Mehrere Berufsabschlüsse und dennoch arbeitslos sein?

vom 05.01.2013, 22:24 Uhr

Ein früherer Klassenkamerad meines Mannes hat mehrere Berufsabschlüsse. Ich habe selber die Gesellenbriefe gesehen. Er hat erst Tischler gelernt, dann hat er Dekorateur gelernt und hat auch ein Jahr als Innenausstatter gearbeitet. Er hat dann Innenarchitektur studiert und dann hat er noch Fliesenleger gelernt, weil er in allen Jobs, die er gelernt hat keine Anstellung bekommen hat. Weiterhin hat er dann auch noch als Umzugshelfer gearbeitet, weil er keinen Job bekommen hat. Nun ist er schon seid 2 Jahren arbeitslos. Wenn er sich irgendwo bewirbt in einem Beruf, den er gelernt hat, dann heißt es, dass er überqualifiziert ist und er bekommt keine Chance.

Schon bei seinem Arbeitsvermittler, bei dem er ständig aufschlägt wird immer nur gesagt, dass sie nichts für ihn haben. Er bewirbt sich ständig und bekommt einfach nichts. Bewerbungslehrgänge, damit er die Bewerbungen auch richtig schreibt hat er schon mit gemacht und daran liegt es auch nicht. Er ist ein sehr netter Mann und keiner kann verstehen, dass er nichts findet. Wie findet ihr es, wenn einer wirklich alles macht um einen Job zu bekommen und dennoch keinen bekommt. Ab Sommer macht er wohl wieder eine Ausbildung. Er hofft als Koch dann mehr Chancen zu haben. Er macht nun ein unbezahltes Praktikum in einer Restaurantküche.

Ich verstehe nicht, dass jemand mehrere Ausbildungen macht und auch sichtlich arbeiten will, sonst würde er auch nicht für wenig Geld Ausbildungen machen, aber eben keine Anstellung in irgendeinem Beruf bekommt. Was meint ihr woran es liegt?

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» supermami » Beiträge: 2317 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Wahrscheinlich ist er schon überqualifiziert. Das Problem hatte mein Partner auch. Er hat zuerst eine Ausbildung gemacht und weil er dann nichts gefunden hat, hat er noch ein technisches Studium absolviert. Er hatte unheimliches Glück, dass er nun eine Festanstellung hat, aber es war bei ihm ein ähnlicher Weg wie bei dem Klassenkameraden deines Mannes. Egal wofür er sich beworden hat, er bekam nur Absagen. Bei ganz wenigen Firmen kam die Aussage, dass er überqualifiziert wäre.

Hat er sich bereits in dem Beruf, den er studiert hat, beworben? Oder vielleicht eine Selbstständigkeit ins Auge gefasst? Ist zwar schwierig, aber vielleicht ist es eine Option, wenn er wirklich überhaupt nichts findet. Zuviele Ausbildungen sind auch nicht gut. Wenn jemand mehr als eine Ausbildung absolviert hat, dann wird er teilweise als sprunghaft abgestempelt, auch wenn er gar nicht so rüberkommen möchte. Ich selbst habe zwei Ausbildungen und ich war froh, dass ich die Zweite absolviert habe und in dem Beruf arbeiten darf.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Da ich ja selber manchmal in der Personalauswahl arbeite, weiß ich, dass oftmals sehr auf Berufserfahrung geschaut wird, gerade bei handwerklichen Berufen. Tischler sind etwa sehr gefragt, aber wenn diese schon mehrere Jahre nichts mehr in ihrem Beruf gemacht haben, dann unterstellt man eben, dass hier der Bezug zur Praxis fehlt. Aber man kann ja den Lebenslauf ein wenig umgestalten, sodass man nicht mehr überqualifiziert wirkt zumal das ohnehin eher eine Ausrede ist für „Sie haben keine praktischen Erfahrungen aber das wollen wir so nicht sagen, daher sprechen wir von Überqualifikation“.

Dass er etwa Innenarchitektur studiert hat, würde ich aus dem Lebenslauf ganz weglassen, wenn er sich im handwerklichen Bereich bewirbt. Ohnehin ist das ein Studium was vielleicht nicht die beste Wahl war, denn hat jemand von Euch schon einmal einen Innenarchitekten benötigt? Also ich nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das ein gefragter Beruf ist. Also sollte er das Studium aus dem Lebenslauf streichen, denn das hat nichts mit dem Handwerk zu tun. Auch Dekorateur ist ein Abschluss, der nicht viel bringt.

