Worin liegt der Grund für das "fremdeln" bei Babys?

vom 27.12.2015, 22:59 Uhr

Mit ca. 8-9 Monaten fangen Babys an zu "fremdeln". Das sehe ich zur Zeit gerade bei dem Kleinen meiner Cousine. Das Baby war immer sehr aufgeschlossen allen Menschen gegenüber und bis vor wenigen Tagen hat er auch noch den Nachbarn die Hände entgegen gestreckt. Plötzlich, eigentlich von einem auf dem anderen Tag fremdelt er dermaßen, das er sich sofort an die Mutter klammert, wenn man ihn nehmen will. Das hat er nie gemacht und er hat immer gelacht, wenn man ihn begrüßt hat.

Worin liegt eigentlich der Grund für diese Skepsis fremden Menschen gegenüber? Warum passiert das von einem auf den anderen Tag? Was geschieht bei den Babys, wenn sie plötzlich selbst den Vater, der von der Arbeit kommt nicht mehr akzeptieren und ihm nicht mehr die Arme entgegen strecken? Der Kleine meiner Cousine greift dann sofort in die Klamotten meiner Cousine und krallt sich fest. Liegt er am Boden oder krabbelt durch die Gegend, dann sucht er Schutz bei der Mutter, die den ganzen Tag bei ihm ist.

Meine Cousine meint, dass es wirklich von einem auf den anderen Tag passiert ist, als ob er in der Nacht etwas schreckliches erlebt hat. Aber sie hat auch viel gelesen, dass es in dem Alter normal ist. Angeblich würde das bedeuten, dass das Kind nun reifer wird. Aber wir verstehen nicht, dass er selbst Bezugspersonen, die vielleicht nur 3-4 mal die Woche bei ihm sind nicht mehr zu mögen scheint. Was passiert da? Warum fremdeln Babys?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ja, das ist normal. Die Kinder können anfangs keine Gesichter auseinander halten und wenn sie das dann können, erkennen sie alle außer Mutti als fremd, manchmal auch den Vater und da haben sie Angst. Nach einer Weile wird sich das aber wieder erledigt haben.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich glaube auch, dass es eher daran liegt, dass Kinder eben noch das Sehfeld ausbauen müssen. Meine Nichte beispielsweise wollte als sie noch klein war (vielleicht bis 8 oder 9 Monate wie du sagst) auch gerne zu mir. Vermutlich hat sie mich mit ihrer Mutter verwechselt, denn ihre Mutter ist auch dunkel so wie ich, also nicht nur vom Teint her, sondern auch die Haarfarbe ist in etwa ähnlich, auch die Größe. Da verwechselt ein Baby das vielleicht. Als sie etwas älter wurde, hat sie dann genauso gefremdelt, als sie eben gemerkt hat, dass ich nicht die Mutter bin.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich hab das vor einer gefühlten Ewigkeit mal im Unterricht gehabt. Babys erkennen am Anfang nur einen Strich, wo der Haaransatz ist, die Augenhöhlen und den unteren Gesichtsrand. Da unterscheiden sich die Menschen eben nicht sonderlich. Erst mit der Zeit kommen andere Konturen dazu und plötzlich sieht jeder Mensch anders aus.

Die Mutter erkennt es auch an der Stimme, dem Geruch und so weiter. Und sobald es Gesichter erkennen kann, fängt es eben mit dem Gesicht der Mutter an. Für die Gesichter von Menschen, die nicht jede Minute oder nicht mal jeden Tag da sind, braucht es einfach nur ein bisschen mehr Zeit. Aber Fremde kommen nie wieder in die Gunst von entgegengestreckten Ärmchen.

Dass es allerdings wirklich von einem Tag auf den anderen geschieht, ist wirklich krass. Da wurden wohl in der Nacht beim Schlafen einige Verbindungen im Gehirn geknüpft. Da war das Aufwachen bestimmt nicht so toll. Ich würde das Klammern daher einfach zulassen und das Kind nicht bedrängen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Babys sehen am Anfang noch nicht viel, das verbessert sich ja erst und dann können sie nach und nach auch erkennen wen sie vor sich haben und wenn sie die Person nicht oder fast nicht kennen, kommt schon mal ein Schrei. Schlimm ist das nicht und spricht für die Entwicklung des Kindes, wobei man das den betreffenden Personen durchaus auch erklären sollte, wie ich finde, weil es ja nicht angenehm ist, wenn das vorher liebe Baby auf ein Mal schreit nur weil man es in den Arm nehmen will.

