Zunehmende Pathologisierung in Deutschland?
Die Pharmaunternehmen möchten natürlich Geld machen und sie haben ihre Chancen auf dem Deutschen Markt gewittert. Die Deutschen haben Geld und sie haben Angst vor so ziemlich allem.
Deswegen verkaufen sich hier auch diverse Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel sehr gut, selbst wenn diese komplett wirkungslos sind oder nur Schaden anrichten. Um diese Mittel auf den Markt zu bringen, neigt die Pharmazie dazu viele Dinge unnötig zu Pathologisieren. Beispielsweise ist es eigentlich normal im Alter zunehmend einige Dinge zu vergessen.
Inzwischen aber gibt es von vielen Krankheitsformen Abstufungen und leichtere Varianten oder Vorstufen schwererer Erkrankungen sehen nun angeblich so aus, dass man im Alter leichter etwa vergisst. Menschen die kerngesund sind, auf die das aber zutrifft, fühlen sich somit krank oder werden von Ärzten als krank eingestuft und werden therapiert.
Auch werden Trauerphasen in Deutschland häufiger als Depressionen fehldiagnostiziert und medikamentös behandelt, was früher auch nie der Fall war. Ebenso gelten Kinder und Jugendliche schnell als krankhaft, wenn sie gereizt sind und mal einen Wutausbruch haben. Wie findet ihr diese Entwicklung in Deutschland?
Ich finde, dass es schon etliche Verschwörungstheorien um die Pharmaindustrie gibt, die vielleicht nicht ganz unbegründet sind, aber dennoch wohl vor allem dadurch entstehen, dass viele Menschen ein Problem damit haben, dass irgendwelche gesichtslosen Großkonzerne über ihre Krankheiten und deren Behandlung entscheiden.
So entstehen dann schnell Gerüchte. Beispielsweise habe ich auch schon gehört, dass Krebs (oder eine beliebige andere schlimme Krankheit von AIDS bis Asthma) schon längst "heilbar" sein soll, aber die Pharmaindustrie die Forschungsergebnisse unterdrückt, um weiter den großen Reibach mit Chemotherapie und Co. zu machen.
Deswegen bin ich auch hier mal wieder geteilter Meinung. Natürlich ist es normal, auch mal traurig oder wütend zu sein oder generell nicht so zu funktionieren, wie es in unserer top durchorganisierten Leistungsgesellschaft gern gesehen wird. Und da wir prinzipiell die Möglichkeit haben, auf so ziemlich jede körperliche oder psyschische Funktion mit Medikamenten einzuwirken, ist natürlich die Versuchung groß, das dann auch zu tun, egal, ob es sich wirklich um eine Krankheit hält oder nur um die Tatsache, dass wir alle auch nur aus Fleisch und Blut sind und älter werden.
Andererseits ist es in meinen Augen auch kein Argument, dass die Leute "früher" auch alles Mögliche aushalten mussten und nicht wegen jedem Problemchen gleich mit einer Krankheit diagnostiziert werden. Beispielsweise heißt es ja oft, dass "Schwangerschaft keine Krankheit" sei und Schwangere ganz "normal" behandelt werden sollen. Bis vor relativ kurzer Zeit war es auch "normal" für eine Frau, im Kindbett zu sterben, aber auch wenn es nicht gleich ans Leben geht, kann eine Schwangerschaft von allen möglichen Symptomen gezeichnet sein, die absolut keinen Spaß machen und auch langfristig schlecht für Gesundheit und Wohlbefinden sind.
In diesen Fällen würde ich schon lieber zu einem Arzt gehen, der sich etwas einfallen lässt und sich nicht zurücklehnt und sagt: Das ist alles ganz normal, früher haben die Frauen dazu noch auf dem Feld gearbeitet und ihre sechs anderen Kinder versorgt. In meinen Augen sind Sie nicht krank, also gibt es für mich hier nichts zu tun.
Pathologisierung hin oder her, meiner Meinung nach sollte man also immer den Einzelfall im Blick haben und so entscheiden, ob eine medizinische Behandlung nötig ist oder ob der Betroffene einfach nur etwas Ruhe und Verständnis braucht.
Gerbera hat geschrieben:Pathologisierung hin oder her, meiner Meinung nach sollte man also immer den Einzelfall im Blick haben und so entscheiden, ob eine medizinische Behandlung nötig ist oder ob der Betroffene einfach nur etwas Ruhe und Verständnis braucht.
Genau das passiert aber doch nicht. Nimm als einfaches Beispiel den Bluthochdruck. In den 1940-er Jahres galt ein Blutdruck von 190/250 noch als vollkommen normal und gesund. Dass das nicht ganz hinkommt, darauf ist die Medizin auch gekommen. Also wurde die Werte, die als gesund galten gesenkt.
Das passierte immer wieder einmal. Heute gelten Werte von über 140/90 als kritisch. Und jetzt kommt der Haken. Während man vor gar nicht langer Zeit genau das tat, was du forderst, gibt es jetzt sofort blutdrucksenkende Medikamente.
Vor einigen Jahren betrachtete man das Lebensalter, das Gewicht und die anderen Blutwerte. Dann erst entscheid man, ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein könnte. Bei einem milden Bluthochdruck gab es eher Vorschläge, was der Patient selbst tun kann. Erst wenn die Werte nicht nur mild zu hoch waren oder mehrere zusätzliche Risikofaktoren vorhanden waren, gab es ein Rezept.
Und heute? Es gibt sofort Blutdruckpillen, denn schließlich ist der Blutdruck zu hoch und das ist gefährlich. Das stimmt so aber nicht. Bei einem milden Blutdruckleiden sind die Folgen der Medikamente für den Patienten schlimmer als der hohe Blutdruck selbst. Bei einem systolischen Wert zwischen 140 und 160 profitieren die Patienten nicht von einer Behandlung. Sie sind nicht gesünder als unbehandelte Menschen mit diesen Werten.
Die Behandlung hat für sie nur Nachteile. Durch die Pillen fühlen die Menschen sich krank, denn Gesunde brauchen keine Medikamente. Sie leiden unter den Nebenwirkungen. Und sie versuchen weniger gegen die Erkrankung zu tun, weil es ja die Medikamente richten. Dazu kostet das ganze unnötig viel Geld.
Und gute Lobbyarbeit hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun. In Deutschland definiert die Deutsche Hochdruckliga den Grenzwert, ab wann jemand als krank gilt. Dabei werden neuere Studien interessanterweise völlig ignoriert. Interessant ist aber, wer die Liga finanziert. Das sind einige Pharmaunternehmen.
Und mehr Kranke bedeutet mehr Medikamente und damit mehr Einnahmen. Das gilt für ziemlich viele Erkrankungen, die weit verbreitet sind. Das gilt für Diabetes, zu hohe Cholesterinwerte, Nierenversagen, etc. Und das heißt nicht, dass diese Erkrankungen nicht schlimm wären. Sie werden nur mittlerweile viel zu früh und viel zu drastisch behandelt. Der Patient hat davon keinen Vorteil.
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