Wird man depressiv, wenn man Träume nicht erreicht?

vom 10.05.2015, 15:05 Uhr

Ich war die Tage wieder bei einer Freundin, der es psychisch gar nicht gut geht. Sie denkt sich, dass sie nichts erreicht hat und es geht ihr wirklich schlecht. Ich habe selten einen Menschen so herzerweichend weinen erlebt. Sie hat mir anvertraut, dass sie einen Beruf lernen musste, damit sie durchkommt, aber sie wollte eigentlich Abitur machen und ein Studium absolvieren. Aber aufgrund der Lage kann sie nicht mal einen Ansatz in diese Richtung machen.

Auch ist sie in ihrer Beziehung nicht so glücklich, ihr Freund ist unter der Woche jeden Tag unterwegs und kümmert sich um seine Hobbys und sie hat das Nachsehen. Auch macht sie sich ständig Gedanken um die finanzielle Situation, sie wünscht sich Kinder, aber blockiert total, weil sie es nicht bezahlen kann. Es tut mir wirklich im Herzen weh, sie so zu sehen und ich beginne auch zu leiden.

Resigniert man irgendwann, wenn man seine Träume nicht ansatzweise erfüllen kann? Das Mädel ist nun seit zwei Wochen durchgehend am Weinen und ich weiß nicht mehr, wie ich sie nun noch trösten kann. Außerdem bewegt es mich auch zum Nachdenken, mein Leben verlief bisher auch nicht so, wie es laufen sollte, bisher habe ich immer gekämpft, aber heute trifft mich diese tiefe Traurigkeit ebenfalls irgendwie.

Kann ich ihr noch irgendwelche Tipps geben, außer dass sie sich professionelle Hilfe besorgen soll, was sie schon getan hat? Soll man Träume fallen lassen und irgendwann das Leben einfach nur so hinnehmen, wie es läuft? Ich habe echt Angst, dass es mich auch so treffen könnte, besonders da die junge Frau nur wenige Jahre älter als ich ist.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12582 » Talkpoints: 9,16 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Das Problem an der Sache ist wahrscheinlich, dass deine Freundin sich völlig von ihren Träumen abhängig macht. Wenn man einen Gedanken hat wie "wenn ich meinen Traum nicht erfüllen kann, bin ich nichts wert", dann wird man depressiv. Das hat also weniger mit der Situation, sondern mit der Reaktion auf die Situation zu tun. Wenn deine Freundin professionelle Hilfe, und zwar nicht nur mit Medikamenten, in Anspruch hat, wird man ihr das auch so erzählen.

Man muss sich immer klar machen, dass andere Menschen mit schlechteren Situationen besser klar kommen. Das liegt einfach daran, dass sie sich nicht unterkriegen lassen, wenn mal etwas schief läuft.

Davon abgesehen sehe ich in keiner der Probleme etwas wirklich Existenzbedrohendes. Die meisten Menschen landen nicht in ihrem Traumberuf. Man kann sich mit vielen Dingen anfreunden und wenn der aktuelle Beruf nichts ist, kann sie immer noch versuchen, sich weiter zu entwickeln. Die Beziehung läuft vermutlich so schlecht, gerade weil sie depressiv ist. Der Freund fühlt sich womöglich auch hilflos und versucht deshalb Abstand zu gewinnen. Immerhin bleibt er bei ihr, was wirklich nicht selbstverständlich ist. Und auch den Kinderwunsch kann sie sich sicherlich noch erfüllen.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Aus meiner bisherigen Erfahrung heraus würde ich erstmal sagen, dass die Beziehung vielleicht ein Problem ist. Wenn sie sich jemanden wünscht, der bei ihr ist und sich um sie kümmert, er aber seine Hobbys pflegt und sie links liegen lässt, dann ist das schon mal der falsche Partner. Da sollte sie sich jemand anderen suchen. Man muss jemanden haben, der wirklich zu einem passt und wo man auch auf einer Ebene ist.

