Zu viel Bildung schädlich für die Wirtschaft?
Jemand meinte mal, dass Menschen nicht allzu gebildet sein sollten und dass es eben politisch gewollt sei. Denn wenn der große Teil der Bevölkerung zu gebildet wäre, dann würde keiner mehr die schlecht bezahlten Jobs machen wollen, für die man kaum Bildung benötigt. Kein studierter Mensch würde seiner Ansicht nach freiwillig den Job einer Toilettenfrau machen wollen oder als Küchenhilfe arbeiten wollen.
Wie seht ihr das? Ist da tatsächlich etwas dran oder ist das nur eine Aussage, die in die Kategorie "Verschwörungstheorie" fällt? Ist zu viel Bildung tatsächlich schädlich für die Wirtschaft, weil dann viele Jobs nicht mehr gemacht werden würden? Oder ist das kompletter Unsinn?
Ich halte das für falsch, wenn man da alle studierten Menschen über eine Klinge springen lässt. Das mag vielleicht zutreffen, wenn man einen Studiengang erfolgreich mit Abschluss studiert hat, der eine ertragreiche Karriere eröffnet, wie zum Beispiel in den Wirtschaftswissenschaften oder Jura oder als Ingenieur. Warum sollte man dann auch langfristig einen Job ergreifen, der weit weniger Komfort ermöglicht, als das eigentliche Berufsbild, in dem man sogar gute Chancen auf einen Job hat?
Anders sieht es schon aus, wenn man sich zum Beispiel bei den Geisteswissenschaftlern umsieht, die oft in zu großer Menge für einen recht knappen Arbeitsmarkt ausgebildet werden. Oder mit Studienabbrechern. Da gibt es schon eine ganze Menge an Leuten, die in Berufen arbeiten, die im Ansehen weit hinter dem zurück bleiben als man das von einem studierten Menschen erwarten würde. Welchen Job man letztendlich macht, das hängt auch damit zusammen, wie dringend man arbeiten muss. Es wird ja schließlich auch nicht jeder Akademiker in eine reiche Familie geboren, so dass das Erbe den Lebensunterhalt abdeckt.
Ob das wirklich eine Verschwörungstheorie ist, weiß ich nicht. Ich hätte jetzt eher vermutet, dass die Person, die das gesagt hat möglicherweise selbst keine allzu erfolgreiche Schulkarriere hinter sich hat. Zumindest nicht so erfolgreich, wie die Person sich das erträumt hat und dann eben die Gründe dafür in der Politik und der Gesellschaft sucht und eher weniger bei seinen tatsächlichen Leistungen während der Schulzeit. Denn letztlich macht auch eine Eliteschule aus einem gut durchschnittlichen Kind auch keinen zweiten Einstein. Das sollte man auch im Hinterkopf behalten.
Ich habe eher den ganz gegenteiligen Eindruck, sprich dass möglichst viele junge Leute Abitur machen und studieren sollen, und dass die Vorstellung, ein Universitätsstudium sei nur etwas für eine kleine Minderheit, die eben eher hirnmäßig als praktisch begabt, schon lange obsolet ist. Ich bin hier meinungsmäßig hin- und hergerissen:
Einerseits empfinde ich es schon als unfair, wenn nur die "höheren" Söhne und Töchter Zugang zu Wissenschaft und Forschung haben sollten, was ja meistens weniger an der individuellen Begabung denn am sozialen Hintergrund und den richtigen Beziehungen liegt. Andererseits empfinde ich es als nicht minder unfair, wenn quasi ganze Jahrgänge völlig unabhängig von individuellen Interessen und Motivation durchs Studium geprügelt werden, während ganze Berufsgruppen händeringend auf der Suche nach Leuten sind, die vielleicht nicht Cicero übersetzen, aber dafür einen Keilriemen austauschen können, ohne zu weinen.
Meine Lösung wäre stattdessen, dass endlich mal damit aufgehört wird, ein Studium als das Ultimum an Bildung und beruflicher Qualifikation anzusehen und auch damit, Leute zu verachten und herabzuwürdigen, die für den ganzen verkopften Krempel keinen Nerv haben und lieber etwas unmittelbar Sinnvolles zur Gesellschaft beitragen. Ein Zuviel an Bildung kann es meines Erachtens gar nicht geben, sondern lediglich falsche Schwerpunktsetzung. Wenn eine Lehre genauso geachtet wird wie ein Doktortitel, profitiert langfristig eben auch die Wirtschaft, wenn es nicht mehr nur Häuptlinge gibt, sondern auch wieder mehr Indianer, wie man so schön sagt.
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