Scripted Reality - warum braucht man sowas?

vom 16.04.2010, 22:38 Uhr

Wenn man derzeit am frühen Nachmittag auf die privaten Sender (allen voran RTL) schaltet, wird man zwangläufig einer Serie begegnen, die sich als "Scripted Reality", also etwa "Geschriebene Realität" zu Deutsch, bezeichnen lässt. Damit sind die Pseudo-Dokus gemeint, die mit Laienschauspielern ausgestattet über vermeintlich lebensnahe Situationen "berichten". Aufgebaut sind sie wie klassische Dokus, also mit Erzähler-Stimme und eingestreuten Interviews. Jedoch sind die Fälle nie echt, sondern werden nur "für Echt" produziert, samt Drehbuch.

Nun ist der Trend nicht neu und existiert im Grunde seit der ersten Fernsehgerichtsshow. Dennoch finde ich die neue Welle an "Scripted Reality" um einiges seltsamer und befremdlicher im Nutzen. Denn obwohl sich die Serien wie "Verdächtsfälle" an der Realität orientieren, so wirken die Themen der Serien platt und vor Klischees triefend - ein fauler Südländer, ein untreuer Freund, ein ehemaliger Straftäter bedroht liebes Vorstadtmädchen etc - die Liste wäre lang. Trotzdem scheint es ja eine große Zuschauerbasis zu geben, die eben diese Serien gerne sieht - sonst würden die sich nicht so lange im Fernsehen halten. Und wenn die Zuschauerzahlen stimmen, dann müssen die Serien dem Zuschauer etwas geben, wonach es ihm dürstet - leider komme ich selbst nicht drauf was. Erfreut sich der Mensch an vorhersehbaren Geschichten? Oder fühlt er sich besser, wenn er niedrige soziale Schichten beobachtet?

Seht ihr euch solche Scripted Reality-Serien an? Wenn ja, warum? Es interessiert mich wirklich, denn für mich bieten die außer zweifelhafter Schauspielleistungen wenig sehenswertes - aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Benutzeravatar

» Malcolm » Beiträge: 3256 » Talkpoints: -1,99 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Wozu produziert man Unterhaltungsserien? Natürlich, damit sie sich irgendwer, der das lustig oder interessant findet, ansieht. Und das Konzept scheint ja aufzugehen, sonst würde man ja nicht immer mehr dieser Sendungen produzieren. Produziert wird ja schließlich verstärkt, was sich gut auf die Einschaltquoten auswirkt, und damit dem Sender Geld, beispielsweise durch Werbung, einbringt.

Was nun ist an "Scripted Reality" so toll? Ich denke, die Menschen sollen die Situationen als realistisch wahrnehmen und dadurch interessanter finden. Es ist ja zumindest bei einigen Menschen so, dass sie es lieben, im Fernsehen Orte oder Dinge zu sehen, die sie aus ihrem Alltag kennen, und nicht fremde, abgedrehte Stories. Also sucht man sich ein bekannte Millieu, der Zielgruppe entsprechend. Und dann darf es gerne, damit es eben noch echter wirkt, auch mal schlecht geschauspielert sein, mit umgangssprachlichen Dialogen, und so weiter.

Ja, vielleicht ist es auch direkt ein Reiz am scheinbar "Echten". Ich weiß auch nicht warum, aber ich muss jetzt irgendwie an die Porno-Branche denken. ;) Da gibt es so viel, wo angebliche "Amateure" gezeigt werden, die natürlich rein zufällig vor der Kamera Sex haben, und was weiß ich. Es soll immer alltäglich, echt und ungeplant wirken. Das scheint Leute ja irgendwie anzusprechen. Egal, ob bei Pornos oder bei anderen Medien.

Eigentlich ist "Scripted Reality" ja nichts Neues. Diese ganzen Gerichtsshows fallen ja irgendwie auch darunter, in einer gewissen Weise. Und die gibt es jetzt schon in etwa fünfzehn Jahre, wenn ich das jetzt korrekt einschätzen kann. Aber ja, irgendwie glaube ich auch, dass diese Programmart immer weiter zunimmt. Zumindest aktuell, bis es die nächste Modewelle gibt. Denn Moden gibt es ja auch beim Fernsehen, wie eben Gerichtsshows, Zoosendungen, Game-Shows. Das wechselt über die Jahre.

