Wird Schülern zu wenig vom Arbeitsleben nahe gebracht?
Wenn ich auf meine Schulzeit zurückschaue, dann wurde ich nur halbherzig und mit viel Lügen auf die Arbeitswelt vorbereitet. Das hat mir in der ersten Zeit sowie meinen ganzen anderen Kollegen und Freunden bis heute den Boden wirklich unter den Füßen weggerissen. Dasselbe erkenne ich aber an Kindern meiner Freunde/Bekannte, denen zu wenig vom späteren Leben beigebracht wird, der Überraschungseffekt deswegen so groß ist, dass einige nicht arbeiten gehen.
Das heißt, mir wurde beigebracht, dass die Arbeitswelt genauso funktionieren würde, wie die Schule. Morgens zwischen 8 Uhr arbeiten und 16 Uhr Feierabend. Daran habe ich immer bis zuletzt geglaubt. Auch meine Schulfreunde usw. Im Übrigen sei angemerkt, dass meine Schulklassenebene sowie die zwei nachfolgenden die meisten Arbeitslosen hervorgerufen hat. Ein Zeichen für die mangelnde Arbeitsmoral dank falscher "Versprechen"? Wer weiß das schon.
Auch ich muss zugeben, dass ich schnell auf den Boden der Tatsache zurück kam und eben nicht von 8 bis 16 Uhr, wie Schule, auch arbeiten musste. Die erste Zeit habe ich mich dagegen gewehrt und letzten Endes bis heute habe ich darauf geachtet, dass ich Jobs habe, wo ich mir die Schichten selber drehen kann, weil ich sonst nämlich auf den Mist mit Schichtwechsel & Co auch keine Lust hätte.
In meinem Bekanntenkreis gibt es drei noch Schüler, die jetzt ihren Abschluss nachmachen, weil sie nicht arbeiten wollen. Beziehungsweise sie machen einen weiteren Abschluss. Der Grund, dass sie nicht arbeiten wollen ist, weil sie erkannt haben, dass man eben nicht 8 Stunden Schule am Tag hat, Wochenende frei, lange Urlaub wie Ferien usw. Das stinkt denen gewaltig und ich kenne viele davon! Auch Erwachsene, die das ähnlich sehen.
Ich frage mich aber, wieso Lehrer & Co uns solch einen Mist beigebracht haben? Wurde Euch das Arbeitsleben wirklich mit all seiner möglichen Brutalität, das Verhalten in der Ausbildung vom Ausbilder usw. erklärt? Hat man auch ehrlich darauf eingespielt oder auch gelogen, sodass das Aufknallen auf dem Boden zu hart war?
Ich fand die Aufklärung über das Arbeitsleben auch eher mangelhaft. Aber das bezieht sich eher auf andere Sachen und nicht darauf, zu welcher Uhrzeit man arbeiten muss oder wie viel Freizeit man dadurch hat.
Wenn ich zum Beispiel an die "Aufklärung" über die Lohnsteuer und Sozialabgaben denke. In der Schule wurde das immer so dargestellt, als ob jeder Mensch nach diesen Abzügen noch massenhaft Geld übrig zum Leben und Überleben hätte. Auch das Rentensystem wurde sehr simple und fair verklickert, sodass man hinterher überrascht ist, wenn man mitbekommt, dass man Glück haben kann ein paar Krümel vom Kuchen abzubekommen.
Die Realität sieht dann anders aus. Dann stellt man fest, dass manche Menschen auf Arbeit massiv ausgebeutet werden und sogar aufstocken müssen, weil sie sonst nicht ausreichend Geld zum Leben haben. Die Rente reicht dann plötzlich auch nicht und die Panik von der Altersarmut geht um. Ich habe erst neulich ein Schulbuch von meinem Neffen in der Hand gehabt und der bekommt denselben Mist (also in der utopischen Light-Variante) beigebracht wie ich damals. Da muss man echt aufpassen, dass man keinen Lachanfall kriegt, weil das so traurig ist.
In der achten Klasse tauchte damals eine Dame vom Arbeitsamt auf, die uns ein Buch in die Hand drückte, in welchem alle möglichen Berufe beschrieben und erklärt wurden. "Sucht euch einen davon aus", hieß es damals, "Aber sucht euch den Beruf nicht nach dem Gehalt, sondern nach euren Fähigkeiten und Vorlieben aus!" Dann sollten wir uns in diesem Beruf noch irgendwo für ein zweiwöchiges Praktikum bewerben.
