Würdet ihr euren Chef auf dessen Fehler hinweisen?
Als junge Frau habe ich wie die meisten neben Schule und Studium gejobbt, natürlich damals auf der untersten Schiene der Hierarchie, die man sich so vorstellen kann. Einmal ist es mir passiert, dass ich den Chef auf einer sachlichen Ebene freundlich fragte, ob man einen bestimmten Arbeitsablauf nicht unter Zuhilfenahme einer anderen Sache optimieren könnte.
Anhand seiner heftigen Überreaktion habe ich dann schnell gemerkt, dass eigenständiges Denken oder gar der Umstand, ihn auf einen Fehler seinerseits hinzuweisen, nicht gut ankommt. Mir persönlich war das eine Lehre fürs Leben und ich habe nie wieder Vorgesetzte auf einen Fehler hingewiesen, um nicht Gefahr zu laufen ins Visier zu geraten. Selbst wenn es sich um eine gravierende Sache handelte, würde ich meinen Mund halten, vor allem bei einem Chef, der Allüren wie eine Diva hat.
Wie haltet ihr das? Macht ihr das von der Persönlichkeit eures Chefs abhängig? Seid ihr engagiert genug, um die Arbeit und den Erfolg eines Projekts an erste Stelle zu setzen, unabhängig davon, ob ihr am Ende ins Fadenkreuz gelangen könntet? Oder habt ihr für euch erkannt, dass genug Vorgesetzte unsouverän und leicht narzisstisch kränkbar sind, sodass man lieber ruhig ist?
Also auf Fehler hinweisen würde ich direkt nicht. Aber man kann sich ja ein wenig doof stellen und dann fragen, warum man bestimmte Sachen so macht und nicht anders, so habe ich das jedenfalls gemacht.
Ich war ja mehrere Jahre als Studentische Hilfskraft bei uns im Institut tätig. Da habe ich dann auch an einer Studie mitgearbeitet und da ist das so, dass du als Studentin in der Hierarchie auch ganz unten bist. Über mir stand der Wissenschaftliche Mitarbeiter und über dem stand dann der Professor und Institutsleiter. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter hat mir dann immer Anweisungen erteilt und Aufgaben gegeben und den Fortschritt überwacht, während er seine Anweisungen vom Professor bekommen hat.
Ich musste auch sehr viele Daten in die EDV eintragen, wobei ich das bei manchen überhaupt nicht kapiert habe und den Sinn darin gar nicht gesehen habe. Warum ist es beispielsweise wichtig, einzutragen, wie oft der Hausarzt zur Visite im Altenheim war, wenn das für die Fragestellung der Studie gar nicht relevant ist und das im Endeffekt gar nicht zur Lösung beiträgt? Das habe ich dann auch so den Wissenschafltichen Mitarbeiter gefragt, der hat meine Kritik auch verstanden und hätte das am liebsten auch weggelassen, aber er meinte, laut Anweisung des Professors wäre es trotzdem besser, wenn man das mit erfasst. Im Endeffekt wurde das dann doch weggekürzt und meine Arbeit war umsonst, aber naja. So ist halt das Leben.
Den Professor selbst hätte ich gar nicht kritisieren können, weil der kaum da war, wenn ich da war und ihm extra auflauern wollte ich auch nicht.
In meinen Augen hängt es von unterschiedlichen Faktoren ab, ob man Vorgesetzte auf Fehler hinweisen sollte. Es kommt meiner Erfahrung nach nämlich auch bei toleranten, modernen und lockeren Chefs und Chefinnen vor, dass sie sich nicht vor Begeisterung überschlagen, wenn jemand, der kaum in einen Aufgabenbereich hinein geschnuppert hat, mit den freundlichen Optimierungsvorschlägen ankommt.
Hier kommt es sehr stark auf die Strategie und das eigene diplomatische Talent an, wenn man Gehör finden möchte. Wie schon erwähnt, kann man zum Beispiel "treudoof" fragen, wieso man die Arbeit genau so und nicht anders machen muss. Aber letzten Endes stellt sich natürlich die Frage, ob es überhaupt klug ist, Verbesserungs- und Optimierungsvorschläge zu machen, solange weder der eigene Job noch das Unternehmen auf Grund von massiver Misswirtschaft in Gefahr ist.