Das habe ich jetzt auch gemerkt, nachdem ich endlich jemanden gefunden habe, mit dem ich auf einer Wellenlänge bin. Viele Probleme, die ich früher hatte, basierten einfach nur darauf, dass meine damaligen Partner und ich andere Vorstellungen und Ziele hatten und dass das nicht harmoniert hat.

Und studieren kann sie ja rein theoretisch auch in höherem Alter. Ich arbeite an der Uni mit Leuten zusammen, die Mitte 30 sind und noch studieren, das kann man auch später noch und Kinder kann sie auch mit Ende 30 noch bekommen - das ist doch heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr.

Klar - es hätte idealerweise anders laufen müssen und sie hätte gleich studieren sollen, aber das kann man nun nicht mehr ändern. Vielleicht kann Sie auch beruflich ohne Studium in eine Richtung gehen, die sie interessiert oder sie absolviert ein Fernstudium, das geht ja auch in Teilzeit. Sie hat noch viele Möglichkeiten. Aber den Mann würde ich vor die Tür setzen, der passt scheinbar nicht zu ihr.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 10.05.2015, 21:52, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich kenne die Familie des Mädchens nicht und ich weiß auch nicht wie sie geprägt und erzogen wurde. Aber für mich hört sich das schon danach an, als wäre sie nach dem Leistungsprinzip erzogen worden. Soll heißen: dass sie sich nur dann als wertvoll empfindet, wenn sie bestimmte Leistungen erbringt und bestimmte Ziele erreicht hat. Manche Eltern benutzen das als Erziehungsmethode und geben ihrem Kind nur dann Zuneigung und Aufmerksamkeit, wenn es beispielsweise nur Bestnoten in der Schule hat oder immer sein Zimmer aufräumt etc. Dieses Leistungsprinzip kann man auf alle Lebensbereiche beziehen und ich weiß wovon ich spreche. Ich konnte das sehr gut an meiner Cousine beobachten.

Meine Cousine wurde so erzogen und es hat sie absolut kaputt gemacht. Sie hat immer nur dann Zuneigung und Bestätigung bekommen, wenn sie immer Bestnoten hatte, sich immer und jederzeit vorbildlich verhalten hat praktisch wie eine "Sklavin" und auch musste sie den "richtigen" Freund mit nach Hause bringen. Wenn sie einmal aus der Reihe getanzt ist und von den Wunschvorstellungen ihrer Eltern abgewichen ist, wurde sie direkt mit Ignoranz und Vernachlässigung bestraft und das von frühster Kindheit an.

Mittlerweile ist sie zwar erwachsen, aber dieses Denken nach dem Leistungsprinzip sitzt immer noch ganz tief in ihr drin. Sie ist vor einigen Monaten komplett ausgeflippt und hatte einen Nervenzusammenbruch, weil ihr Freund Waffeln haben wollte und ihr die Waffeln nicht "perfekt" gelungen sind. Sie projiziert das Leistungsprinzip auf sich selbst und geht auch davon aus, dass ihr Freund und ihre Freundinnen sie bestrafen werden, wenn sie nicht überall die beste ist und alles perfekt macht. Unter solchen Umständen wird man schon depressiv, aber wenn man von den Eltern nicht nach dem Leistungsprinzip erzogen wurde, ist die Wahrscheinlichkeit meiner Meinung nach nicht gegeben, dass man bei einigen Zielen, die nicht sofort erreicht worden sind, direkt depressiv wird.

Bei der Frau in deinem Beispiel sieht es für mich schon so aus als wäre sie genauso geprägt und erzogen worden wie meine Cousine. Da ist es klar, dass man in der fehlenden Zeit des Partners direkt eine Bestrafung interpretiert, wenn die Eltern vorher auch Jahre lang so gehandelt haben. Das wird auch an ihr nagen und sie wird sich fragen, wo sie noch "perfekt" sein muss, damit sie wieder beachtet wird.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Vielleicht macht sich deine Freundin einfach selbst zu viel Druck, dass sie eben nur gerade das Schlechte sieht und nicht, was ich schon erreicht hat. Vielleicht würde es helfen, wenn ihr mal aufschreibt, was sie denn in ihrem Leben schon alles gemeistert und erreicht hat. Vielleicht zeigt ihr das, dass sie eben kein Versager ist und durchaus schon etwas geleistet hat.