Was gefragt ist, ist hingegen Bodenlegen und Fliesenleger geht ja in die Richtung. Er sollte also vor allem die Tischlerausbildung und eventuelle Erfahrungen als Tischler betonen. Die Ausbildung zum Fliesenleger kann er als Fortbildung deklarieren und wenn er da auch etwas praktische Erfahrungen hat, dann kann er die ebenso mit in den Lebenslauf als Berufserfahrung schreiben. Vielleicht hat er ja nicht nur Fliesen verlegt, sondern auch allgemein Böden? Das sollte er besonders hervorheben, für einen Bodenlegehelfer würde es zumindest reichen. Auch die Sache als Umzugshelfer sollte er etwas umdeklarieren, etwa als Küchenmonteur er hat doch bestimmt auch die ein oder andere Küche dabei zusammengesetzt.

Wenn er das so macht, dann hat alles irgendwie mit Tischlerei und Fußbodenlegen zu tun und wirkt so als hätte er da auch praktische Erfahrungen. Die Ausbildung als Koch würde ich sein lassen, das ist wieder so ein aussichtsloser Beruf, wo man schlecht etwas findet. Er sollte lieber bei der Tischlerei bleiben und da vielleicht eine CNC-Weiterbildung machen, das ist etwas, was oft nachgefragt wird.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 06.01.2013, 08:46, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich arbeite in einer Personalstelle eines großen Unternehmens und sehe oft Bewerbungen. Das erste was man sich dabei ansieht ist die Berufserfahrung. In deiner Erzählung kommt davon nicht so viel vor, also hat er wohl in den erlernten Berufen auch nicht so viel gearbeitet. Jedoch gerade bei handwerklichen Berufen oder Berufen, in denen Erfahrung wichtig ist, sollte Berufserfahrung gemacht worden sein. Das hat dein Bekannter nicht und dass dürfte auch das Problem sein.

Ob er überqualifiziert ist, das liegt wohl eher auch daran, wo er sich letztlich bewirbt. Wenn er nur solche einfachen Jobs macht und sich dafür bewirbt, dann ist er natürlich überqualifiziert. Die Unternehmen werden dann befürchten, dass er sich über kurz oder lang unterfordert fühlt und anderweitig bewirbt. Wenn er das nicht mit seiner Bewerbung und seinem Auftreten klar machen kann, dann wird er nicht genommen.

Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich nichts davon halte, wenn man Unmengen an Abschlüssen hat, aber noch in keinem Beruf richtig gearbeitet hat. Sobald man nichts mehr findet, macht man einfach einen neuen Abschluss und glaubt dann, bessere Chancen zu haben. Jedoch ist das heutzutage nicht mehr so. Unternehmen und Arbeitgeber wollen jemanden, der sich auskennt, dem man nicht mehr viel erklären muss, aber keinen, der mehrere Abschlüsse hat und nichts davon richtig kann, sondern nur theoretisch mal gesehen hat.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass es so etwas wie "überqualifiziert" gibt, im Sinne dass man keinen Job mehr bekommt, weil man eine höherwertige Ausbildung abgeschlossen hat. Zumindest wenn die höhere Ausbildung etwas für den unmittelbaren Job bringt, wird man denjenigen doch sehr gerne nehmen. Und selbst wenn nicht, schadet es erst einmal ja nicht.

Das Problem ist doch viel eher, dass man entweder als zu teuer angesehen wird (weil man aufgrund der höheren Qualifizierung auch ein höheres Gehalt erwartet) oder man zu lange aus der Praxis raus ist, weil man zu viel Zeit mit der Ausbildung verbracht hat. Wenn jemand vier Ausbildungen hat, aber nie wirklich in seinem Bereich gearbeitet hat, ist er nicht überqualifiziert, sondern hat einfach nur zu wenig relevante Berufserfahrung.

Außerdem sieht das ganze auch etwas danach aus, als wären keine klaren Interessen erkennbar. Die Ausbildungen haben ja nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Er hat die Ausbildungen, wie du schon schreibst, nur gemacht, "weil er nichts anderes gefunden hat". Das klingt nicht wirklich danach, als hätte er nach seinen eigenen Interessen gehandelt, und somit ist auch keine klare Linie erkennbar. Er wirkt dann vermutlich wie jemand, der einfach nicht weiß, was er machen möchte. Und das kommt meistens eher schlecht an.

