Wird Minimalismus immer beliebter?
Ich lese in letzter Zeit häufiger, dass manche dem Minimalismus nachgehen oder nachkommen wollen. Manche verkleinern dafür ihren Kleiderschrank und andere achten eben auch darauf, allgemein nicht zu viele Konsumgüter zu kaufen und zu besitzen.
In dem Zusammenhang habe ich schon häufiger gehört, dass man eben nur noch das besitzen möchte, was man wirklich braucht und einem am Herzen liegt. Ich denke auch, dass bei den meisten ja so ist, dass sie einiges haben, was vielleicht nicht gebraucht wird oder zumindest nicht unbedingt. In der heutigen Wegwerfgesellschaft ist das sicherlich ein Thema zum nachdenken.
Meint ihr, dass Minimalismus ein wirklich ernstzunehmender Trend ist? Was meint ihr, woher dies eben plötzlich kommt. Passiert wirklich ein Umdenken in den Köpfen vieler? Macht ihr diesen Trend mit? Oder seht ihr das eher als Lebenseinstellung? Denkt ihr auch viel darüber nach oder verkleinert ihr euren Besitzt dadurch?
In gewisser Weise mache ich das auch mit. Ich kaufe mir beispielsweise nur Lebensmittel, die ich auch wirklich essen möchte, also wird bei uns nichts weggeworfen, was das angeht. Ansonsten halte ich mich aber nicht daran. Ich kaufe mir beispielsweise gerne Kleidung, die ich dann aber wiederum auch so lange trage, bis sie gar nicht mehr schön ist. Ich versuche schon darauf zu achten nicht die ganze Wohnung voller Kram zu haben, aber ich kaufe auch durchaus mal gerne etwas.
Ich finde den Trend durchaus gut und denke schon auch, dass das teilweise auch an dem Wohnraum liegt, den man zur Verfügung hat. In sehr großen Städten, nicht mal unbedingt nur in Deutschland kostet das sehr viel und da muss man eben auch sehen was man wirklich in der Wohnung braucht.
Ich habe auch den Eindruck, dass zumindest in manchen Gesellschaftsschichten ein teilweises Umdenken einsetzt, was den Besitz von finanziellen und materiellen Gütern angeht. Wenn man von der Hand in den Mund lebt oder sich mit letzter Kraft über Wasser hält, hat man natürlich andere Sorgen als den bewussten Konsumverzicht. Aber mein subjektiver Eindruck ist, dass gerade unter den wohlhabenderen und jüngeren Angehörigen der Mittelschicht die Vorstellung, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Konsum, mehr verbreitet ist als noch vor ein paar Jahrzehnten.
Dank der modernen Medien ist es zudem einfacher, Gleichgesinnte zu finden, sodass der Eindruck eines "Trends" schneller entstehen kann als vor der Erfindung des Internets, als noch jeder für sich gewerkelt hat und nicht jedes Backrezept mit der ganzen Welt "teilen" konnte. Aber auch hier habe ich den Eindruck, dass es sich nicht nur um ein paar verstreute Spinner handelt, die der Meinung sind, dass es nicht glücklich macht, sich nur dafür abzurackern, dass man sich ein dickeres Auto oder mehr Kreuzfahrten im Jahr leisten kann als die Nachbarn.
Angeblich haben sogar wissenschaftliche Studien ergeben, dass, sobald ein gewisser Level an Wohlstand erreicht ist, noch mehr Geld und Besitz nicht noch glücklicher machen, und die Leute anfangen, andere Prioritäten zu setzen. Das können Hobbys sein, Zeit für die Familie oder einfach mehr Freizeit, die man nicht im Hamsterrad zwischen Job und Karriere zubringt.
Dass man dafür an anderer Stelle Abstriche machen muss, schlägt sich dann i einer "minimalistischen" Lebensweise nieder. Ich selber bin auch nicht der Meinung, dass ich nur deswegen auf der Welt bin, um zu konsumieren und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Gewisse Tendenzen zum Minimalismus habe ich auch, aber ich mache mir nicht die Mühe, daraus eine ganze Lebenseinstellung zu basteln.
