Würdet ihr eine "Helikopter"-Mutter ermutigen loszulassen?
Meine Tochter hat eine beste Freundin im gleichen Alter, sie sind beide 13 Jahre alt. Diese Freundin ist inzwischen schon sehr von ihrer Mutter genervt, weil sie ihr nichts erlaubt. Sie darf weder alleine in die Schule laufen (wird immer mit dem Auto gebracht), sie darf nicht alleine Bus fahren und sie darf nachmittags nicht zum shoppen mit Freundinnen gehen oder bei Freunden übernachten. Die beiden wollten zum Beispiel auch an einem Jugend-Training für Bowling teilnehmen. Weil das Training von einem Mann geleitet wird darf die Tochter jetzt nicht mitmachen.
Im Januar fährt die Klasse ins Skilager nach Österreich. Auch dorthin lässt sie ihre Tochter nicht mitfahren, weil es zu weit weg ist und die Kurse von Skilehrern geleitet werden und eine weibliche Begleitperson gäbe es natürlich. Die Mutter hat in meinen Augen zu große Ängste, dass ihrer Tochter etwas passieren könnte.
Ich kenne die Mutter inzwischen auch ganz gut. Wir sind zwar nicht direkt befreundet, unterhalten uns aber regelmäßig. Würdet ihr versuchen mit dieser Mutter ein Gespräch zu suchen in dem es darum geht der Tochter ein wenig mehr zuzutrauen und sie "loszulassen" oder seht ihr das als Eingriff in die Privatsphäre/Erziehung?
Mit 13 hätte ich mir auch nicht vorstellen können, in ein Skilager nach Österreich zu fahren. Ich weiß noch, dass ich mit 15 mal auf einer Ausfahrt von der Kirche war und mir hat es dort nicht gefallen und ich wollte wieder zurück, da konnte mich da jemand abholen. Aus Österreich kann man aber nicht einfach mal spontan abgeholt werden. Da finde ich 13 schon ziemlich jung für solche Auslandsaufenthalte ohne die Eltern, auch wenn es "nur" Österreich ist.
Manches, was du beschreibst, klingt schon ein wenig eng, etwa dass sie nicht bei Freunden übernachten darf, aber dass sie nicht alleine mit dem Bus sonstwo hin fährt, finde ich jetzt gar nicht so verkehrt. Ob sie sich mit nur 13 Jahren zu helfen weiß, wenn sie versehentlich in einen falschen Bus einsteigt, weil sie z.B. eine Freundin besuchen wollte und sich dann verirrt? Mit 13 ist man ein Kind und kein Erwachsener und vielleicht würde sie dann in Panik geraten, wenn sie sich verfährt.
Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich auch nicht wollen, dass die alleine mit dem Bus sonstwohin fährt. Zur Schule, also immer die gleiche Strecke, ja, aber nicht irgendwelche Ausflüge. Ich sehe manchmal Kinder, die irgendwo alleine mit ihrer Schultasche herumirren und dabei an dicht befahrenen Straßen entlanglaufen oder im Dunkeln über die Straße rennen - dass da nicht öfter was passiert wundert mich. Vielleicht haben die alle einen Schutzengel.
In dem Alter habe ich auch manchmal Dinge gemacht, wo ich aus heutiger Sicht denke, dass das total gefährlich war. Beispielsweise bin ich mit Freunden auf einem Floss über einen See gefahren und was wäre denn, wenn ich in den See gefallen wäre? Eine meiner Freundinnen ist am Rand des Sees vom Floss gefallen, konnte aber ans Ufer schwimmen. Ich war Nichtschwimmer, ich wäre ertrunken. Ich war auch als junges Mädchen gerne mit dem Fahrrad unterwegs und da gab es schon Situationen, wo ich nur knapp einem Unfall entging.
Es ist halt nicht immer alles so harmlos und ich denke schon, man muss Kinder auch vor gewissen Gefahren schützen, weil sie in jungen Jahren noch nicht selbst einschätzen können, welche Situationen sie meiden sollten. Daher finde ich auch, dass man scheinbar überfürsorgliche Eltern nicht verurteilen sollte. Wenn doch mal was passiert, ist hinterher das Geschrei groß.
Ich finde schon dass du offen mit ihr reden solltest. Ihr kennt euch, habt Kinder im selben Alter, also kann man auch miteinander über solche Sachen reden. Wobei es natürlich auch immer eine Auslegungssache ist, was gefährlich ist oder sein kann und was nicht. Ein Kind in dem Alter ist aber auch nicht mehr so naiv alles mitzumachen, mitzugehen und alles zu glauben. Das muss man einfach wissen und deswegen solltest du auch mit der Mutter reden. Statt ihr zu verbieten den Trainer zu sehen oder sich von ihm trainieren zu lassen, sollte sie doch eher aufklären warum das der Fall ist.
Einem Kind in dem Alter sollte man seine Ängste erklären können und dann aber auch selber einsehen was zu viel des Guten ist. Dafür braucht diese Mutter auch Menschen im Umfeld, die ihr sagen, dass das zu weit geht. Ich habe mal von jemanden gehört, dass Eltern in Bezug auf ihre Kinder immer ein paar Jahre gedanklich zurückhängen. So ist das 13 jährige Kind in Gedanken vielleicht erst 9 oder 10, aber auf gar keinen Fall 13. Man behandelt es dann auch dementsprechend und da liegt der Fehler. Man muss einem Kind in dem Alter Freiheiten lassen, auch Bus fahren ist vollkommen okay.