Meiner Meinung nach sollte sich das dein Bekannter erst einmal klar machen. Dabei sollte er natürlich nicht nur nach seinen Interessen gehen, sondern auch die Arbeitsmarktchancen recherchieren. Und nach dieser Linie sollte er seine weiteren Bemühungen ausrichten. Man kann dann natürlich den Lebenslauf etwas anpassen, um diese Linie schon im Nachhinein ersichtlich zu machen.

Ansonsten gibt es ja noch die Möglichkeit kostenloser Praktika, für die viele Firmen sicherlich auch einen "Überqualifizierten" annehmen. Wenn man kostenloses Probearbeiten anbietet und dort überzeugt, kann man vielleicht auf diesen Weg einen Job bekommen. Und selbst wenn nicht, kann man dann immerhin etwas Berufspraxis sammeln, die man durchaus auch im Lebenslauf angeben kann.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich kenne auch eine Person die schon mehrere Berufsausbildungen hat und arbeitslos ist und das schon recht lange. Und ich denke auch dass diese vielen Berufsausbildungen daran schuld sind. Ich kenne es selber noch von meiner Firma wo solche Leute dann einfach nicht gerne genommen werden weil es dann heißt, der macht eh bald wieder etwas neues, den interessiert das nicht lange. Und ich denke dass das auch stimmt. Wenn man einen Beruf hat und der einem Spaß macht dann findet man auch etwas und wird dann einige Zeit in diesem Beruf arbeiten.

So wie es bei meiner Bekannten ist, hat die einfach nur eine Ausbildung nach der nächsten gemacht und außer der Praxis die sie vielleicht in der Ausbildung machen musste oder eben in der Ausbildung gemacht hat, hat sie in diesem Beruf nicht gearbeitet und das ist sicher ein Problem. Wie gesagt, die Firmen denken dann auch das diese Person an dem Beruf nicht interessiert ist und sowieso bald wieder wechselt und damit wird sie nicht aufgenommen.

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» torka » Beiträge: 4376 » Talkpoints: 7,91 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich kann schon verstehen, dass dieser Mann scheinbar keinen Job findet. Berufliche Interessen können sich natürlich ändern und es gibt auch Menschen, die nach einiger Zeit in einem bestimmten Beruf feststellen, dass ihnen der Beruf nicht das gibt, was sie sich davon erhofft haben und dann etwas anderes lernen oder ein anderes Studium anhängen. Das finde ich in Ordnung. Allerdings finde ich es merkwürdig, wenn jemand eine Ausbildung nach der anderen macht und scheinbar nicht so recht weiß, was er eigentlich möchte.

Die genannten Berufsbilder haben zwar alle etwas mit dem Innenausbau und der Einrichtung von Wohnungen zu tun. Aber es handelt sich doch um unterschiedliche Berufsbilder. Das könnte bei Arbeitgebern den Eindruck hervorrufen, dass der Bewerber, also dieser besagte Mann, einfach nur mal schauen möchte, ob er den Job bekommt, selbst wenn er vielleicht lieber einen anderen Job aus seinem (zu) umfangreichen Repertoire ausüben würde.

Wichtig ist natürlich auch die Anmerkung, dass der Mann scheinbar in keinem seiner Berufe eine wirkliche Berufserfahrung vorweisen kann. Diesen Faktor würde ich nicht unterschätzen. Da ist es für einen Betrieb doch sinnvoller, einen jungen Gesellen direkt nach der Prüfung einzustellen, der für seinen Beruf lebt und nicht eine Ausbildung nach der anderen macht. Bei dem bisherigen Werdegang müsste ein Chef, der für den eigenen Bedarf ausbildet, auch fürchten, dass der Mitarbeiter bald das Weite sucht, um sich mal wieder einer Ausbildung zu widmen.

Ebenfalls interessant wäre es zu wissen, wie der Mann eigentlich auftritt. Manche Leute treten einfach nicht überzeugend auf. Das ist aber umso wichtiger wenn man schon so einen verkorksten Lebenslauf vorzuweisen hat. Es könnte sein, dass dieser Mann manchmal auch einfach an sich selbst und seinem Auftreten scheitert.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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