Zieht die Kirche Triebtäter an?

vom 31.03.2015, 16:24 Uhr

Vor kurzem habe ich eine interessante Dokumentation zu dem Thema Missbrauch in der Kirche gesehen (''Schweigen der Männer'' auf ARD) und dort wurde auch ein Klinischer Sexualpsychologe interviewt. Dieser betonte das, was viele sicherlich schon wissen, dass das Zölibat mitunter auch ein Grund dafür ist, dass es so viel Missbrauch in der Kirche gibt. Die Täter werden dann als ''Ersatzhandlungstäter'' beschrieben, weil sie eben als Ersatz für eine eigene körperliche Beziehung den Missbrauch ansetzen. Laut dem Psychologen wäre dies aber nur eine Ausrede der Kirche, die in klinischen Untersuchungen nicht Zuträfe.

Er brachte jedoch auch eine neue These auf den Tisch, die ich bis dahin nicht gekannt habe. Er behauptet, dass die römisch-katholische Amtskirche Menschen mit gestörten Sexualvorstellungen anziehen würde und dort daher auch übermäßig viele Personen mit problematischer Sexualpräferenz zu finden wären. Das Sexualitätsverbot sei der Grund dafür, dass diese Täter angezogen werden würden.

Diese Aussage hat mich dann doch etwas überrascht und stellt die Kirche natürlich nochmal in ein völlig anderes Licht. Aus den ''armen'' Priestern die sie aus vermeintlicher Verzweiflung an Kindern vergehen werden nun ausgereifte Triebtäter die diese Vorliebe bereits vor dem Zölibat haben. Ich selbst kann mir das gut vorstellen, denn die Anzahl der Missbräuche war doch gigantisch und die Dunkelziffer ist sicher noch viel höher.

Könnt ihr euch ebenfalls vorstellen, dass die Kirche Menschen mit problematischer Sexualpräferenz in gewisser Weise anzieht oder gefällt euch die Vorstellung des Ersatzhandlungstäters besser? Hat die Kirche für euch dadurch einen anderen Stellenwert? Wie hat sich eure Meinung seit den Missbräuchen verändert?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das war schon immer eine meiner Theorien. Wenn man unter einer von der Normalität abweichenden Sexualität leidet, sich dafür schämt, mit niemanden darüber reden kann, genau weiß, dass die Eltern einen dafür verabscheuen würden, dann erscheint einem die Kirche und das Zölibat doch wie gerufen. Eine Zuflucht, eine Motivation zur Abkehr von der Sexualität überhaupt und man muss nie wieder erklären, warum man keine Freundin hat.

Das trifft nicht nur auf Pädophile zu. Ich denke, viele Priester und Pfarrer sind auch einfach schwul. Das ist ja auch schon hochproblematisch in einer religiösen Familie oder es war fast in jeder Familie hochproblematisch bis vor ein paar Jahren. Schon ganz "normale" Sexualität war ein Problem. Wahrscheinlich sind auch viele Priester geworden, weil sie in ihrer Jugend "zu viel" masturbiert haben.

Das Verhältnis zur Sexualität war einfach generell sehr angespannt und wurde fast umfassend tabuisiert. Bei Pädophilie trifft das bis heute zu. Das sind alles schlechte Menschen, "Triebtäter" wie du sie nennst. Aber vielfach wollen sie diesen Bedürfnissen doch gar nicht nachgehen. Die sind doch nicht dumm, sie wissen, dass es falsch ist. Und dass es sie an den Rand der Gesellschaft katapultiert.

Eine Institution aber, die dir jeglichen Sex verbietet, ist da ideal. Ich denke, vielen hat das sicherlich geholfen. Der Druck, sich erklären zu müssen, ist weg - eben die Frage von den Eltern, warum man keine Freundin hat. Außerdem bestraft man sich irgendwie auch selbst, allein dafür, dass man solche Gedanken hat. Bei der Beichte findet man jemanden zu reden.

Aber genauso kann es eben total nach hinten losgehen, wenn man dann die Betreuung der Konfirmanden anvertraut bekommt. Ein Zölibat ist halt auch keine psychologische Betreuung, sondern nur ein Verdrängen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand Priester geworden ist, weil man da so schön an kleine Jungs rankommt.