Ansonsten denke ich auch, dass sie vielleicht nur ihr nicht schaffen vor Augen hat und die Träume, die sie eben nicht verwirklichen konnte. Vielleicht gibt es aber noch irgendwelche Wünsche und Träumen, die sie sich doch erfüllen kann. Das müsste man dann auch heraus finden. Ich würde auch auf jeden Fall sagen, dass sie dennoch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Dort kann man sie vielleicht auch wieder aus ihrem Loch holen und ihr neue Wege aufzeigen.

Vielleicht würde ihr eine Trennung vom Partner durchaus helfen oder sich da einfach mal durchzusetzen. Vielleicht sagt sie ihrem Partner ja auch nicht, dass sie sich vernachlässigt fühlt und nimmt sein Verhalten bisher immer einfach so hin.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Professionelle Hilfe kann ja schon mal nicht schaden. Ich würde der Freundin dazu raten sich einfach mal hinzusetzen, zu schauen was ihr Spaß macht, was sie eigentlich studieren wollte und dann kann man sehen welcher Beruf, der so zu erlernen ist dem am nächsten kommt und dann kann man immer noch eine Ausbildung, Weiterbildung oder was auch immer machen. Außerdem kann man teilweise auch ohne Abitur studieren, wenn man entsprechende Berufserfahrung hat.

Wobei ich mir auch nicht vorstellen kann was gegen Abitur spricht. Es gibt Abendschulen und wenn man es sich zutraut kann man auch nur die Prüfungen als Externenprüfung ablegen. Das geht alles, also wenn man nicht schon sooft durchgefallen ist, so dass man sich nicht mehr anmelden darf, ist das durchaus eine Option.

Vielleicht würde es ihr aber auch etwas bringen, wenn sie sich einfach eine Aufgabe sucht. Ein neues Hobby, eine Sportgruppe was auch immer, einfach etwas was sie begeistert, bei dem sie gut sein kann und neue Kraft daraus gewinnen kann. Das muss ja kein Job sein, sondern einfach nur etwas, was ihr Freude macht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Darauf habe ich gewartet, bis der erste nach professioneller Hilfe schreit. Warum? Die Dame hat Druck und Stress, aber ist noch lange nicht gefährdet um vom nächsten Hochhaus zu springen oder sonstiges. Wenn man sich selbst den Druck macht, dann kann man ihn selbst auch nehmen und das sind alles Probleme die sie sich selbst macht.

Träume hat jeder und kann auch jeder haben. Aber damit muss ein Traum noch lange nicht Realität werden können, selbst wenn man noch so viel Anstrengung investiert sind manche Dinge einfach nicht drinnen. Was hier aber beschrieben wird ist für mich wirklich geringfügig. Sie musste eine Ausbildung machen für Geld, nun gut aber was ist mit jetzt und später? Abitur kann man auch neben dem Job machen, studieren ebenfalls so kommt Geld in die Kasse und man kann das Ziel weiter verfolgen.

Damit dann auch direkt weiter, mit dem abgeschlossenen Studium dann kann man sich auch einen anderen Job suchen, der besser bezahlt wird und damit ist auch das Thema finanzieren von Kinder kein Ding mehr. Zudem ich mich auch frage was manche sich vorstellen was man dafür monatlich extra verdienen muss und sich damit auch diesen Druck macht. Es gibt Familien die Leben von weniger als Hartz 4 und haben Kinder, diese verhungern nicht, sind angezogen und auch nicht ganz verkommen. Es muss nicht der finanziell gepuderte Hintern von Anfang bis Ende sein, mit Markenklamotten vom Neugeborenenalter bis hin zum fetten Porsche zum 18. Geburtstag.