In meiner Klasse waren ungefähr die Hälfte der Schüler Buskinder, das heißt sie sind jeden Tag Bus gefahren und das seit der 5. Klasse. So etwas ist okay und selber würde ich mir auch gar nicht den Aufwand machen wollen, wenn es einen Bus gibt, das Kind womöglich noch umständlich zur Schule zu fahren. Ich finde es sehr löblich von dir, dass du dir da Gedanken machst und dem Kind helfen willst.
Allgemein habe ich den Eindruck, dass du wirklich gut verstehen zu scheinst, was da in deiner Tochter vorgeht, das spricht für ein gutes Verhältnis. Du solltest deinem Bauchgefühl trauen und mit ihr reden. Wobei immer der Ton die Musik macht. Vielleicht geht ihr mal gemeinsam einen Kaffee trinken oder über den Weihnachtsmarkt.
Ich würde den Teufel tun und mich in anderer Leute Erziehungsmethoden einmischen. So etwas geht immer schief. Ich bin nicht vom Fach, da kinderlos und aufrichtig uninteressiert an Erziehungsfragen, außerdem nicht immer sonderlich taktvoll und meine eigene Kindheit brauche ich nach 30+ Jahren auch nicht mehr als Richtlinie hernehmen.
Ich durfte schon im Kindergarten übernachten und bin ab der 1. Klasse alleine im Schulbus gefahren, und damals in den Achtzigern galt man praktisch schon als übervorsichtig, wenn man einen Kindersitz im Auto verwendet hat. Von daher habe ich absolut keine Ahnung, ob es normal ist, mit 13 keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu dürfen. Aber da Eltern ihre Kinder ja irgendwie verkorksen müssen, würde ich sagen, dass das schon mal einen vielversprechenden Ansatz darstellt. Ich muss die Kleine ja später nicht betreuen.
Als Mensch ohne eigene Kinder kann ich natürlich keine Erfahrungswerte beitragen und weiß nicht so recht, wie ich das Thema Helikopter-Eltern bewerten sollte. In meiner eigenen Jugend bzw. Kindheit war es noch ganz normal, dass wir (damaligen) Kinder oft allein unterwegs waren. Zwar bin ich nicht allein Bus gefahren, aber das lag daran, dass es in unserer Kleinstadt keine Linienbusse gab. Stattdessen bin ich oft kreuz und quer mit meinem Fahrrad durch die Gegend geradelt, ohne dass irgendjemand gewusst hat, wo ich gerade war.
Eine gleichaltrige Mitschülerin hatte damals mit sehr über fürsorglichen Eltern zu tun gehabt. Sie durfte so gut wie gar nichts ohne Aufsicht ihrer Eltern machen, und selbst wenn ich sie besucht hatte, saßen immer die Eltern mit dabei. Das ging sogar noch im Studium so weiter: der Vater saß meistens mit in den Vorlesungen (angeblich, weil ihn die Thematik interessierte). Die Geschichte nahm ein trauriges Ende: die junge Frau starb eines morgens, nachdem sie im Badezimmer zusammengebrochen war. Natürlich weiß niemand, in wieweit es da Zusammenhänge gegeben hat, aber als Außenstehende hatten wir den Eindruck gehabt, dass sie als Erwachsene eigentlich sehr unter der immerwährenden Kontrolle durch ihre Eltern gelitten hatte und wahrscheinlich ständig unter starkem emotionalem Druck stand..
Aufgrund dieser Ereignisse, die sicher nicht alltäglich vorkommen, uns aber damals lange beschäftigt hatten, sehe ich persönlich eine zu enge und lang andauernde Kontrolle durch die Eltern eher kritisch, und ich denke, dass man langfristig dem Kind keinen Gefallen erweist.
Ich habe ähnliches schon erlebt, wenn es auch keine typische Helikoptermutter war. Drei Kinder, drei Väter und die Mutter so der Klammertyp. Der letzte Partner hat das eine gewisse Zeit ausgehalten, aber die permanente Kontrolle hat ihm sehr zugesetzt. Das mittlere Kind, eine Tochter, war mit meiner Tochter befreundet. Wir wollten am nächsten Abend zum Stadtfest und die Freundin eben mitnehmen. Zwei Stunden Überredungskunst am Telefon waren da nötig.
Bei einem anderen Gespräch habe ich ihr ins Gewissen geredet, was den großen Sohn angeht. Der hatte damals auswärts eine Ausbildungsstelle. Ich habe ihr mehrmals versucht klar zu machen, dass es einfach nur peinlich für ihn ist, wenn sie ihm abends ständig mit Anrufen nervt. Sie sollte doch einfach die tägliche SMS akzeptieren, dass es ihm gut geht.
Es kam dann wie es kommen musste. Der Große hat mit 18 Jahren die Grenze gezogen, den Kontakt zur Mutter erst mal abgebrochen. Für ihn war es gut, die beiden Geschwister wurden aber noch mehr kontrolliert und in den wenigen Freiheiten noch mehr beschnitten worden.
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