Ein Stück weit fängt ein Umdenken schon statt, teilweise ist es auch gezwungen wenn man sich das ganze mit den Plastiktüten in den Geschäften mal ansieht, dass diese inzwischen überall kosten oder gar keine mehr vorhanden sind. Demnach gibt man sich mit einer mitgebrachten Tasche zufrieden und hat nicht mehr hunderte Plastiktüten in seinem Schrank und damit auch seinen Hausstand verkleinert. Bewusst findet das nicht unbedingt statt, sondern ist vom Einzelhandel und der Politik her führend.
Zum anderen auch der Kosten wegen. Die Einkommen steigen in einigen Berufen deutlich geringer an aber die Lebenshaltungskosten steigen dafür um einiges mehr. Dann muss man sich schon Gedanken machen wofür man sein Geld zum Fenster raus wirft und ob man dann wirklich noch das hundertste Paar Schuhe braucht oder ob man darauf verzichtet und eines der vorhandenen nimmt. Geldmangel sorgt auch dafür, dass manche sich von ihren Dingen trennen die sie nicht oft benutzen oder gar nicht benutzen und sich damit ebenfalls verkleinern.
Ich sehe es schon als einen gewissen Trend an, da man immer mehr davon mitbekommt wo es hinführt. Da werden Verpackungen nicht mehr verkauft sondern alles lose und damit hat man nur minimalen Müll Zuhause, dann die Plastiktüten und auch das Einkommen und die Lebensumstände tragen dazu ihren Teil mit bei. Alles ist aber auch nicht freiwillig, sondern erzwungen wie von der Hand in den Mund und man mehr Monat am Ende des Geldes übrig hat als anders herum.
Bei uns wird es auch teilweise schon so. Wir haben eigentlich viel zu viel an Gewand und tragen oft immer relativ wenige Sachen und die teuren Kleidungsstücke dürfen noch etwas im Kasten reifen. Am deutlichsten zeigt sich der Minimalismus bei uns, dass wir oft nur mehr mit einem Koffer verreisen, weil wir immer zu viel eingepackt haben und das Gewand wieder ungetragen mit nach Hause zurücktragen dürfen.
Wird Minimalismus immer beliebter? Also bei mir nicht. Ganz ehrlich, nach einem Jahrzehnt der Minimalismus Prediger, die das ganze schon fast als heilsbringend ansehen, werde ich gegen das Thema zunehmend allergisch. Ich bin nun kein extremer Maximalist oder Hoarder, aber ich mag mein Zeug. Punkt. Und nein, das heißt nicht, dass man hirnlos jede Woche eine Bestellung aufgibt, im Gegenteil. Man kann Dinge auch lieben und wertschätzen, wenn man sie in dutzendfacher Ausführung schon längst hat. Wenn ich meine Schublade mit den Tops aufmache und dort über 60 Stück hübsch gefaltet in allen möglichen Farben liegen, macht mich diese Auswahl zufrieden, während der Minimalist nervösen Schluckauf bekommt.
Sicher, das Thema hat in den letzten Jahren zweifellos immer mehr an Popularität gewonnen, gerade zu Corona Zeiten und dem größten Hype um Marie Kondo und ihre Serie auf Netflix sind die Sozialkaufhäuser nur so überflutet worden. Der Gedanke, sich von überflüssigem Besitz zu befreien und ein (angeblich) einfacheres, bewussteres Leben zu führen, hat seine theoretischen Verlockungen. Doch ob Minimalismus jetzt wirklich und für jeden immer die beste Wahl ist, stelle ich infrage. Ein häufig genannter Vorteil des Minimalismus ist ja die Reduzierung von materiellem Ballast, der zu einer angeblich verbesserten Lebensqualität führen soll. Aber das ist doch genau der Punkt, viel zu haben ist eben nicht für jeden eine Bürde oder Last.
