Würdet ihr von euch behaupten, Leselücken zu haben?

Ich musste ein wenig lachen, als meine Freundin mir vor kurzem sagte, sie würde einige Leselücken haben. Bis dahin habe ich noch nie zuvor von diesem Wort gehört. Meine Freundin meinte jedoch, dass sich das von "Bildungslücke" ableiten würde. Mit "Leselücke" seien wichtige Werke gemeint, die man gelesen haben sollte, es aber nicht getan hat. Oder Bücher, die man schon immer einmal lesen wollte, aber noch nicht dazu gekommen ist. Davon hat sie wohl so einige.

Ich habe eigentlich gar keine Leselücken. Die wichtigsten Klassiker habe ich alle in meinem Studium gelesen, wobei ich in meiner Freizeit auch noch so viel lese, dass ich alles gelesen habe, was ich unbedingt noch lesen wollte. Würdet ihr von euch behaupten, Leselücken zu haben? Welche Bücher solltet oder wolltet ihr lesen, habt es aber bisher noch nicht getan?

Es kommt drauf an, wie das gemeint ist. Es hängt auch sicherlich vom Definitions-Standpunkt der jeweiligen Person ab. Meine Freundin beispielsweise hat Germanistik und Anglistik studiert und ist mittlerweile im Referendariat. Sie hat auch sehr viele Klassiker gelesen und kennt sämtliche Werke von Goethe, Schiller etc. die typischen Klassiker halt. Abgesehen von den Werken, zu denen wir in der Oberstufe und Schulzeit allgemein verdonnert wurden, kenne ich aber gar keine Klassiker und das interessiert mich auch nicht.

Meine Freundin jedoch hat gerne die Angewohnheit, sich selbst als das Maß aller Dinge zu sehen und ist eher verständnislos, wenn man solche Werke nicht kennt und sich auch nicht dafür interessiert. Ich bin aber Naturwissenschaftlerin, warum soll ich solche Klassiker lesen, wenn ich den Schreibstil nicht mag und ich literaturmäßig andere Interessen habe?

Was ich jedoch sehr gerne lesen würde und noch nicht dazu gekommen bin ist die Reihe "Das Lied von Eis und Feuer", die ja auch in der Serie "Game of Thrones" thematisiert wurde. Mich interessiert der Schreibstil und eben die Unterschiede zur Serie. Das ist also meine persönliche "Leselücke" und nicht, die die ich laut Meinung anderer Leute habe.

Ich habe, entsprechend meiner Vorlieben, deutliche Lücken bei den griechischen Werken der archaischen Periode, die Klassik geht wieder, danach sieht es dann düster aus. Das reizt mich einfach nicht, Bildung hin oder her. Bei den Römern sieht es viel besser aus.

Auch in den Bereichen Science Fiktion, Fantasy, (Auto-)Biografien, Briefe, Lyrik, Jugendbuch, Reiseliteratur oder bei politische Werken sieht es bei mir düster aus. Das möchte ich einfach nicht lesen, da müsste ich mich quälen. Und da das Lesen mein Hobby ist, möchte ich dann doch lieber Bücher lesen, die mich interessieren. Nur um sagen zu können, dass ich Werk XY gelesen habe, würde ich mich nie durch ein Buch quälen.

Anders sieht es beruflich aus. Da lese ich, was ich lesen muss. Aber das vergesse ich sofort wieder, wenn es mich nicht interessiert. Da mache ich meinen Job, mein Hirn arbeitet dann auf Autopilot. Das ist so ähnlich wie bei vielen beauftragten Texten. Wenn mich das Thema nicht interessiert, dann muss ich nachsehen, was ich bearbeitet habe. Oft weiß ich das schon beim Kaffee nach dem Text nicht mehr, obwohl ich Stunden an einem Fachartikel zu einem bestimmten Thema gesessen habe. Aber wenn der fertig ist, dann fliegt er sofort aus meinem Speicher.

Ich würde schon sagen, dass ich einige Klassiker nicht gelesen habe, was ich aber eigentlich nicht schlimm finde. Für mich ist das Lesen ein Hobby und keine Arbeit, die ich gewissenhaft ausführen muss. Sicher werden immer wieder Bücher genannt, die man gelesen haben sollte, aber davon lasse ich mich nicht großartig beeindrucken und ich lese weiterhin die Bücher, die ich lesen möchte und nicht die Bücher, die ich lesen sollte, wer auch immer das sagt.