Diese Klischeehaftigkeit solcher Sendungen finde ich übrigens auch nicht besonders gut, da sich somit die Vorurteile in den Köpfen gewisser Zuschauer nur noch weiter einprägen. Allerdings befürchte ich, dass diese diese Sendungen sowieso nicht als fiktiven Spaß sehen, und auch keinen Spaß an schlechten Schauspielern, die "sozial Schwache" verkörpern, haben, sondern, dass sie das alles oft doch viel zu ernst nehmen. Und diese Klischees tatsächlich glauben. Ja, ich denke, würde man da Menschen zeigen, die den Klischees eben nicht entsprechen, da wäre "Otto Normal"-Zuschauer wohl sogar verwirrt und würde umschalten. Das wollen die privaten Sender natürlich nicht. Insgesamt eine ziemlich traurige Sache.

Ich sehe mir solche Sendungen übrigens nicht an, jedenfalls nicht regelmäßig. Ab und zu bleibe ich mitten in der Nacht an einer hängen, wenn ich nicht schlafen kann, aber auch nur kurz. Dann staune ich über die dummen Klischees, schüttele den Kopf über die schlechte schauspielerische Leistung, und dann schreien und keifen sich die Darsteller auch schon an. Und ich schalte um, weil ich keine Kopfschmerzen bekommen möchte.

Wie sich Menschen so ein unnötiges Geschrei, das ja wohl in fast jeder dieser Sendungen regelmäßig vorkommt, freiwillig und öfters ansehen können, ist mir ein Rätsel. Aber vielleicht ist das auch eine Geschmacks- und Niveau-Frage. Und es ist ja auch wieder einen Unterschied, ob man diese Sendungen bewusst als Trash-Formate wahrnimmt, oder ob man das leider alles ernst nimmt und es für gewöhnliche Unterhaltung hält oder gar, schlimmstenfalls, für eine Dokumentation. Obwohl ich mir mittlerweile sogar vorstellen könnte, dass Leute echt so leben. Vielleicht auch, weil es ihnen im Fernsehen ja andauernd so vorgelebt wird.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Malcolm hat geschrieben:Seht ihr euch solche Scripted Reality-Serien an?

Naja, das kann sich ja nur an die Leute richten, die zu der Zeit in der Lage sind, sich vor den Fernseher zu setzten. Werktätige können das ja nun zum größten Teil nicht sein. Solche Produktionen richten sich eben nach dem Geschmack der Zielgruppe.

Und das ist nicht wie vielleicht zunächst vermutet der faule Arbeitslose, der sich daran erfreut, dass er bzw. Menschen in seiner Situation als Klischee dargestellt werden. Außerdem ist ein Arbeitsloser nicht unbedingt ein idealer Zuschauer, wenn man bedenkt, dass die Werbung das ganze finanziert. Kaufkräftiger und damit interessanter ist ja eher der Rest.

Das sind ja zunächst Hausfrauen und Hausmänner, Rentnerinnern und Rentner und zuletzt natürlich auch Schülerinnen und Schüler. Genau für diese Zielgruppen sollte die Serie produziert worden sein und es hält sich nur deshalb so lange, weil man damit richtig liegt.

Waren es früher die Talkshows (kaum einer glaubt, dass die besprochenen Themen bzw. die zugehörigen Gäste ernst genommen werden sollen) und danach die Gerichtsshows (echte Richter, falsche Fälle, realistische Urteile :lol:), so sind es heute diese Formate, welche "günstig" produziert werden können und ganz offenbar den Geschmack des größten Teils der Zuschauer trifft.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Sie befriedigen in erster Linie den selben Voyeurismus wie auch schon damals die Talkshows und allgemein die Klatschmagazine, die als "Frauenzeitschriften" bezeichnet werden, nur eben mit scheinbar realistischen Themen. Leichte und seichte Unterhaltung, die man mal so nebenher laufen lassen kann und auf die man sich nicht so 100%ig konzentrieren muß wie andere Sendungen, über die man dann aber hinterher trotzdem immer noch mitreden kann.