Und die These, dass das Zölibat einen zum Kinderschänder macht, ist doch auch totaler Unsinn. Wenn man das Zölibat nicht schafft, geht man heimlich zu Prostituierten oder hat - wie sehr viele - heimlich eine Freundin, oftmals sogar mit Kind. Aber es gibt überhaupt keinen Grund, wenn man auf Frauen oder Männer steht, sich an kleinen Kindern zu vergehen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Die Vergebung der Sünden ist ein Bestandteil des Evangeliums der Kirche. So kommen natürlich auch die Sünder in die Kirche egal nun in welcher Kirche. Ihnen soll nun mit der sogenannten Umkehrung geholfen werden. Und hier fängt schon das eigentliche Problem an, denn nur der Glaube kann eine totale Verhaltensänderung nicht bewirken. Das ist auch sogar wissenschaftlich bewiesen.

Ein Alkoholiker muss nicht immer trocken bleiben,denn er ist mit der Sucht als Krankheit nicht heilbar. Der Glaube kann eine Hilfe im Alltag sein und seinen Willen etwas stärken. Aber er muss sich auch medizinisch dazu behandeln lassen.

Wenn allerdings die Mediziner dabei keine Erfolge zu bieten haben, suchen sich die betroffenen Personen andere Wege. Der Glaube bietet oberflächlich gesehen dazu einige Möglichkeiten. Das funktioniert allerdings nur eine gewisse Zeit und dann kommen wieder die alten Verhaltensmuster zum Vorschein.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich stelle mal ganz frech eine andere These auf. Die Menschen, die sich zu einem Amt in der Kirche berufen fühlen haben in der Regel eine religiöse Erziehung und das ganze Indoktrinationsprogramm durchlaufen. Und wir wissen ja nun alle, wie die Christen zur Sexualität stehen.

Sex ist zur Fortpflanzung da und sollte doch bitteschön keinen Spaß machen und wenn die eigene Sexualität nicht in die heterosexuelle Vanilla Schublade passt hat man eh ein Problem. Sexualität wird aber von allen nicht als etwas völlig natürliches empfunden sondern als etwas schlechtes, dreckiges, das mit Schuldgefühlen verbunden ist.

Und nun kommen mir zu meiner These - wie kann man unter solche Umständen überhaupt ein gesundes Verhältnis zu seiner eigenen Sexualität entwickeln? Und wie kann man überhaupt wissen, was man für Präferenzen hat?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:Sex ist zur Fortpflanzung da und sollte doch bitteschön keinen Spaß machen und wenn die eigene Sexualität nicht in die heterosexuelle Vanilla Schublade passt hat man eh ein Problem. Sexualität wird aber von allen nicht als etwas völlig natürliches empfunden sondern als etwas schlechtes, dreckiges, das mit Schuldgefühlen verbunden ist.

Hier fehlt in erster Linie die Toleranz, denn ich muss auch andere Lebensweisen dulden. Keiner weiß im Prinzip welche Lebensart absolut richtig ist. Wenn man nun Nichtraucher ist und auch keinen Alkohol trinkt und vielleicht auch noch Abtreibungen verurteilt, gilt man für die Kirche als Vorbild.

Gerade jetzt Leute mit Problemen zieht eine solche Lebensart erst einmal an. Allerdings lässt sich diese Strenge nicht immer in jeder Lebenssituation realisieren. Darüber spricht man dann einfach nicht, denn man hat dazu auch leider keine konkreten Antworten. Dann werden die Probleme noch größer und niemand kann wirklich dabei helfen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich finde, dass die oben aufgestellte These schon eine gewisse Richtigkeit hat. Ein normaler Mensch, der sexuell keine Probleme hat, kommt in den seltensten Fällen auf die Idee ein katholischer Priester zu werden. Jeder, der denken kann, wird einsehen, dass kein Gott der Welt möchte, dass man auf Sex verzichtet. Zudem kann man ja die Konfession wechseln und evangelisch werden und somit sowohl Sex als auch Glauben ausleben.

Ich glaube, dass bestimmte Menschen genau deswegen katholische Priester werden, gerade weil sie dann keine sexuellen Verpflichtungen mehr haben. Sie brauchen sich nach außen hin nicht zu rechtfertigen, warum sie keinen Sex haben. Denn sie haben offensichtlich ein Problem damit. Sie fürchten sich vor Frauen und vor ihren eigenen Beeinträchtigungen, meistens psychischer Natur.

