Musicaldarsteller werden- eine unsichere Zukunft?
Ich habe vor über einem Jahr einen Workshop bei der Musicalhochschule "Stage School" gemacht. Damals hatte ich großes Interesse an einem Studium, das zur Musicaldarstellerin ausbildet. Dieses Studium wird aber nur an privaten Hochschulen angeboten, und kostet viele Tausend Euro.
Mir hat der Workshop, der über drei Tage ging, sehr viel Spaß gemacht, denn wir haben Einblick in das Leben an einer solchen Hochschule bekommen, haben Tanztraining, Gesangstraining, Interpretation und all das kennen gelernt. Der Workshop hat 300 Euro gekostet, und auch im nachhinein ist das ein hoher Preis gewesen.
Ich weiß, dass die Stage School viele Bewerber aufnimmt und das Geld für die ersten Semester abkassiert, und dann nach dem ersten Jahr enorm aussiebt, und mindestens die Hälfte der Studierenden rauswirft. Man hat bis dahin um die 20000 Euro bezahlt und hat nichts in der Tasche, keinen Nachweis, dass man an der Stage School war, denn diese Ausbildung wurde ja abgebrochen. Allein diese Tatsache hat mich sehr abgeschreckt.
Wie sieht es bei euch aus, habt ihr Erfahrungen mit diesen Workshops, seid ihr selbst auf einer solchen Hochschule für Musicalausbildungen? Ratet ihr davon ab oder seid ihr eher der Meinung, dass man alles erreichen kann, wenn man nur dafür kämpft? hat man als Musicaldarsteller überhaupt noch eine Zukunft?
Mit 14 Jahren hatte ich die Möglichkeit im Kinderchor des Musicals Joseph zu singen und zu spielen. Es hat mir damals auch wirklich großen Spaß gemacht und alle meinten, bei meiner Stimme müsse ich schon seit vielen Jahren Gesangsunterricht haben. Hatte ich aber nicht. Ich habe damals auch oft damit geliebäugelt die Aufnahmeprüfung zu machen. Allerdings wusste ich, dass die Kosten niemals getragen werden konnten. Allein die Gebühr um an der Aufnahmeprüfung teilzunehmen war zu teuer für mich.
Natürlich gibt es auch andere Schulen als die Stage School und längst nicht alle sind so teuer. Die Joop Academy ist es, glaube ich, die ja pro Jahr nur noch 10 oder 12 Schüler aufnimmt und alle ein Vollstipendium bekommen. Sie suchen also direkt von Beginn an nur die besten, denen sie auch zutrauen die Ausbildung zu schaffen.
Von der Stage School habe ich bisher auch nicht wirklich viel Gutes gehört. Und kenne da auch die Aussagen, dass 80 der 100 aufgenommen Schüler ausgesiebt werden und quasi die Stipendien für die wirklich guten Schüler finanzieren. Ob das wirklich stimmt, weiß ich aber nicht.
Heute, 15 Jahre später, bin ich froh den Schritt damals nicht gegangen zu sein. Ich besuche sehr gerne Musicals und lasse mich verzaubern, habe aber auch schon das eine oder andere Gespräch mit Musicaldarstellern geführt. Eine bedauert zum Beispiel, dass das Singen für sie keine Leidenschaft mehr ist, sondern es ihr Beruf ist und sie eben immer wieder singen muss. Dass es ihr zu viel ist. Mittlerweile habe ich Gesangsunterricht und meine erste Gesangslehrerin ist ausgebildete Musicaldarstellerin (sie war auf der Stage School). Hat aber sehr schnell nach der Ausbildung für sich festgestellt, dass ihr der raue Ton hinter der Bühne nicht gefällt und sie dort nicht arbeiten möchte. Viele große Musicaldarsteller wenden sich vom Hauptarbeitgeber (Stage Entertainment) ab und nehmen bewusst lieber kleine Engagements an.
Wenn ich heute bedenke, wer von den Darstellern, die damals bei Joseph gespielt haben, im Anschluss noch Engagements bekommen haben, dann kann ich diese an einer oder maximal zwei Händen abzählen. All das sind Zeichen für mich, dass ich dort nicht arbeiten möchte. Aus der ganzen Welt strömen die Darsteller zu den Castings. Wenn bei einem Casting 40 Darsteller gesucht werden, dann kommen locker mal über 1000 Darsteller zum Casting. Da muss man schon verdammt gut sein, um allein eine Ensemblerolle zu bekommen. Und das schwierige ist, dass man auch oft ein bestimmter Typ sein muss. Für die eine Rolle muss man groß sein, für die andere extra dünn etc.
All das wär mir die Mühe und an erster Stelle das viele Geld nicht wert!
Ich bin nicht selbst auf so einer Schule, aber die Exfreundin eines Freundin war auf einer Musical Academy irgendwo in Westdeutschland, die auch mit internationalen Kunstakademien zusammen arbeitet. Sie hatte ein halbes Stipendium, ihr wurden also viele Kosten abgenommen, dennoch zahlte sie pro Jahr noch einen fünfstelligen Betrag, beziehungsweise die Eltern zahlten ihn.
Ich meine mich zu erinnern, dass sie sogar eine kleinere Rolle in einem Musical hatte, für die sie ein Semester aussetzte. Sie ist inzwischen fast fertig und ihr wird eine gute Karriere vorausgesagt. Das ist zwar nur eine Prognose, aber sie scheint alles dafür mitzubringen. Wie du schon sagst, werden sehr viele während der Zeit aussortiert, weil sie nicht die Erwartungen erfüllen können, doch ich denke auch aus dem Abschlussjahrgang werden die wenigstens wirklich erfolgreich werden. Es reicht nicht nur gut zu sein, man muss überragend sein und noch dazu zu richtigen Zeit am richtigen Ort sein, die richtigen Leute kennen und alles dafür investieren, eine Chance zu erhalten, die dann auch sofort bravourös genutzt werden muss.
In einer künstlerischen Karriere, sei es Musik, Malerei, Fotografie, Film oder Musical, gibt es so viele Eventualitäten und Faktoren, die über Erfolg oder Scheitern entscheiden, dass ich niemandem zu so einer Karriere raten würde, den ich nicht gut kenne und der mich nicht so umhaut, dass ich mir vorstellen könnte, dass der- oder diejenige es schafft. Eine Freundin von mir ist bei Popstars damals sehr weit gekommen, bis unter die letzten 4 - sie hat ihre Solokarriere gestartet und ist kein Star, aber kann von dem Geld gut leben. Sie hat alles gegeben und ist ein Mensch, der mich absolut umhaut, doch selbst ihr habe ich es nicht geraten, alles auf eine Karte zu setzen. Ich denke also, dass man auch eine Chance im Musical-Geschäft hat, aber eine verschwindend geringe, die unbedingt genutzt werden muss, wenn sie da ist.
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