Wird die Rassismus-Debatte zu überhitzt geführt?
Im Zuge der gegenwärtigen Rassismus-Debatten, wurden auch einige Filmklassiker wie etwa „Vom Winde verweht“ aus dem Jahre 1939, der insgesamt immerhin 10 Oscars einheimste, auf den Index gesetzt und verschiedene Streamingdienste haben diesen und andere Filme aus dem Angebot gestrichen. Als Begründung wurde angegeben, dass diese Filme Passagen enthielten, die Sklaverei und Rassismus verharmlosen würden. Wie empfindet ihr denn dieses Vorgehen? Haltet ihr das für uneingeschränkt richtig oder ist es doch vielleicht etwas zu kleinlich und schon eine Überreaktion?
Der Film ist nur vorläufig aus dem Programm genommen worden. Er wird durch Erklärungen zur Problematik erweitert und wird dann wieder zu sehen sein. Ich halte die Debatte im übrigen nicht für überhitzt, sondern für längst überfällig. Eigentlich wird sie ja schon lange geführt. Jetzt erfährt sie die nötige Solidarität von vielen Leuten, besonders von jungen Leuten in Städten, die in einer Vielfalt aufwachsen. Sie bekommen hautnah mit, wie ihre Freunde aus derselben Klasse diskriminiert werden, wenn sie zum Beispiel in der Disko vom Türsteher nicht eingelassen werden. So hat es mein Sohn zumindest erlebt.
Mittlerweile gut untersucht sind ja auch die Benachteiligungen bei der Weiterempfehlung fürs Gymnasium in der Schule, bei der Wohnungssuche und bei Bewerbungen, wenn der Name exotisch klingt. Ich selbst habe auch schon auf Flohmärkten und in Geschäften Leute abfällig über Menschen mit dunklerer Hautfarbe reden hören.
Schon seltsam: Wenn es um Themen geht, die die braven weißen Bürger direkt betreffen, wie die Verhinderung der Verbreitung einer potenziell tödlichen Lungenkrankheit, kann es gar nicht "überhitzt" genug zugehen. Da werden Petitionen für/gegen Trinklieder unterschrieben oder es gibt einen Grabenkrieg zu Fragen wie "Kinder impfen oder doch besser verrecken lassen?"
Aber sobald die "anderen" im weitesten Sinne mal den Mund aufmachen, seien es Menschen von "andere Ethnie", oder auch Frauen, Homosexuelle oder Menschen mit Behinderungen, heißt es gleich: Macht doch nicht so einen Wind! Ich bin weiß, straight, und körperlich in Ordnung. Deswegen kann ich auch am besten beurteilen, ob ihr zu Recht ein Fass aufmacht oder euch nur wegen Kleinigkeiten aufregt. ICH kann schließlich problemlos eine Wohnung mieten und werde nicht mal gelobt, wie tapfer ich doch meinen Alltag meistere!
Und was den besagten "Filmklassiker" angeht: Der stammt aus dem gleichen Jahr, als der Zweite Weltkrieg begonnen wurde - natürlich ist der nicht mehr zeitgemäß. Schaut euch doch die Darstellung der Schwarzen in diesem Film an! Werden die etwa als gleichberechtigte Mitbürger porträtiert, oder doch eher als sprechendes Inventar/liebenswerte Trottel/unfähige Untermenschen? Ob man ihn deswegen unkommentiert und ersatzlos streichen sollte, steht zwar auf einem anderen Blatt, aber angesichts der aktuellen Debatten finde ich es zumindest hilfreich, darüber eine Debatte anzustoßen.
Ich lebe in einer "Blase", in der man tatsächlich relativ wenig offenen Rassismus antrifft, wobei der strukturelle Rassismus ja von einem selbst oft gar nicht erkannt wird, weil man ihn selbst nicht zu spüren bekommt. Wenn man selbst "weiß" ist, kann man sich durchaus in dem Gedanken wiegen, dass eigentlich alles doch gar nicht so schlimm ist, weil man selbst nichts von Rassismus mitbekommt. Dabei geschieht es ja oft eher subtil und unterschwellig, wenn Menschen mit anderer Hautfarbe oder fremd klingendem Namen eben keine Wohnung bekommen oder sonstwo weniger zuvorkommend behandelt werden als man selbst.
Daher denke ich auch, dass es an der Zeit ist, diese Problematik systematisch aufzudecken und dagegen vorzugehen. Ich persönlich finde daher nicht, dass die Rassismus-Debatte zu überhitzt geführt wird, sondern es ist schon angemessen, die Probleme mal wirklich ans Tageslicht zu bringen, sodass sie auch von Menschen wahrgenommen werden, die sie bisher nicht gesehen haben.
Ich habe gelesen, dass Disney auf seinem Streaming Dienst ältere Filme mit Erklärungen versieht, die sie im historischen Kontext einordnen. Das ist meiner Meinung nach auf jeden Fall eine gute Lösung, denn Filme mit rassistischen Klischees sind nun einmal Teil der Geschichte und die macht man nicht ungeschehen indem man die Filme in den Giftschrank verbannt.
Man lernt doch nicht aus der Geschichte wenn die unangenehmen, unbequemen Teile einfach aus dem öffentlichen Bewusstsein gestrichen werden. Man lernt indem man sich diese Teile anschaut und für sich selber erkennt, was daran falsch war.
Und ja, ich finde schon, dass die Debatte teilweise überhitzt bzw. falsch geführt wird aber nicht, weil ich denke, dass Rassismus kein Problem sei. Wir sind gerade in einer Phase, in der es vermehrt um Symbolpolitik geht. Natürlich ist es nicht falsch darüber zu diskutieren, ob der Begriff "Rasse" nun ins Grundgesetz gehört oder ob man das nicht endlich mal an den aktuellen Stand der Wissenschaft anpassen sollte.
Aber so etwas lenkt halt eher von den wirklich drängenden Problemen ab. Und bei den nicht Betroffenen könnte der Eindruck entstehen, dass alles gut ist wenn wir einen Begriff ändern, ein paar Filme zensieren und vielleicht noch die ein oder andere Statue absägen. Den Menschen, die keinen Job oder keine Wohnung bekommen, weil ihr Name ausländisch klingt oder die auf der Straße angepöbelt werden, weil jemandem die Hautfarbe nicht passt, hilft das gar nicht.
Ich finde es teilweise schon sehr schwierig, was da so alles debattiert wird. Es ist nicht so, dass es nicht wichtig ist darüber zu sprechen, allerdings finde ich die Debatte an vielen Stellen einfach nur übertrieben. Man muss die Menschen zu schätzen wissen und sie gut behandeln, dennoch sind wir alle Menschen unserer Zeit und wenn man dann in einem Disneyfilm liest, dass irgendein Tier schlecht dargestellt wurde, dann finde ich das eher lächerlich, auch wenn ich Rassismus aufs Schärfste verurteile.
Ich finde aber auch, dass diese ganzen Wortdebatten absolut daneben sind. Gerade ältere Menschen benutzen vielleicht den Begriff "Negerkuss" oder "Zigeuner Schnitzel" sie sind es aber einfach so gewohnt und müssen ja alle nicht zwangsläufig Rassisten sein. Es ist doch nicht immer das was man sagt, sondern wie man sich verhält und deswegen sind filmische Darstellungen nicht per se schlecht, nur einfach Kinder ihrer Zeit. Ich finde Filme, in denen gegendert wird beispielsweise auch sehr nervig, aber ich verstehe den Hintergrund dessen.
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