Lance Amstrong gibt auf

vom 24.08.2012, 13:59 Uhr

Ich wusste vor sieben Jahren schon, dass Lance Armstrong gedopt war. Gut, damals war vieles noch unbekannt und wenn, dann gab es höchstens Spekulationen und Anschuldigungen. Nur eine Sache war damals sicher: Lance Armstrong hat mit EPO gedopt als er 1999 seinen ersten Tour de France Sieg herausgefahren hat. Im Jahr 2005 hat die französische Tageszeitung L'Equipe einen Artikel über die große Lüge Lance Armstrongs veröffentlicht und auch wenn die darin offengelegten Fakten - und ja, es waren Fakten - nicht ausreichten, um ihn auch rechtmäßig des Dopings zu überführen, so war dies für jeden rational denkenden Menschen klar.

Für all diejenigen, die nicht wissen worüber ich spreche, möchte ich die Geschehnisse zusammenfassen: ein akkreditiertes französisches Anti-Doping Labor hat im Zeitraum 2004-2005 zu Recherchezwecken eine Anzahl an älteren Urin- (und Blut-?) Proben herangezogen um zu prüfen, wie weit verbreitet das EPO-Doping in einem Zeitrahmen war, als es noch keinen Dopingtest gab, der EPO erfolgreich nachweisen konnte. Da Sportler erst ab 2000 oder 2001 auf EPO überprüft werden konnten, befanden sich unter diesen älteren Proben auch sechs von Lance Armstrong, die er während seines Tour de France Erfolges im Jahr 1999 gegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt kannte aber niemand die Identität der Sportler mit positiven Proben und es wurde auch kein Versuch unternommen, diese auszuforschen. Die Proben waren lediglich mit Identifikationsnummern versehen, die man sonst nur auf den Doping-Kontroll-Formularen eines Sportlers fand und Zugriff auf eben diese Formulare war nur mit Erlaubnis des Sportlers möglich. Man kann nur spekulieren, wieso man ausgerechnet um Lance Armstrongs Kontroll-Formulare seiner 1999er Tour de France fragte, aber das Ergebnis war eindeutig: die positiv getesteten Proben waren von Armstrong.

Der Grund, wieso es anschließend keine Sperre oder Anklage gab, liegt weniger an falsch gehandhabten Proben, sondern an einer Rechtssicherheit, die jedem Sportler zusteht. Wenn ein positiver Test vorliegt, dann hat der Sportler die Möglichkeit, seine B-Probe prüfen zu lassen. Erst wenn auch diese unabhängig getestete Probe dasselbe positive Resultat erzielt, kann der Sportler wegen einem Doping-Vergehen gesperrt werden. Weil dies nicht möglich war, passierte schließlich auch nichts. Jeder wusste, dass Lance Armstrong gedopt hat, Konsequenzen gab es damals aber keine und die UCI war sowieso nicht an einer Aufklärung interessiert.


Nun, meiner Meinung nach waren diese Ermittlungen gegen Lance Armstrong - die zeitweise sogar von US-amerikanischen Bundesbehörden geführt wurden, weil er verdächtigt wurde, staatliche Sponsorengelder in seinen Doping-Praktiken zu missbrauchen - schon seit Jahren überfällig. Das Ergebnis ist, wenn auch nicht in allen Punkten zu 100 Prozent niet- und nagelfest, eindeutig und kann von Lance kaum wie in der Vergangenheit bewältigt werden.

Es wäre aber schön, wenn man die Angelegenheit des Lance Armstrong etwas differenzierter betrachten könnte. Schließlich hat Lance Armstrong ja auch viel Gutes getan. Seine inspirierende Geschichte einer Person, die Krebs überlebt hat und danach wieder in den professionellen Radsport eingetreten ist, nur um dort über Jahre hinweg zu dominieren, hat bestimmt vielen Leuten Mut gemacht. Mit seiner Livestrong Stiftung hat er viele Millionen Dollar gesammelt und Leuten geholfen, die seine Hilfe gut gebrauchen konnten. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Lance gerade in den USA noch sehr viele Unterstützer hat, die auch nach der Offenlegung dieser erdrückenden Beweise nicht an seine Schuld glauben. Nicht wenige Leute denken auch, dass er das Beste aus einer unmöglichen Situation gemacht hat: damals hat ja jeder gedopt, also war es nur fair, dass er das auch tat.

Vielleicht bin ich in der Thematik schon ein wenig abgehärtet, aber mich stört viel mehr das Verhalten des Weltradsportverbandes. Ich verfolge den Radrennsport seit etwa 15 Jahren und in dieser Zeit ist mir sowohl unter der Leitung von Hein Verbruggen als auch dessen Nachfolger Pat McQuaid aufgefallen, dass der Weltverband scheinbar kein großes Interesse daran hat, den Dopingsumpf aufzuklären. Es wird zwar in der Öffentlichkeit immer gute Mine zum bösen Spiel gemacht, sobald sich aber die Möglichkeit bot, Insiderwissen zu nutzen, um das weit verbreitete Doping im Peloton zu unterbinden und dessen Organisatoren zu sperren, gab es von der UCI keine Reaktion. Das war damals bei Jörg Jaksche so und das ist auch so gewesen bei den 11 ehemaligen Lance Armstrong Teamkollegen die gegenüber dem FBI sowie der USADA ihre Aussage trafen. Floyd Landis beispielsweise wurde von der UCi sogar verklagt, weil er über seinen ehemaligen Teamkollegen Lance Armstrong gelogen haben soll.

Wenn seitens der weltweit höchsten Dachorganisation des Radsports kein Interesse besteht, da muss man sich doch fragen wieso das so ist.

Im Nachhinein gesehen ist es zwar leicht reden, aber ich wundere mich, ob es für den Radsport nicht besser gewesen wäre, wenn Lance Armstrong entweder schon 1999 (wo er einen positiven Testosteron-Test hatte) oder im Jahr 2001 (wo er einen verdächtigen und möglicherweise positiven EPO-Test hatte) von der UCI gesperrt worden wäre. Hätte er nach diesen Sanktionen im US Postal Team noch ein so umfangreiches und professionell organisiertes Doping-Programm fortführen können?

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» Reaper » Beiträge: 576 » Talkpoints: 1,11 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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