Wut und Trauer zurückhalten, um Leute nicht abzuschrecken?

Meine Freundin hat nun vor einer Weile im Internet einen neuen Mann kennengelernt, mit dem sie sich auch eine Beziehung vorstellen könnte. Allerdings war es bisher einige Male so, dass er sie verletzt hat, indem er etwas Unverschämtes gesagt oder etwas getan hat, was ihr eben wehgetan hat. Die Einsicht hatte er bisher allerdings nie, auch wenn meine Freundin ihm ihre Meinung erklärt hatte. Stattdessen ist er sauer geworden, wenn meine Freundin Trauer oder Wut geäußert hat, da er sich ungerecht behandelt fühlte.

Im Endeffekt meint meine Freundin nun, dass sie nun keine Wut oder Trauer mehr zeigen und so tun will, als wenn alles gut wäre, da sie eben nicht zusammen sind und sie befürchtet, ihn mit ihrem "Theater" zu vergraulen, da ihm das zu anstrengend sein könnte. Könnt ihr diese Sichtweise nachvollziehen? Wie seht ihr das?

Ich kann das absolut nicht nachvollziehen. Wenn man eine Beziehung eingehen möchte, dann sollte man auch offen und ehrlich miteinander sein und wenn man vorher schon solche Probleme hat und scheinbar da auch keinen Nenner findet ohne das einer seine Gefühle verleugnet, dann sollte man es wohl lieber sein lassen.

Generell bin ich kein Fan davon, wenn man seine Gefühle unterdrückt. Man muss gerade in einer Beziehung offen miteinander reden können und wenn jemand damit nicht klarkommt, dass man auch mal Gefühle zeigt, dann passt es eben einfach nicht. Ich würde da nicht weiter auf eine Beziehung spekulieren an ihrer Stelle.

Ich hatte hier schon wieder in Gedanken tief Luft geholt, weil ich davon ausgegangen bin, dass es hier um Toben, Schreien und Weinen in der allgemeinen Öffentlichkeit geht, weil jemand der (meiner Meinung nach irrigen) Auffassung ist, dass man jedem Gefühlsausdruck säuglingsgleich immer freien Lauf lassen soll.

Aber in einer Beziehung sieht es natürlich ganz anders aus. Auch hier bin ich zwar der Meinung, dass oft Kompromisse nötig sind, etwa wenn einer gerne vor Wut brüllend auf den Tisch haut und der kleineren und schwächeren Hälfte dadurch Angst macht oder so lange weint, bis sich der Partner erpresst vorkommt.

Aber ganze Teile der Persönlichkeit zu unterdrücken und so zu tun, als sei man ein total abgestumpfter Mensch, den man nach Herzenslust beleidigen kann, ohne dass die Person auch nur mit der Wimper zuckt, hört sich für mich recht ungesund an. Für den Partner ist es bestimmt bequemer, wenn das Gegenüber sich alles brav gefallen lässt, weil man so einen eingebauten Boxsack zum Gefühle abarbeiten in der Beziehung hat. Wohl auch deswegen habe ich schon öfter gehört, wie sich jemand darüber beschwert hat, dass Partner oder Partnerin zu "emotional" seien. Dabei mochten diejenigen welchen es einfach nur nicht, wenn sie sich nicht aufführen durften wie die Axt im Walde, ohne Konsequenzen zu erleben.

Aber in einer Beziehung sieht es natürlich ganz anders aus.

Wenn ich das richtig verstanden habe, befindet sich das Paar aus dem Beispiel gar nicht in einer Beziehung, sondern in der Kennenlernphase. Sie könnte sich eine Beziehung mit dem Mann vorstellen, wie er darüber denkt, wissen wir noch gar nicht. Dementsprechend können wir gar nicht sagen, ob tatsächlich eine Beziehung daraus werden könnte oder eben nicht.

Abgesehen davon finde ich aber schon, dass du Gerbera, recht hast. Es stimmt schon, dass man sich in der Kennenlernphase von der schokoladigsten Seite zeigen möchte, die man hat. Aber gerade Gefühle in Bezug auf Wut oder Trauer zu unterdrücken halte ich für keine gute Idee. Denn so bekommt man ja ein völlig falsches Bild von der anderen Person und ist dann hinterher schockiert, wenn man in der Beziehung dann seinen Emotionen freien Lauf lässt. Ich bin schon dafür, dass man sich so verhält, dass der andere in einer Beziehung nicht plötzlich den "Schock fürs Leben" bekommt.