Das sie mit ihrem Partner unzufrieden ist, ist eine andere Sache. Hat sie das mal mit ihrem Partner angesprochen? Dass dieser Hobbys hat und eine Arbeit, daran ist nichts verwerfliches und durchaus legitim aber man kann sich dabei ebenfalls absprechen, wann es eine gemeinsame Zeit gibt und keine Hobbys, da muss jeder zurück stecken und nicht nur an sich denken.

Ich wüsste auch nicht was man daran nicht ändern "kann". Man kann es, dazu gibt es viele Wege sie müssen einem nur bekannt sein und aufgezeigt werden. Demnach ist das noch lange kein Grund depressiv zu werden wenn man einen Traum hat und sich dieser nicht direkt realisieren lässt, sondern nur noch über Umwege. Hier ist man ins Selbstmitleid abgerutscht, alles schlecht, alle anderen blöd und alle anderen sind Schuld, dass es mir schlecht geht.

Die Dame muss einsehen, dass sie alleine dafür Verantwortlich ist und auch sie ihren Hintern erheben muss damit sich etwas bewegt und ihre Träume sich erfüllen. Von alleine fliegt einem nichts zu, weder das Abitur noch das Studium, geschweige denn Geld. Das es hart ist neben Job einen Abschluss zu machen und zu studieren ist so, doppelte Belastung die man zu stemmen hat. Aber wenn man weiß für was und für wen man das tut, dann lässt sich auch das einfacher überstehen. Mit einem Partner an der Seite der einem den Rücken frei hält und auch bestärkt wenn es mit der Motivation bergab geht ist es immer einfacher, mit entsprechendem eigenen Willen und Selbstbewusstsein auch alleine.

Was man also machen kann, zeig ihr die Wege auf wie sie ihre Träume erreichen kann. Besorge Heftchen von Abendschulen, Studiengängen was man nebenbei machen kann. Sammele dazu Informationen, zeig ihr diese das es eben doch geht oder mach einen Infoabend mit wenn sich die Abendschulen vorstellen und man mal zur Probe schauen kann. Alleine das kann schon wieder für Motivation und auch aufkeimenden Kampfgeist sorgen.

Würde ich mich weinend 2 Wochen in die Ecke setzen weil sich meine Träume nicht von heute auf morgen erledigen lassen, und mir alles zufliegt dann wäre nie etwas passiert. Ich war unzufrieden in meinem Job, habe nebenbei studiert, mich Fortgebildet bis zum Erbrechen, jeder Tag 20-22 Stunden lang über 4 Jahre. Wochenenden und Freizeit eingekürzt genau dafür. Misserfolge gab es immer so lief es anfangs mit dem Unternehmen nicht gut, ich habe mehrere Jobs gemacht damit ich das nebenbei halten konnte. Ich habe daran geglaubt das es etwas wird, hart dafür gearbeitet damit es erfolgreich wird und auch persönlich viel zurück gesteckt.

Es hat sich gelohnt, heute steht es besser da als ich es mir habe träumen lassen, dass ich alleine davon gut leben könnte aber aus anderen Gründen nicht mache. Kind hat sich irgendwann eingestellt, hat sich auch in finanziell schweren Zeiten durchfüttern lassen und ist groß geworden und bekommt auch jetzt nicht den Hintern vergoldet. Partner habe ich keinen, ich ziehe meinen Sohn alleine groß, habe nebenbei meine Anstellung in der Bundeswehr, mein Unternehmen und schaffe das auch weiterhin die Träume zu realisieren.

Im letzten Jahr habe ich für uns ein Haus gekauft, welches in 7 Jahren fertig finanziert ist und daran war noch vor 5 Jahren nicht im Traum zu denken jemals eines in der Größenordnung zu haben, geschweige denn das fertig zu finanzieren weit vor der Rente oder überhaupt vor dem eigenen Ableben damit fertig zu werden.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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