Ich war handwerklich total unbegabt. Wenn ich einen Hammer in die Hand nahm, erschlug ich mich damit. Soziale Berufe waren auch nicht so mein Ding. Aber ich ging gerne mit Computern um, meine Rechtschreibung war top und ich liebte Fremdsprachen.
Dass ein Job in dem was ich dann schlussendlich in einer schulischen Ausbildung erlernte, nicht so einfach zu bekommen war, musste ich nach der Ausbildung bitter erfahren. Ich war erstmal eine Zeit lang arbeitslos. Schulische Ausbildung in diesem Beruf, die in diesem blöden Buch damals mit einer dualen Ausbildung gleichgestellt worden war, half nur Arbeitnehmern, die sich damit fortbilden wollten. Ich besaß schlicht und einfach keine Berufserfahrung. Dass man dann noch nicht mal ALG 1 erhält, weil man ja noch nie gearbeitet hatte, wurde auch nie erwähnt. Also war ich immer noch abhängig von meinen Eltern. Aus der Traum von der Unabhängigkeit.
Und weil ich nichts fand, wofür ich so fleißig gelernt hatte, startete ich eine zweite Ausbildung, diesmal eine duale. Danach fand ich eine Stelle etwas weiter weg. Ich war bereit dafür umzuziehen. Nach der Probezeit (sechs Monate) wurde mir mit Frist von zwei Wochen gekündigt. Danke fürs Gespräch. Ich war ja extra umgezogen für diesen Job. Dann kam das Problem, dass ich erstmal aufs Arbeitsamt stiefelte und es hieß wieder zu mir: Sie haben noch kein volles Jahr gearbeitet. Sie bekommen kein ALG 1. Na danke...
Bis ich irgendwo Geld für meinen Lebensunterhalt beantragt und bewilligt bekommen hätte, wäre mein Geld leer gewesen. Ich brach alle Zelte ab und zog zurück zu meinen Eltern. Meine Ersparnisse waren in die Wohnung geflossen. Jetzt hatte ich keine mehr. Vier Monate später fand ich einen neuen Job. Befristet. Dass das noch zum Problem werden würde, ahnte ich nicht. Denn meine Ersparnisse waren wie gesagt aufgebraucht. Ich bekam keine Kredite mehr. Ein-Jahres-Vertrag mit nochmaliger Verlängerung, also zweimal ein Jahr. Der Vertrag lief aus, obwohl es hieß, man wolle einen unbefristeten Vertrag draus machen. Ich dachte mir: Na dann suchst du dir halt wieder was Neues.
Gerade in dem Moment stellte ich aber fest, dass ich schwanger war. Schwanger und arbeitslos. Das Arbeitsamt überschüttete mich mit Jobvorschlägen. Es hieß ja, bis zum Mutterschutz arbeiten sei kein Problem. Ich fand aber nichts, weil niemand eine Schwangere einstellen wollte. Selbst Zeitarbeitsfirmen lehnten mich ab. Ok, dachte ich. Wenn das Kind da ist, findest du bestimmt was. Ich war inzwischen verheiratet und mit meinem Mann zusammen gezogen. Er brachte das Geld nach Hause. Dass mein Elterngeld aber nicht so hoch wurde aufgrund meiner Vorgeschichte, hatte mir vorher auch keiner gesagt.
Und dass Elterngeld dem Progressionsvorbehalt unterliegt und damit Steuernachzahlung im nächstem Jahr bedeutet, auch nicht. Das Jahr drauf nahm ich einen Minijob an, denn ich bekam keinen Kindergartenplatz und musste beruflich kürzer treten. Und ich musste mal wieder feststellen, dass ich damit die staatlichen Zuschläge in der Rentenversicherung während der Erziehungszeit in die Tonne trat. Obwohl ich auf den Job angewiesen war. Ungeplant wurde ich aber schnell erneut schwanger. Und ich stellte fest, dass mein Elterngeld noch geringer wurde wie das Erste, weil ich ja nur 450 Euro gearbeitet hatte.
Auch dieser Job war leider befristet und endete nach der Mutterschutzfrist. Da ich aber nur 450 Euro gearbeitet hatte, war ich mit meinem Kind über meinen Mann familienversichert. Es hieß nur, das sei eine Vergünstigung für Familien und Familien würden davon profitieren. Ja genau...
Ich fiel unter eine Einkommensgrenze und bekam damit nicht einmal das übliche Mutterschutzgeld von der Krankenkasse oder einem Zuschuss vom Arbeitgeber. Ich bekam lediglich 210 Euro für ganze 14 Wochen!
