Sind in Amerika TV-Debatten wichtiger als Inhalte?
Derzeit dreht sich im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf ja alles um die beiden TV-Debatten der Hauptkandidaten. Ich sehe ein, dass ein ''direktes Duell'' einen gewissen Reiz hat, insbesondere bei so kontroversen Themen wie Wirtschaft, Außenpolitik und Arbeit oder sogar Rechte von Homosexuellen, Abtreibung und Religion.
Dennoch frage ich mich, warum die TV-Duelle eine so gigantische Wirkung zu haben scheinen. Weil Obama zum Beispiel im ersten Aufeinandertreffen etwas schläfrig und wenig engagiert gewirkt hat, hat er seinen gesamten Vorsprung, den er sich über Inhalte und Mitt Romney's peinliche Ausrutscher erarbeitet hat, wieder eingebüßt.
Warum glaubt ihr ist das so? Sind Amerikaner einfach zu ''Medien-geil''?
So ein TV-Duell nach amerikanischem Vorbild hatten wir ja auch schon mal in Deutschland, ich glaube es waren Angela Merkel und Gerhard Schröder. Ich finde schon, dass das eine recht interessante Sache ist. So hört man die Kandidaten einfach mal reden und hört, wie sie sich zu einzelnen Standpunkten direkt äußern und hat eben auch den direkten Vergleich zwischen beiden.
Im übrigen ist nicht jeder so politikinteressiert, dass er Wahlkampfveranstaltungen besucht. So sind die TV-Duelle für viele vielleicht doch die einzige Möglichkeit, sich ein genaueres Bild von den Kandidaten zu machen. In den USA kommt es eben auch sehr auf den Präsidenten an, das in Deutschland, wo man sich in erster Linie für die Partei und nicht für den Kanzlerkandidaten entscheidet, eben auch etwas anders.
Als alleinige Entscheidungsgrundlage finde ich die TV-Duelle aber nicht ausreichend, da sollte man sich schon weitergehend informieren, um sich ein genaues Bild zu machen. Ich denke, dass manche sich auch blenden lassen, wenn ein Präsidentschaftskandidat im Fernsehen einen überzeugenden Auftritt hinlegt und dann gar nicht mehr so sehr darüber nachdenken, ob die Pläne des Kandidaten überhaupt mit ihren eigenen Vorstellungen übereinstimmen.
Ich glaube in Amerika gehen die Politiker mit den Medien schon seit langer Zeit ganz anders um, als es hier bei uns der Fall ist. Auch die Wahlkämpfe laufen ganz anders ab und die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft sind viel enger, was das ganze Sponsoring betrifft und es wird viel mehr "Show" gemacht und auf PR gesetzt. Die TV-Duelle sind da halt ein Teil von. Da steckt man als Europäer gar nicht so drin. Ich denke, Obama hat aber gerade im vorletzten TV-Duell besonders enttäuscht, weil er in seinem Wahlkampf vor dem Amtseintritt gerade mit seinen Innovationen in Sachen Internet und Volksnähe aufgefallen ist. Eigentlich sollte das sein Schlachtfeld sein, aber er hat halt gepennt.
Die amerikanische Politik kann man nicht mit der anderer Staaten vergleichen. Ich will nicht alle Amerikaner verallgemeinern und als blöd hinstellen, aber so wie ich sie erlebt habe, sind sie schon ein wenig Sensationgeil und interessieren sich nicht so sehr dafür, was der Redner äußert, sondern eher dafür, wie stark er nach außen wirkt, wie sehr er sich durchsetzt und ob er die Argumente seines Kontrahenten entkräften kann.
Natürlich ist das teilweise auch der Sinn eines TV-Duells, aber die Amerikaner achten zu größten Teilen wirklich auf die Wirkung und Ausstrahlung ihres Favoriten, die Thematiken werden von den wenigsten berücksichtigt. Sie wollen nur eine starke Person in der Führungsrolle sehen. Einen Mann, der ihr Land nach außen hin stark verkörpert und in erster Linie dafür sorgt, dass es die Nummer 1 bleibt. Also würde ich sagen ja, würde man nach einem TV-Duell fragen, was die beiden Kontrahenten für Programme haben, wüssten wenige mehr als eine Punkt der politischen Kampagne.
