusion aber so umgesetzt wird, dass die behinderten Kinder einfach in eine Klasse dazugesetzt werden, kann das natürlich nicht funktionieren. Daran würde auch eine bundeslandübergreifende Verwaltung absolut nichts ändern!
Wenn nun zum Beispiel der Lehrer einem Kind mit Körperbehinderung helfen muss, auf die Toilette zu gehen, oder ansonsten mit der Pflege beschäftigt ist, findet für die anderen Kinder in dieser Zeit kein Unterricht statt. Das wäre natürlich vollkommen inakzeptabel.
Und auch bei aller Toleranz und allem guten Willen muss man leider auch feststellen, dass es Behinderungen gibt, die sich selbst mit zusätzlichem Personal nicht in den Alltag einer Schulklasse integrieren lassen. Zum Beispiel gibt es geistig behinderte Menschen, die die ganze Zeit schreien oder andere Geräusche von sich geben. Was soll man da machen? Eine Schulklasse wäre davon völlig lahmgelegt, denn unter solchen Umständen kann natürlich niemand etwas lernen.
Ich bin durchaus der Meinung, dass man Behinderte auf normale Schulen gehen lassen sollte, sofern es irgend geht, und dass man dafür auch zusätzliche Mittel bereitstellen muss, wenn zusätzliche Assistenz benötigt wird. Die komplette Abschaffung der Sonderschulen halte ich allerdings für einen ideologisch verblendeten Irrweg, mit dem man letztendlich niemandem einen Gefallen tut - weder den Behinderten, die in einer zu großen Klasse nicht optimal gefördert würden, noch den gesunden Kindern, die abgelenkt und vom Lernen abgehalten werden.
Ich hatte in meinem letzten Semester ein Seminar über Inklusion in der Schule. Es steht für mich außer Frage, dass jeder "behinderte" Schüler integriert werden kann. Wie schon ein Vorredner sagte, ist es schwierig gewisse Verhaltensweisen zu integrieren. Wie sollte man z.B. ein authistisches Kind, das sich seiner Umwelt nicht mitteilt, integrieren?
Die Inklusion unterscheidet dort aber auch die verschiedenen Gruppen. Geh- oder sehbehinderte Schülerinnen und Schüler lassen sich leichter integrieren als geistigbehinderte Schülerinnern und Schüler. Ich weiß nicht, ob das nur hier in NRW so ist (oder ob wir im Seminar über ein anderes Bundesland gesprochen haben), aber die maximale Anzahl der integrierten Schülerinnen und Schüler ist auf, ich meine, 4 beschränkt. Pro integrierten, korrekterweise müsste man wohl inkludierten Schülerin bzw. Schüler sagen, wird eine gewisse Stundenanzahl eines Sozialarbeiters gewährt. Hier in NRW sind es lächerliche 12 und ein paar zerquetschte Stunden, die ein Sozialarbeiter den Lehrerinnen und Lehrer zur Seite steht. Aber alle Beteiligten sagen, dass das einfach zu wenige Stunden sind. In diesen Stunden muss der Sozialarbeiter die Lehrer beraten, den bzw. die Schülerinnen und Schüler individuell fördern und andere bürokratische Dinge erledigen.
Ich persönlich kann mir nicht vorstellen wie das Konzept der Inklusion effizient umgesetzt werden kann. Auf dem Papier liest sich vieles sehr gut, aber die Realität sieht eben anders aus. Bei kleineren Klassen wäre es sicherlich einfacher. Aber wenn ich mir überlege, dass ich 30 Schülerinnen und Schüler habe und darunter dann auch noch 4 mit erhöhtem Förderbedarf, dann muss ich selbst sagen, dass ich dem nicht gerecht werden kann.
Zwölf Stunden eines Sozialarbeiters pro behindertem Kind? Das ist absolut lächerlich und nicht machbar. Allein ein ansonsten gesundes Kind mit einer "harmlosen" Hörbehinderung bräuchte doch die gesamte Zeit über einen Gebärdensprache-Dolmetscher. Wohlgemerkt: diese Art der Inklusion fände ich an sich großartig. Aber eben nur dann, wenn sichergestellt ist, dass der Schüler mit Behinderung auch wirklich die gesamte Zeit über dem Unterricht folgen kann. Es wäre ja nicht der Sinn der Sache, wenn der betroffene Schüler 12 Stunden pro Woche Unterricht hätte und den Rest der Zeit nur absitzt, ohne etwas zu verstehen. Insgesamt fände ich es aber gut, wenn körperlich behinderten Kindern der Besuch einer normalen Schule ermöglicht wird.
Bei geistigen Behinderungen muss man halt sehr differenzieren. Einige Formen geistiger Behinderung wären sicherlich irgendwie integrierbar, bei Kindern mit Down-Syndrom wird das auch schon versuchsweise seit längerer Zeit praktiziert. In Fächern, die zu schwierig für sie sind, werden die Kinder dann aus dem normalen Unterricht herausgenommen und bekommen separat Förderunterricht. Das kann super funktionieren - aber eben nur bei guter personeller Ausstattung der Schule.
Interessanterweise gelten auch zumindest die leichteren Formen von Autismus als weitgehend problemlos integrierbar, da die betroffenen Personen in den weitaus meisten Fällen völlig normal intelligent sind. Die würden sich dann vermutlich nicht an einem Unterrichtsgespräch beteiligen, könnten aber zumindest dem Unterricht an sich folgen oder die Sachen schriftlich nachlesen und Klausuren mitschreiben. Viele Kinder mit Asperger-Syndrom gehen sogar völlig ohne sonderpädagogische Förderung in normale Klassen! Einige werden sogar sehr spät erst diagnostiziert, weil sich vorher schlichtweg kein echtes Problem ergibt.
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