Übrigens hatte ich von meinem Arbeitgeber lediglich den Mindestlohn bekommen, und das, obwohl ich fünf lange Jahre Ausbildung gemacht hatte!
Ich würde mir sehr wünschen, dass junge Menschen heutzutage mehr über solche Dinge aufgeklärt würden. Viel ist schlicht und einfach aus Unwissenheit passiert. Aber Unwissenheit schützt ja bekanntlich vor Strafe nicht. Und ich habe das Gefühl, dass ich ohne Informationen aus dem Internet bei vielen Sachen auch heute noch in viele Fettnäpfchen treten würde.
Also ja, ich finde auch, dass in der Schule vieles beschönigt wird.
So in etwa lief das teilweise bei uns auch ab. Es kam bei uns auch ab der achten Klasse eine Frau vom Arbeitsamt. Die hat uns teilweise erzähle, für welche Jobs wir geeignet seien und da kam ein Scheiß raus. Ich zum Beispiel wäre mit meinen Fähigkeiten nicht mehr als Friseurin geworden? War der Oberhammer. Wir haben es gehasst, dass die Termine mit der Pflicht waren, aber es ging schnell los, dass wir gar nicht hingegangen sind, Tadel und Briefe nach Hause akzeptiert haben.
Neben den allgemeinen Schichten bei der Arbeit wurde uns nie gesagt, dass wir in der Ausbildung auch manchmal wirklich schlucken müssen, weil die uns behandeln würden, als seien wir deren Sklaven. Das mussten viele bei uns feststellen. Die Praktikums bei denselben Leuten waren top, aber als es dann zur Ausbildung ging, haben wir uns umgesehen, geschluckt, manche sogar abgebrochen.
Arbeitslehre-Wirtschaft hatten wir ebenfalls als Fach, wo man von ausgehen sollte, dass vielleicht etwas über finanzielle Dinge und wirtschaftliche Dinge rundum das Arbeitsleben kommt, aber auch hier Fehlanzeige. Also Vorbereitung lag teilweise bei uns im ungenügend Niveau, was sicherlich mit dazugeführt hat, dass wir alle etwas auf den Boden der Tatsachen geknallt sind und das mit Vollkaracho.
Ja, das mit der Sklaverei in der Ausbildung kenne ich. Das ist wohl überall so. Man bekommt in der Schule eingetrichtert, wie viel man ja erreichen könne. Und dann wird man in der Ausbildung erstmal auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Man muss in der Ausbildung teilweise Dinge machen, die keiner machen will oder wird behandelt wie der letzte Depp. Als wäre man zu blöd für irgendwas. Ich kenne auch einige, die deswegen die Ausbildung gewechselt oder abgebrochen haben.
Ich kann dem nur zustimmen und würde sogar behaupte, dass ich selbst in 12 Jahren Schule fast gar nicht über das Arbeitsleben aufgeklärt wurde sondern viel mehr ins kalte Wasser geschmissen. Natürlich gab es die Berufsberatung ab der 10. Klasse aber gebracht hat die niemanden etwas, die diese wohl auch nur von Amtsseite manipuliert war und jedem Lehramt mit seinen Lieblingsfächern empfohlen hat, unabhängig davon ob er sich persönlich eignete - gerade zu der Zeit als man merkte ein Lehrermangel droht uns.
Ansonsten frage ich mich auch wie Lehrer tatsächlich auf das Arbeitsleben vorbereiten sollen. Ich habe einige Freunde die Lehramt studieren oder teilweise schon fertig sind. Die meisten beginnen ein Lehramtsstudium direkt nach dem Abitur ohne jegliche Berufserfahrung.
Hinzu kommt, dass das Studium bei den meisten so gegliedert ist, dass keiner der Studenten jemals eine Bewerbung schreiben muss. Hat man Praktika bekommt man entweder von der Uni einen Partner zugewiesen oder ruft dort an und meistens klappt es auch. Hat man das Studium geschafft bewirbt man sich, vorausgesetzt man will an eine öffentliche Schule, auch nicht wirklich sondern registriert sich nur im Vergabesystem des jeweiligen Bundeslandes.
In meinen Augen kann jemand der noch nie selbst eine richtige Bewerbung, abgesehen vom Ferienjob, geschrieben hat oder ein ernsthaftes Vorstellungsgespräch, keinem Kind oder Jugendlichen etwas davon beibringen. Von der beruflichen Praxis, was noch hinzukommt da Lehrer diese ja nur aus ihrem eigenen Alltag kennen und der sich nun mal in der Schule abspielt, meistens keine praktischen Erfahrungen haben und nur das wiedergeben was im Lehrbuch steht.
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