Grundsätzlich sind auch in Amerika die TV-Debatten nicht wirklich bedeutsam. Auch dieses Wahljahr hat gezeigt, dass nur der ersten Debatte wirklich Bedeutung zukam, weil der Sieg Romneys in dieser so überraschend kam, dass er die republikanische Basis wieder euphorisiert hat.
Normalerweise dienen die TV-Debatten nur einem Zweck, zu zeigen ob der potentielle Präsident und Vizepräsident bereit ist, das Land zu führen. Über die Inhalte wird auch abseits der Debatten in unzähligen Millionen Werbespots schon genug gesagt, so dass bis auf wenige Ausnahmen den TV-Debatten lediglich die Bedeutung zukommt, die Persönlichkeit der Kandidaten etwas besser kennen zu lernen. Wahlentscheidend sind in Amerika jedoch meistens die Inhalte - oft die Wirtschaftspolitik. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass Inhalte, Konditionen, sogar die Raumtemperatur der Debatte in monatelangen Verhandlungen zwischen den einzelnen Bewerbern festgelegt wird, dann kann man dort wohl kaum Neues und Wahlentscheidendes erwarten.
Ich habe zwei Jahre in den USA gelebt und während meiner Zeit dort auch bei einer Presseagentur gearbeitet, was unter anderem auch während der ersten Wahl von Barack Obama war. In dieser Zeit habe ich tiefe Einblicke in das Wahlverhalten der US-Amerikaner bekommen und muss deshalb leider behaupten, dass in Deutschland - und vielen anderen Teilen der Welt - absolutes Unwissen herrscht, wie es in den USA während der direkten Zeit der Wahlen aussieht. Gerade wir Menschen hier in Deutschland können uns das einfach nicht vorstellen, da wir - bis auf die paar Wochen, in denen sich der Bundestagswahlkampf bei uns wirklich zuspitzt - nicht so mit Wahlen bombardiert werden, wie die Menschen in den USA.
Wird dort nicht gerade der nächste mächtigste Mann der Welt gewählt, finden praktisch wöchentlich andere Wahlen statt. Ob das jetzt Kongresswahlen, Sheriffswahlen, Richterwahlen oder dergleichen sind, spielt im Grunde ja gar keine Rolle - Fakt ist nur: Es vergeht kaum eine Woche oder ein Monat in den meisten Bezirken und Staaten der USA, in der nicht Irgendetwas oder Irgendjemand gewählt wird und nicht mit großer Medienhascherei darauf aufmerksam gemacht wird.
Aus diesem Grund sind die meisten US-Amerikaner mitterweile auch nicht mehr empfänglich für den regulären Wahlkampf und informieren sich im Vornherein auch gar nicht über einen der Kandidaten oder für welche Ziele und Zwecke dessen Partei denn gerade mal wieder stehen will. Das langweilt die Amerikaner nur noch - und ich kann das nach diesen zwei Jahren vollkommen nachvollziehen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie weit ich nach noch ein paar Jahren mehr noch politisch abgestumpft wäre, weil die ganzen Eindrucke und Nachrichten einen irgendwann einfach nur noch übersättigen und damit an einem vorbeiziehen.
Die TV-Duelle - die in den USA übrigens auch schon in früheren Jahren eine sehr wichtige Bedeutung hatten, also nicht auf die sogenannte moderne "Medien-Geilheit" zurückzuführen ist - bieten deshalb eine willkommene Abwechslung für den Großteil der Amerikaner. Ja, die meisten beschäftigen sich während dieser TV-Duelle sogar zum ersten Mal mit dem jeweils aktuellen Wahlkampf, weil ihnen die ganze Informationsflut zuvor einfach zuviel war. Dort bekommen sie die Positionen der einzelnen Kandidaten in stark gekürzter Form, können aber trotzdem in etwa erahnen, wofür die beiden Kandidaten stehen - und genau darauf kommt es den Amerikanern ein, ein solches Kurzbild wollen sie und ein solches Kurzbild ist auch das einzige, was für sie noch in irgendeiner Form ein wenig interessant ist.
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