Angebot der Krankenkasse annehmen?

vom 28.10.2012, 02:13 Uhr

Person A ist ein aktiver, gerade 30 Jahre alter Mann. Aufgrund eines Unfalls sowie weiterer Ursachen ist er querschnittsgelähmt. Wer genau verantwortlich ist, wird gerade gerichtlich geklärt. Der Prozess zieht sich seit Jahren hin, da die Krankenkasse der Meinung ist, nicht zahlen zu müssen, da ein anderer verantwortlich sei (nicht A), dieser aber auch meint, nicht zahlen zu müssen. Es geht nun aber darum, dass A auch für die Zeit des Prozesses schon einen Rollstuhl braucht, denn ansonsten wäre er ans Bett gefesselt.

A bekam seinen ersten Rollstuhl. Innerhalb von drei Monaten hatte dieser Rollstuhl einen Totalschaden. Mit dem zweiten Rollstuhl war es genauso. Beide Male waren die Achsen der großen Greifräder gebrochen. A hat aufgrund eines damit verbundenen Unfalls sich neun Rippenbrüche zugezogen. Da diese Rollstühle also offensichtlich absolut ungeeignet waren für A, wurde Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet.

Die Krankenversicherung verweigerte daraufhin die Bewilligung für weitere Rollstühle, da A diese unsachgemäß behandeln würde. Er war damit ans Bett gefesselt, konnte sich noch nicht einmal in seiner eigenen Wohnung bewegen, nicht einmal auf die Toilette gehen. Er stellte daraufhin mit einer Fachperson eigene Nachforschungen an und machte sich kundig über die verschiedenen Arten von Rollstühlen – Wissen, das er vorher nicht gehabt hatte, aber die Krankenkasse. Dabei stellte sich heraus, dass die bisherigen Rollstühle ausschließlich für den Gebrauch in der Wohnung bestimmt waren. Sie waren gar nicht dafür konstruiert, draußen benutzt zu werden.

Es wurden wieder Verhandlungen mit der Krankenkasse aufgenommen. Ergebnis war eine Genehmigung für einen weiteren Rollstuhl – mit der Auflage, diesen nur drinnen zu benutzen. Damit konnte A sich dann immerhin in seiner eigenen Wohnung fortbewegen und auch wieder die Toilette benutzen – aber er war Gefangener in der eigenen Wohnung. Deshalb wurde eine weitere Strafanzeige erstattet – diesmal wegen Freiheitsberaubung.

Der Streit um einen angemessenen Rollstuhl, mit dem A auch die Wohnung verlassen darf, mit dem er also am sozialen Leben wieder teilnehmen kann, mit dem er sich auch endlich wieder ein wenig körperlich betätigen kann, mit dem er einfache Dinge wie etwa einkaufen kann, ging vor Gericht und dauerte dort dann noch einmal gut zwei Jahre. Ergebnis war dann wirklich endlich ein angemessener Rollstuhl. Zurzeit wird dieser gebaut, perfekt angepasst an die Körpermaße und Behinderung von A. Es wird voraussichtlich noch einmal vier bis sechs Wochen dauern, bis der Rollstuhl fertig ist.

Nun hat die Krankenkasse einen Vorschlag gemacht, einen qualitativ besseren und doppelt so teuren Rollstuhl zu genehmigen – wenn A im Gegenzug dafür die beiden Strafanzeigen sowie die Klagen auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zurück nimmt.

Was würdet Ihr in diesem Fall machen? Würdet Ihr den jetzt genehmigten Rollstuhl nehmen, den die Kasse ohnehin bezahlen muss, und weiter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld klagen? A hätte allerdings nichts von diesem Geld, falls er es zugesprochen bekommt, da aufgrund des Unfalls er hoch verschuldet ist und ansonsten von Sozialhilfe lebt, worauf es angerechnet würde. Oder würdet Ihr eher den Vorschlag annehmen, also den besseren Rollstuhl und dann auf weitere Klagen verzichten?

A und alle, die er gefragt hat, sind hin und her gerissen. Dass die Krankenkasse so bald wie möglich gewechselt wird, versteht sich von selbst. Dies durfte im laufenden Gerichtsverfahren allerdings nicht gemacht werden.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



SonjaB hat geschrieben:Damit konnte A sich dann immerhin in seiner eigenen Wohnung fortbewegen und auch wieder die Toilette benutzen – aber er war Gefangener in der eigenen Wohnung. Deshalb wurde eine weitere Strafanzeige erstattet – diesmal wegen Freiheitsberaubung.

