Zu fertig sein, um sich noch helfen lassen zu können?
Ich habe neulich einen Bekannten getroffen. Wir haben ihn wirklich lange nicht getroffen, da er immer wieder Gründe vorgeschoben hat, warum es nicht geht. Corona war da natürlich auch eine Hilfe. Nun kam es aber zu einem offenen Gespräch, in dem er dann über seine Angststörung und Depressionen sprach. Er hatte starke körperliche Probleme und konnte sich kaum noch aufraffen, arbeitete aber weiter, weil er auch Angst hatte seine Arbeit zu verlieren und so weiter. Er hat sich also durchgequält und ist dann mehrmals mit Herzproblemen zusammengebrochen.
Er meinte dann, dass er lange Zeit zu fertig war um sich wirklich helfen lassen zu können und er es nicht mehr geschafft hat, sich dazu aufzuraffen sich helfen zu lassen. Letztendlich ist er dann mehrmals im Krankenhaus gelandet und dadurch ging es dann. Hattet ihr das auch schon mal, dass ihr so fertig wart, dass ihr euch keine Hilfe mehr holen konntet und dann auch nicht mehr zugänglich für Worte wart?
Wie reagiert man da am besten, wenn eine betroffene Person im Umfeld ist? Ich meine man soll ja sicherlich immer selber einsehen, dass man Hilfe braucht, aber einfach so zusehen kann man doch dann auch nicht, oder?
Ich glaube, dass es schwierig ist, einer Person zu helfen, wenn diese Person diese Hilfe eben nicht möchte oder eben auch zu kraftlos und schwach ist, um diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zu dem kommt natürlich auch, dass diese Person einsehen muss, dass sie oder er eben Hilfe benötigt. Solange die Person diese Einsicht nicht hat, spricht man sicherlich gegen Wände.
Ich persönlich würde auch nicht dabei zusehen wollen, wenn eine Person in meinem Umfeld Probleme hat und sich selber nicht helfen kann oder möchte. Mir ist das in dem Moment auch egal, um welche Person es da geht, ob es sich nun um einen Freund oder Freundin oder um ein Familienmitglied handelt. Vor allem wenn, wegen dem psychischen Problem noch ein körperliches Problem sich dazu gesellt und die gesamte Gesundheit somit gefährdet ist.
Bei meinem Sohn wurde unteranderem auch eine Angststörung diagnostiziert. Mein Sohn ist zwar erst elf Jahre alt, aber seine Angststörung hat uns ganz oft vor riesen Herausforderungen gestellt, die es gilt, gemeinsam zu meistern. Ich würde niemals auf die Idee kommen, ihn mit seinen Problemen alleine zu lassen. Auch wenn er selber keinen Antrieb und keine Kraft hat, sich zu überwinden. Er weiß aber, dass wir immer für ihn da sind und mit ihm jeden Weg gehen und gehen werden.
Wenn die Person, die von solchen Störungen betroffen ist, einem selber nicht so nah steht, dann wird das Ganze natürlich etwas schwieriger. Ich würde versuchen, vielleicht über Familienangehörige oder guten Freunden der Person helfen zu lassen. Familienangehörige oder Freunde eben informieren, was mir dann eben aufgefallen ist, damit diese Personen dann gegebenenfalls aktiv werden oder die betroffene Person mehr unterstützen können.
"Worte" werden in meinen Augen gnadenlos überschätzt. Ich finde es befremdlich, so zu tun, als müsse man bei jedem jedem Problem, egal ob Job, Geld Beziehung, Schilddrüse, Tumor oder psychischer Erkrankung nur mit irgendwem "darüber reden", und dann ist dir schon geholfen. Und wenn die Angststörung, die Schulden oder der Hautausschlag hinterher noch da sind, dann hast du dir eben nicht richtig "helfen lassen", bist also an der ganzen Misere selber schuld. Und die lieben Mitmenschen können achselzuckend zur Tagesordnung übergehen, weil sie ja schließlich angeboten haben, darüber zu reden.
Ich finde auch, dass es durchaus Energie kostet, sich "helfen zu lassen", und es ist doch ganz nachvollziehbar, dass man irgendwann die Körner dafür nicht mehr übrig hat, wenn es gerade mal wieder hart auf hart kommt. Beispielsweise muss man erst mal Menschen finden, die nicht nur Plattitüden absondern oder an deine Krankheit einfach nicht glauben. Aussagen wie: "Dann reiß dich eben zusammen!" sind nicht so hilfreich, wie manche glauben mögen.
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