Man würde sie immer fragen, warum sie keinen Partner haben. Jetzt sind sie nun Priester und dort merken sie, dass ihnen sozusagen ein Paradies angeboten wird. Unschuldige Kinder, kleine Menschen, denen sie nichts beweisen müssen, keine große mächtige Frau, nein ein kleines schutzbefohlenes Kind. Ja, die These hat was für sich. Ich glaube, dass es stimmt.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde es schon albern, dass hier pauschal jedem unterstellt wird direkt eine gestörte Sexualität zu haben, nur weil er sich für den Beruf des katholischen Priesters interessiert und diesen ergreift. Es ist schon lange nicht mehr so, dass auch das ganze in den Familien als verklemmt angesehen wird und unrein und nicht wenige die inzwischen das Studium auch ergreifen, haben ebenfalls ihre wilde Phase oder toben sich neben ihrem Amt auch mit Frauen aus. Wie ganz normale Menschen halt.

Früher hätte man das durchaus unterschreiben können, denn dort sah es noch ein wenig anders aus, aber auch das Verhältnis der Gesellschaft zur Kirche hat sich gewandelt und so kenne ich kaum jemanden aus meiner Generation, der noch Gottesfürchtig ist, nichts hinterfragt und alles so annimmt wie es die Kirche einem vorkaut. Dass findet man dann doch eher in den älteren Generationen, die nun schon so langsam am Aussterben sind. Einzelfälle gibt es immer noch, aber es gibt auch Priester mit Kindern, eigener Familie die ganz normal sind und sich nicht als Pädophile hinterher entwickeln.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ich würde jetzt nicht sagen, dass die Kirche im Allgemeinen die Triebtäter anzieht, aber insbesondere die römisch-katholische Kirche fördert diese gestörte Sexualität gegenüber Kindern, die sich am wenigsten wehren können, am meisten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie im Zölibat leben müssen, was eben bedeutet, dass sie nur für "Gott" leben. Angeblich um des Himmelsreichen Willen.

Es ist doch ganz einfach. Der katholische Priester bei uns im Nebenkurs damals für die Konformation war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Während mein Pfarrer ( evangelisch ) Kinder und eine Frau hatte. Der hatte mir diesen Unterschied auch damals schon erklärt und meinte eben auch, dass das Zölibat nicht für evangelische Geistliche gilt. Da haben wir schon den entscheidenden Knackpunkt, wie ich finde.

Dem einen gestattet man, eine Frau und Kinder zu haben und damit eine weitestgehend normale Sexualität, wenn sie nicht von vorneherein gestört ist und dem anderen möchte man streng regelmentieren und das Zölibat aufdrücken. Dadurch geht die womöglich normalerweise vorhandene Hetero-Sexualität verloren, weil er ja keinerlei Sexualität haben darf. Wo liegt dann also das Problem?

Bedürfnisse sind gegeben, da kann sich niemand, auch die Kirche nicht von freisprechen. Wenn diese nicht gestillt werden, lernen andere damit zu leben und andere eben nicht. Wer sind dann die Opfer? Meist Kinder, die sich am besten anbieten, weil Eltern sie in Sicherheit glauben und sie wenig Möglichkeiten haben sich zu wehren. Oftmals eben auch, weil vieles mit der Erziehung im streng katholischen Glauben sowieso verankert wurde. Da ist Gehorsam bei manchen auch allgegenwärtig.

Nicht jeder katholische Geistliche ist gestört, aber gerade der strengere Glaube an Gott samt Zölibat sorgt dafür, dass viele Opfer genau aus diesen Reihen zu beklagen sind. Die Kirche deckt diese Daten nicht selten, verschifft die Pfarrer in andere Länder, wo das Treiben fleißig weiter geht.

Ich würde somit zumindest vorsichtig anmerken, dass die Kirche sie nicht zwangsläufig anzieht, aber unter Umständen zu Triebtätern macht. Da ist für mich das eigentliche Problem, weil die Kirche eine Sexualität versucht zu unterdrücken, die man nicht einfach unterdrücken kann.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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