Es kann auch ein Schwelgen und eine Auswahl darstellen, und manchmal kann Konsum oder der Kauf von Dingen mit Lebensfreude verbunden sein. Wenn ich mir im Urlaub eine Tasche kaufe, dann werde ich für den Rest meines Leben durch diese Tasche verstärkt daran erinnert. Der Minimalist würde antworten, die Erinnerung wäre doch sowieso da. Ja, aber eben nicht so präsent wie durch einen manifestierten Gegenstand. Diese Leute verstehen einfach nicht, dass unterschiedliche Gehirne unterschiedlich arbeiten und abspeichern. Und wenn ich sehe, dass Leute weinen, weil sie glauben, sie müssten jetzt aufgrund eines Trends Erinnerungsstücke oder persönlich bedeutsame Gegenstände aussortieren, dann fehlen mir 99 Pfennig an der Mark. Oder am Euro.
Zudem sehe ich in dem Drang nach Minimalismus auch die Gefahr, dass es für manche Teilnehmer in einen regelrechten Zwang umschlägt und zu einem ständigen Streben nach Perfektionismus des noch weniger Besitzen wollens wird. Ich erinnere mich noch an regelrechte Battles zwischen Hardcore-Minimalisten, die sich dafür feiern, nur noch ein Produkt im Badezimmer zu haben, was einfach alles kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Leute genauso an Besitz gebunden sind, wie ein Hoarder, nur dass sie die andere Richtung eingeschlagen haben. Während ein Messie alles festhalten will und von seinen Sachen bedrängt wird, ist der Minimalist vom Gedanken besessen, noch weniger besitzen zu müssen Und genau das ist der Punkt, besessen und beherrscht sind beide. Wie immer gilt für mich: Einfach mal die Kirche im Dorf lassen und das alles nicht zu ernst nehmen bzw. zu Tode denken. Dann klappts auch mit der Balance zwischen Haben, Kaufen und Aussortieren.
Verbena hat geschrieben:während der Minimalist nervösen Schluckauf bekommt.
Ich würde mich wohl eher zu den Minimalisten zählen, da ich mit relativ wenigen Sachen auskomme und mir nur wenig kaufe (manche würden wahrscheinlich sagen, zu wenig). Nervösen Schluckauf habe ich aber nur selten, und falls doch, dann aus ganz anderen Gründen. Bei mir liegt der Minimalismus überwiegend daran, dass ich generell nicht gern neue Sachen kaufe und mein Geld lieber für schöne Erlebnisse ausgebe (z.B. Ausflüge, Reisen, Theaterbesuche, etc.). Shoppen ist nicht so mein Ding (online sowieso nicht, und auch im Geschäft kaufe ich meistens nur ein, wenn ich unbedingt etwas brauche) und daraus ergibt sich quasi zwangsläufig ein gewisser Minimalismus.
Da steckt aber kein Zwang und keine Ideologie dahinter, sondern es ist einfach ein Resultat meiner Neigungen bzw. meiner fehlenden Motivation zum Einkaufen.
Das sollte kein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung sein. Das muss man wollen. Es gibt Menschen, die lieben und leben im Schnickschnack. Man kommt in die Wohnung und wird regelrecht von Gegenständen erschlagen. Mich persönlich erdrückt so etwas immer und ich fühle mich generell in klar strukturierten und aufgeräumten Wohnungen oder Räumen wohler. Ich selbst bin aber nicht in der Lage, so zu leben. Das liegt vorrangig daran, dass ich mich nicht von allem trennen kann und will und an meiner Familie, die eben auch Sachen ansammelt.
Ich habe mir aber schon sehr oft vorgenommen, mal richtig auszusortieren, eben weil ich zu viele Sachen erdrückend finde und mich das auch nicht glücklich macht, so viel zu besitzen. Wir sind nun dazu übergegangen uns Stück für Stück zu trennen von Dingen, die wir nicht benutzen. Schön ist es, wenn man dafür eben auch noch etwas bekommt, was man dann sparen kann. Von dem Geld wird dann in der Regel nicht wieder etwas angeschafft, sondern es kommt auf ein Urlaubskonto und wird in Eindrücke und Erlebnisse investiert.
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