Die Babys kennen ja auch erst mal nur die Eltern. Bei denen wissen sie wie sie riechen und ganz grob auch wie sie aussehen. Dieses Bild wird dann immer deutlicher und irgendwann eben ganz deutlich und dann sieht es eben auch, wenn die Tante mit den selben langen Jahren vor dem Baby sitzt und nicht die Mama ist. Für Babys ist das eine neue Situation und wenn sie dann unsicher sind, gehen sie lieber zu Personen, die sie kennen, die Eltern.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Das hat nicht nur etwas mit dem Sichtfeld zu tun, denn das ist auch schon früher ausgeprägt um Gesichter zu erkennen. Es kommt dabei vor allem auf die Entfernung drauf an, mit 8-9 Monaten ist ein Kind in der Lage auch weiter schauen zu können als nur einen Meter und bekommt somit mehr mit von seiner Umwelt. Dabei sieht es dann auch "neue" Dinge die erst einmal ungewohnt sind und auch Angst machen, da ist man dann doch lieber bei jemanden auf dem Arm den man bereits kennt.

Denn auch die ersten Angstgefühle kommen in diesem Moment auf, besonders die Angst alleine gelassen zu werden im Fremden nimmt dort seine ersten Anfänge und auch das spielt beim Fremdeln mit eine Rolle, neben dem erweiterten Sehvermögen und Wahrnehmen von der Umwelt. Selbst wenn man vorher täglich Kontakt mit dem Kind hat und es einen gemocht hat, kann es dann anfangen vor dieser Person zu scheuen, wenn der Rest herum nicht passt und ungewohnt ist.

Im übrigen fremdeln nicht alle Kinder und auch die Eltern spielen dabei eine Rolle. Strahlen die Eltern in diesem Moment selbst Angst, Unsicherheit oder Panik aus, dann kann das eigene Kind auch vor seinen eigenen Eltern fremdeln und suchen sich dann jemanden der einen Ruhepool darstellt. Oft genug erlebt, wenn dass Kind etwas hatte, wir als Rettungsdienst gekommen sind und die Kinder vor den eigenen Eltern gefremdelt haben, weil diese aufgelöst waren und in heller Panik. Da haben sie die komplett fremden Menschen bevorzugt, da diese in diesem Moment ihnen die Sicherheit vermittelt haben. Hat sich alles bei den Eltern wieder gelegt, dann war eine Übergabe auch kein Problem mehr, aber der "Stein im Brett" bei uns ist geblieben was die Arbeit am Kind deutlich erleichtert hat.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Bis zu einem gewissen Punkt ist das ganz normal. Wenn den Babys bewusst wird, dass manche Leute fremd sind oder nicht so gut bekannt, dann ist das Gehirn dann eben auch gerade so weit entwickelt, dass es Gefahr meldet. Aus Sicht der Natur ist es ja durchaus auch sinnvoll. Mit dem Alter, wo das Fremdeln oft anfängt, sind die Babys ja auch weit mobiler geworden. Sie können zumindest krabbeln, da kann es schon passieren, dass man sich zu weit vom schützenden Nest der Familie weg bewegt und in Gefahr gerät. Da ist es ja auch durchaus sinnvoll, die Kinder in dieser Altersgruppe, wo sie noch nicht bewusst auf sich aufpassen können durch eine gewisse Scheu vor anderen Menschen an die Bezugspersonen zu binden.

Ob das Baby vielleicht von einem Fremden erschreckt wurde, lässt sich so nicht sagen. Das kann aber durchaus sein und kann auch so passiert sein, dass die Eltern das gar nicht als eine Situation wahr genommen haben, die das Baby verängstigt hat. Kleine Kinder und Babys erschrecken ja auch vor Dingen, die wir völlig harmlos finden.

Wie stark ein Kind fremdelt, hängt aber nicht nur von etwa vorgekommenen Erlebnissen ab. Es hängt auch vom Lebensstil ab, den das Kind kennen gelernt hat. Ich meine da nicht ob es in Luxus oder Armut lebt, sondern wie kontaktfreudig die Eltern sind und wie groß die Familie ist, in der das Kind aufwächst. Die klassische Mutter Vater Baby Familie ist wohl ein besonders guter Nährboden für Ängste von anderen Personen. Rein statistisch reagieren Babys aus solchen Kleinstfamilien wohl leichter gestresst und abweisend gegenüber Fremden als Kinder, die in einer großen Familie aufwachsen und engen Kontakt zu vielen Bezugspersonen haben. Aber da auch der Charakter des Kindes eine große Rolle spielt, kann es auch hier Ausnahmen geben, die überraschen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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