Meiner Erfahrung nach gibt es nämlich oft "inoffizielle" oder politische Gründe für bestimmte Arbeitsabläufe oder Aufgabenverteilungen, die wenig mit tatsächlichen oder vorgeblichen Fehlern oder Optimierungen zu tun haben. Da bekommt der inkompetente Mitarbeiter eine Aufgabe, die er unmöglich schaffen kann, weil er (oder sie) nach 30 Jahren praktisch unkündbar ist, und so wenigstens Beschäftigung hat.
Oder es werden Arbeitsabläufe beibehalten, die längst überholt sind, weil jeder weiß, dass die Frau Meier aus der Abteilung XY nicht gut mit Veränderungen klar kommt und man sonst ein halbes Jahr Chaos bewältigen müsste. Diese Subtilitäten sind gerade Neueinsteigern oder Hilfskräften oft nicht bekannt.
In meiner Berufserfahrung ist es jedenfalls nie vorgekommen, dass ein Mitarbeiter wirklich Lob oder konkrete Vorteile für "Optimierungsvorschläge" bekommen hat. Meistens war es für das Betriebsklima besser, Verbesserungen quasi durch die Hintertür zu arrangieren.
Mittlerweile habe ich eine Chefin, die ich durchaus darauf aufmerksam machen kann, wenn sie mir mal wieder einen leeren E-Mail-Anhang geschickt hat, aber dennoch würde ich mich nicht dazu hinreißen lassen, ihr mitzuteilen, dass der aktuelle Workflow der Überarbeitung bedarf.
Ich würde dabei sagen, dass es auf jeden Fall auf die Persönlichkeit des Chefs ankommt und vielleicht auch darauf, ob der Chef das, was man für einen Fehler hält, selbst angeordnet hat, oder ob es sich im Laufe der Zeit so eingeschlichen hat. Wenn es so ist, dass der Chef gezielt etwas so beschlossen hat und dann kommt ein neuer Mitarbeiter daher und sagt, dass er das ändern würde, dann wird der Chef das sicher nicht gut finden.
Aber wenn man sich schon an die Art des Chefs gewöhnt hat, dann kann man vielleicht auch einschätzen, wie der Chef vielleicht auf einen Änderungsvorschlag reagiert und ob man diesen mal machen kann. Bei manchen Chefs kann man das sicher eher als bei anderen und so wie manchmal Eigeninitiative nicht gewünscht ist, so wird sie von einem anderen Chef gefördert. Eine pauschale Antwort kann ich hier also nicht geben.
Ich würde das ganz stark vom Charakter des Chefs abhängig machen. Ich arbeite bei uns nun schon einige Jahre und ich weiß ganz genau, wann was ansteht und organisiert und umgesetzt werden muss und was für ein Zeitaufwand das ist. Auch weiß ich, wo ich was finde und wer für was zuständig ist. Ich kenne eben die ganzen Fallstricke und weiß mittlerweile alles auswendig.
Nun ist es aber so, dass wir seit knapp einem Jahr eine neue Chefin haben, die natürlich alles besser weiß. Leider ist sie vom Charakter her sehr von sich überzeugt und absolut beratungsresistent. Da hilft nicht mal, dass man treudoof fragt, warum man etwas so und nicht anders machen soll. Da habe ich auch schon gemerkt, dass es von ihr gar nicht erwünscht ist, dass man eine andere Meinung hat als sie. Sie verlangt von uns teilweise Abläufe, die unnötig viel Zeit fressen und aufwendig sind.
Ich könnte das dann innerhalb von 5 Minuten erledigen und bräuchte dafür nur zwei Klicks, aber sie hat es verboten und will es lieber altmodisch haben. Das dauert dann aber mehrere Tage bis sie dann alle gewünschten Informationen hat, wenn sie Pech hat, sogar noch länger wegen der Fernleihe. An sich ja kein Problem, aber wenn sie dann noch Stress macht, dass sie die Sachen und Informationen "dringend" (und besser gestern als heute) braucht, dann steht man natürlich blöd da.
Wie gesagt gehört sie vom Charakter eher zu den Menschen, die keine abweichende Meinung akzeptieren und ständig beweihräuchert und gelobt werden wollen. Wenn man das nicht tut, dann schießt man sich selbst schnell ins aus. Die exorbitant gestiegene Fluktuationsrate spricht da für sich. Sie drängt jeden aus dem Unternehmen raus, der ihr nicht passt, also muss man extrem aufpassen was man sagt oder tut.
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