Wirkt derbe Sprache abschreckend für Wähler?

In einem anderen Beitrag Welche Scherze sollten Politiker machen dürfen? schrieb ich ja schon von einer Aussage von Andrea Nahles, die seitdem heftig diskutiert wird. Michael Grosse-Brömer von der CDU ist sogar der Ansicht, dass Andrea Nahles auf diese Weise Wähler und Unterstützer abschrecken würde, wenn sie diese Art von Scherze und Jargon beibehalten würde. Seiner Ansicht nach würde die SPD dann bald deutlich unter die 20 Prozent gelangen.

Mich würde mal interessieren, wie ihr darüber denkt. Findet ihr eine derartige Ausdrucksweise und Scherze so negativ für eine Partei? Würde euch dies als Wähler vielleicht sogar vergraulen? Oder liegt es eher an anderen Faktoren, wenn eine Partei in der Gunst der Wähler sinkt?

Ich kann die Nahles ja ums Verrecken nicht ertragen. Zunächst habe ich mich über den Spruch auch aufgeregt, allerdings habe ich abends dann die Filmaufnahmen dazu gesehen und musste feststellen, dass wohl zuvor die Presse den Spruch wieder unnötig breit getreten hat und viele diesen daher ungefiltert in den falschen Hals bekommen haben. Eigentlich war es eine harmlose Flapserei, die sich vielleicht ein anderer Politiker ungestraft hätte herausnehmen dürfen. Zu Nahles im spießigen Kostümchen passte das aber irgendwie so gar nicht.

Die Presse stellt es ja wirklich anders dar als es wohl eigentlich gewesen ist und es wurde schon zurecht geschnitten. Ich denke allerdings, dass da doch andere Ausdrücke kommen müssten, um wirklich Wähler abzuschrecken. Ich denke, dass niemanden mehr wirklich interessiert, ob nun jemand "in die Fresse" sagt oder nicht. So hört man diese Ausdrucksweise doch auch ständig.

Ich kann mir schon vorstellen, dass der ein oder andere diese Sprache unpassend findet und Frau Nahles deswegen sicherlich auch Kritik von Parteimitgliedern und Kollegen ernten wird, aber ich denke, dass man das nicht so eng sehen sollte und dies ja noch eine harmlose Ausdrucksweise war.

Für mich ist ein Wahlprogramm ausschlaggebend, welche Partei ich wähle und nicht, welches Parteimitglied sich wie ausdrückt. Im Gegenteil, ich finde es sogar sympathisch, wenn auch Politiker sich menschlich zeigen und nicht ständig mit einstudierten Phrasen um den heißen Brei reden. Alles sollte allerdings seine Grenzen haben und lautstarkes, immer wieder auftretendes Gepöbel macht sicher nicht sympathischer.

Als öffentliche Person muss man heutzutage wirklich höllisch aufpassen, was man sagt und tut, da sich die Presse wie ein Schwarm Spatzen auf einen Brotkrümel auf alles stürzt, woraus sich eine Sensation machen lässt. Ich heiße diese Art der Zerfleischung anderer nicht gut, vor allem, weil dabei häufig bewusst der Kontext unerklärt bleibt oder Details weggelassen oder sogar verändert werden, damit die Geschichte spektakulärer wird und größere Wellen schlägt.

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass Politiker ein professionelles Auftreten wahren sollten, und dazu gehört für mich auch eine entsprechende angemessene Ausdrucksweise. Schimpfwörter und Obszönitäten haben in einer solchen Rede nichts zu suchen. Ich stelle mir nur mal vor, ich würde in einem Bewerbungsgespräch bei meinem potentiellen Arbeitgeber solche Wörter in den Mund nehmen. Da wären meine Aussichten auf den Job aber schnell gleich Null. Und nichts anderes sind im wesentlichen die Wahlen - denn hier wirbt der Kandidat um Stimmen. Man soll zwar dabei auch nicht übermäßig verkrampft und steif auftreten und sich jeglichen Scherz verkneifen, aber man kann auch ohne Kraftausdrücke mal eine lockere Bemerkung machen.