Ich seh's hin und wieder samstags oder wenn ich Urlaub mal nix Besseres zu tun habe. Ob ich mir das allerdings täglich geben könnte, weiß ich wirklich nicht. Wollen würde ich es aber mit Sicherheit nicht :lol:

» kuyashinaki » Beiträge: 113 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 100 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:Das sind ja zunächst Hausfrauen und Hausmänner, Rentnerinnern und Rentner und zuletzt natürlich auch Schülerinnen und Schüler.


Und was meinst du, ist der Grund, wieso dieses Fernseh-Format bei diesen Gruppen besonders gut ankommt? Liegt es daran, dass die Unterhaltung sehr leicht und oberflächlich ist, man also nicht besonders viel nachdenken muss? Oder arbeitet man da wirklich mit Feindbildern, also dass dann beispielsweise Rentnerinnen und Rentner sich denken können, wie schlecht "die Jugend von heute" sei, und Gymnasiasten machen sich dann über "die Asozialen" lustig?

Ich bin mir da nicht sicher. Einerseits kann man ja schon glauben, einige Leute haben Spaß daran, sich über weniger gebildete Menschen lustig zu machen. Auch, wenn das auch nicht gerade das intelligenteste Verhalten ist. Aber ich erinnere mich beispielsweise gut an eine Mitschülerin früher auf meinem Gymnasium, die sah sich diesen ganzen Talkshow-Mist an, wenn ihr langweilig war. Sie meinte, die Leute seien halt lächerlich und das wäre so amüsant an der Sendung. Auf diese "Scripted Reality"-Sendungen müsste das ja genauso zutreffen.

Andererseits kann ich mir gleichzeitig gut vorstellen, dass gewisse Leute diese Sendungen tatsächlich gerne ansehen, weil sie so aussehen, wie ihre Realität. Auch, wenn ich mir das selbst kaum vorstellen kann, dass man so ein Leben haben kann, was ich so in Bus und Bahn mitbekomme, sieht schon erschreckend nach solchen "Asi-Sendungen" aus. Ob die Sendungen dabei dieses echte Verhalten nachahmen, oder ob die Leute sich nun so benehmen, weil solche Sendungen es ihnen vorleben, das wäre eine weitere Frage.

Ist es vielleicht so, dass diese "Scripted Reality"-Sendungen quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie als Zielgruppe sowohl Menschen haben, die sich mit dem Gezeigten identifizieren können, als auch solche Personen, die über solche "Asozialen" lachen?

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Was an scriptet reality meiner Meinung nach eigentlich am meisten Kritik verdient: Man ist sich nicht immer sofort bewusst, dass das nicht echt ist, was man da vorgesetzt bekommt. Ich kenne einzelne weniger gebildete Leute, die tatsächlich nicht wissen, dass zum Beispiel diese Gerichtsshows nicht echte Fälle darstellen. Die wissen dann vielleicht, dass der Darsteller des Richter ein echter Richter ist und glauben das alles. Natürlich kann man irgendwo im Abspann lesen, dass das nicht echt ist. Aber dazu muss man erst mal wissen, was scripted reality eigentlich bedeutet.

Wenn am Anfang der Sendung ein Bildschirm eingeblendet würde, dass diese Sendung einen komplett erfundenen Fall darstellt und vom Autorenteam XY geschrieben wurde, dann wäre das noch den meisten Leuten klar. Was aber spricht dagegen, das nicht zu Anfang einzublenden und zwar bei jeder Sendung, die nicht authentisch ist? Ich denke ganz einfach, dass man die Leute möglichst im Glauben lassen will, dass das alles echt ist, weil man so mehr Leute fesseln kann. Was ich mir ohne Distanz ansehe, kann mich auch mehr berühren.

Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass man doch gar nicht so naiv sein kann, das nicht zu merken. Ich halte mich nicht für unkritisch oder ungebildet. Trotzdem ist es mir auch passiert, dass es eine ganze Weile gedauert hat, bis ich die Sendung als erfunden erkannt habe. Bei Mieten Kaufen Wohnen wirkt das ganz zwar relativ überzogen, aber ich dachte anfangs, als ich die Sendung kennen lernte auch eine Weile, dass man da echte Makler und echte Interessenten begleitet. Aber dass da so viel gestellt ist, hätte ich auch nicht gedacht. Wenn also einem gebildeten Menschen so etwas entgehen kann, sei es wegen Unaufmerksamkeit oder weil eine Sendung eine Zielgruppe überzeugt, wie soll es dann weniger aufmerksamen und weniger gebildeten Menschen gehen? Wohl kaum besser.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Scripted Reality ist so eine Sache. Vor allem RTL gibt man dank den ganzen Scripted Reality Sendungen bereits den Ruf das Volk zu verdummen. Es werden für besagte Sendungen oft dickere Menschen ausgewählt, oder Harz IV Empfänger. Diese spielen dann eine Rolle und bekommen vergleichsweise wenig Geld dafür. Der einzige der wirklich von diesen Sendungen profitiert ist RTL. Sie bekommen recht viele Zuschauer, gerade von Jugendlichen Zuschauern.

Hätten diese Sendungen wenigstens einen Sinn . . . stattdessen zeigen sie oft unwirkliche Situationen. Ein anderes Beispiel wären einige Gerichtssendungen, welche zwar ebenfalls gespielt und nicht auf wirkliche Gegebenheiten basieren, aber doch wenigstens einen interessanten Charakter besitzen.

Langsam frage ich mich ob nicht noch ganz andere Sendungen Scripted Reality sind. Zum Beispiel "Bauer sucht Frau" erscheint mir immer mehr gespielt und erfunden. Ich meide einfach gewisse Fernsehsender, darunter auch das Vormittagsprogramm von RTL und größtenteils auch RTL 2. Muss jeder für sich selber entscheiden, aber ich habe mal eine Doku dazu gesehen. Die bezog sich auf die Sendung "Mitten im Leben". Dort wurde gezeigt wo von RTL einige Mitarbeiter auf der Straße nach dicken und arbeitslosen Menschen waren. Man sah sehr gut wie sie diese Vorführen und benutzen.

Nein Danke, brauch ich nicht!

Benutzeravatar

» marc25341 » Beiträge: 297 » Talkpoints: 0,77 » Auszeichnung für 100 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:Naja, das kann sich ja nur an die Leute richten, die zu der Zeit in der Lage sind, sich vor den Fernseher zu setzten. Werktätige können das ja nun zum größten Teil nicht sein. Solche Produktionen richten sich eben nach dem Geschmack der Zielgruppe.

"Zu der Zeit" ist leider relativ geworden. Mir ist gerade (an einem Samstag Abend) auf der Suche nach einer Nachrichtensendung ein Stück RTLscher Schauspielkunst untergekommen, frei nach dem Motto "du bist voll hässlich!" "selber hässlich!". Mit diesen Sendungen werden inzwischen wohl wirklich all die Lücken im Programm gestopft, die niedrige Zuschauerzahlen versprechen. Denn solche Formate sind nun mal unschlagbar günstig.

Deshalb bezweifle ich auch, dass sich die Programme tatsächlich nach dem Geschmack der Zielgruppe richten. Ich denke, dass sich die Zielgruppe eher nach dem Programm richtet. Es gibt einfach Leute, gerade solche mit viel Tagesfreizeit, die ohne Fernseher nicht leben können und bei denen der Kasten wirklich fast permanent läuft. Wenn du denen eine teuer produzierte Serie zeigen würdest, würden sie die wahrscheinlich auch anschauen, aber warum sollte man so viel Geld verschwenden? Die Serie zeigt man doch lieber Abends, wo mehr Leute dafür Zeit haben und nicht zu einer Zeit, wo man eh keine hohen Einschaltquoten holen kann.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^