Wäre der Kläger nicht querschnittsgelähmt, würde der Richter ihn wohl auslachen, denn eine Freiheitsberaubung liegt nicht vor. Es ist in meinen Augen absolut lächerlich diese Situation so auszulegen, dass eine Freiheitsberaubung von irgendeiner Seite vorliegt. Stehen irgendwelche Arbeiter der Krankenkasse vor der Haustür und drücken die Klinke hoch, damit er nicht raus kann? Nein, tun sie nicht. Sie stellen ihm lediglich einen weiteren Rollstuhl zur Verfügung mit der Auflage ihn drinnen zu verwenden. Person A könnte mithilfe eines selbst gekauften Rollstuhls die Wohnung verlassen und auch wenn andere Personen ihn tragen oder hinaus krabbelt, ist es für ihn möglich die Wohnung zu verlassen. Von Freiheitsberaubung zu sprechen, nur weil die Krankenkasse aufgrund mehrmaliger Zerstörung der Rollstühle den Rollstuhl nicht mehr für den Außengebrauch zulässt, finde ich sehr dramatisierend und falsch.

Es ist natürlich das Recht der Krankenkasse nach solchen Vorfällen bestimmte Auflagen zu stellen. Um dem entgegen zu wirken, muss Person A den Beweis liefern, dass die Rollstühle nicht durch Eigenverschulden kaputt gegangen sind. Einen Totalschaden nach kurzer Zeit bei einem Rollstuhl zu erreichen, ist schwierig. Ich kenne sehr sehr viele Rollstühle und auch die, die Krankenkassen gerne aus Kostengründen ausliefern. Diese sind grundsolide gebaut, man kann damit eben kein Sport ausüben und irgendwelche Sprünge oder sonstige aktiven Dinge ausüben. Er dient rein der normalen Fortbewegung, daher vermute ich, wird es schwer für Person A zu beweisen, dass er keine Schuld trägt am Kaputtgehen des Rollstuhls. Ich an seiner Stelle würde dazu zahlen und mir einen guten Rollstuhl, der auch Outdoor-Aktivitäten erlaubt, bestellen. Dann hat man eben eine Zuzahlungssumme, aber dafür auch einen vernünftigen Rollstuhl, der die Aktivitäten aushält.

Durch die Rippenbrüche einen Schadensersatz geltend zu machen, wird vermutlich genau so schwer. Ich kenne die Unfallursache nicht und auch nicht den -hergang, doch es wird wohl kaum so gewesen sein, dass er gemütlich in der Fußgängerzone herumgerollert ist, plötzlich die Armlehne plus gleichseitigem Rad abgebrochen ist und er dadurch so auf die Seite abgerutscht ist, dass er exakt auf die Metallstange der Sitzbegrenzung gefallen ist. Vielleicht habe ich mehr Rat oder Tipps für dich, wenn du mir erklärst, wie das passiert ist. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Schadensersatzforderung sowie die Schmerzensgeld Forderung würde sich in der Folge ja auch gegen den Hersteller richten und nicht gegen die Krankenkasse. Da diese Hersteller gut abgesichert sind durch besondere Zertifikate und Siegel, ist es schwierig so einen Prozess zu gewinne, wenn man, wie schon oben, nicht beweisen kann, dass man keine Schuld oder Mitschuld trägt.

Es ist also eine wirklich verzwickte Lage. Ich kenne mich in diesen Gebieten recht gut aus und für mich klingt so ein Verlauf klar nach einer unsachgemäßen Behandlung und Benutzung des Rollstuhls, beziehungsweise einer Zweckentfremdung was der reinen, normalen Fortbewegung nicht entspricht. Ohne den Unfall zu kennen, fürchte ich, das wird eine ganz schwierige Sache, hier Profit herauszuschlagen und Schmerzensgeld und Schadensersatz zu erhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Person A beweisen kann, nicht Schuld daran zu sein. Die Freiheitsberaubung ist meiner Meinung nach ebenfalls lächerlich. Ich würde den verbesserten Rollstuhl ausprobieren und wenn auch dieser nicht ausreichend ist, einen anderen, noch besser für den Außenbereich geeigneten Rollstuhl zu kaufen und ein wenig bei der Krankenkasse zuzuzahlen dafür.

» benutzer7 » Beiträge: 2116 » Talkpoints: 49,80 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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