Wird der Beruf des Psychologen falsch eingeschätzt?
Ein Bekannter von mir hat Psychologie studiert. Er war da ein wenig der Hahn im Korb, weil sich für das Fach ansonsten überwiegend Frauen einschreiben. Sein Wunsch war es, Therapeut zu werden, aber er wusste zu Beginn des Studiums nicht, dass er mit dem Diplom in der Hand noch kein Therapeut ist, sondern noch eine weitere Ausbildung absolvieren muss. Das war mir auch neu, aber es stimmt, ich hab das mal online recherchiert.
Und zwar war er nach dem Studium zwar Diplom-Psychologe, aber er durfte sich nicht als Psychotherapeut bezeichnen. Das darf man erst, wenn man eine Approbation erhalten hat und die bekommt man, indem man nach dem Studium eine Therapeutenausbildung macht. Das dem so ist, hat mein Bekannter erst im Laufe des Grundstudiums mitbekommen, aber er hat dann das Fach dennoch weiter studiert.
Ursprünglich, so meinte er, habe er sich damit abgefunden, nach dem Studium noch die Therapeutenausbildung zu machen. Denn er wollte ja eine Praxis eröffnen. Aber als er dann mit dem Studium fertig war, hatte er keine Lust mehr darauf, denn diese Ausbildung kostet angeblich viel Geld und würde auch mehrere Jahre dauern. Er meinte, das könne 15.000 EUR oder mehr kosten.
Daher hat er sich ohne die Therapeutenausbildung auf Jobsuche gemacht. Er hat mir erklärt, dass man diese Therapeutenausbildung nur braucht, wenn man sich mit einer eigenen Praxis selbstständig machen möchte, aber man kann auch als Psychologe ohne Therapeutenausbildung in einem Krankenhaus oder einer Klinik oder sonst wo arbeiten, so lange man da angestellt ist, braucht man die Ausbildung nicht.
Und das hat auch geklappt. Zuerst hat er fachfremd gearbeitet, weil er nichts Besseres gefunden hat, aber dann hat er eine Stelle in einem Krankenhaus bekommen. Nur gefällt es ihm nicht so, er muss da auch Patienten behandeln, die eigentlich keinen Psychologen sehen wollen, aber die Ärzte ordnen das so an. Er hat auch überlegt, ob er nicht doch noch die Therapeutenausbildung macht, denn manche seiner Kollegen haben die. Er hat nämlich da Kollegen, die auch in der Klinik arbeiten, aber die Ausbildung nebenbei machen. Die hätten aber Kurse am Wochenende und nie so richtig frei und nach der Ausbildung würde man dann auch nicht viel mehr verdienen.
Ich dachte immer, Psychologen sind Spitzenverdiener, aber er hat mir erklärt, dass es ganz schwer sein muss, eine eigene Praxis zu bekommen, weil es schon so viele niedergelassene Psychologen gibt und mehr Praxen von den Kassen nicht genehmigt werden. Und wenn man als Psychologe mit Psychotherapieausbildung nur irgendwo angestellt ist – etwa in der Psychiatrie – dann verdient man auch nicht so viel, dass sich die teure Ausbildung gelohnt hat.
Und ich habe ja in meinen Seminaren selbst Leute drin, die eigentlich keine Lust auf die Veranstaltung haben. Wie schlimm muss es da erst sein, wenn man Psychologie studiert hat und dann zu Patienten geschickt wird, die einen gar nicht sehen wollen. Er hat das Fach ja studiert, um Menschen zu helfen und nicht damit gerechnet, dass er eines Tages mit Personen konfrontiert wird, die teilweise gar nichts mit einem Psychologen zu tun haben wollen.
Ich denke, das Fach wird teilweise irgendwie verklärt oder potentielle Studenten haben falsche Erwartungen an die Arbeitsrealität als Psychologe. Ich hätte das mit der Extraausbildung auch nicht gewusst und ich hätte auch nicht gedacht, dass es Psychologen so schwer gemacht wird, eine eigene Praxis zu eröffnen. Mein Bekannter meinte jedenfalls, dass er vielleicht besser etwas anderes hätte studieren sollen.
Wie seht ihr das? Haben Leute, die sich für Psychologie interessieren, falsche Erwartungen an den Beruf? Stellen sich die Menschen dann vor, wie schön es ist, jemandem zu helfen, vergessen aber, dass sie im Beruf auch oft mit Ablehnung konfrontiert werden? Und warum braucht man da noch so eine Extraausbildung, wenn man sich niederlassen will?
Wie kann man denn etwas studieren, wenn man so wenig Ahnung davon hat? Das kann man ja alles vorher im Internet nachlesen. Das Zusatzstudium nach dem Grundstudium kostet in der Tat Geld, weil es eine Art Weiterbildung ist und man es nur braucht um eben eine eigene Praxis haben zu können. Wegen dem Verdienst sollte man diesen Beruf sicherlich nicht machen, aber meiner Meinung nach reicht es um ein schönes Leben führen zu können, selbst wenn man nur im Krankenhaus arbeitet.
Es ist schon lächerlich wenn man erwartet, dass Menschen freiwillig zu einem Psychologen kommen und sich auch alle helfen lassen wollen. Sicherlich, wenn man erst mal den Schritt in eine Praxis geht hat man erkannt, dass man ein Problem hat, aber dennoch heißt es nicht, dass der Patient dann auch super mitmacht und sich leicht helfen lässt, das zu erwarten ist schon ein genauso großer Witz wie dann plötzlich festzustellen, dass man nach dem normalen Studium nicht eine eigene Praxis haben kann.
Als Psychologe erlebt man immer Rückschläge und Patienten, die nicht mit einem arbeiten wollen und die der Meinung sind, dass sie kein Problem haben. Wenn man damit nicht umgehen kann hat man sich wenn ich ehrlich bin absolut für das falsche Studium entschieden, weil man dafür auch ein gewisses Sozialverhalten aufzeigen sollte. Zu erwarten das ein Patient immer Bock darauf hat auf seine Probleme angesprochen zu werden ist schon albern.
Man kann die Therapeutenausbildung durchaus nebenbei machen und dann eine eigene Praxis eröffnen, was aber auch mit Kosten verbunden ist und so muss man sich gut überlegen, ob man es auch wirtschaftlich genug drauf hat. Man kann ja auch durchaus eine Praxis in einem Vorort haben, was dann das Problem mit der Häufigkeit der Praxen aufhebt.
Wie kann man denn etwas studieren, wenn man so wenig Ahnung davon hat? Das kann man ja alles vorher im Internet nachlesen.
Aber wäre es nicht besser gewesen, wenn man das vorher irgendwie nochmal explizit gesagt bekommt? Er ist inzwischen Mitte Dreißig und hat vor rund 10 Jahren studiert, damals war das noch nicht so, dass jeder alles online nachliest.
Das Zusatzstudium nach dem Grundstudium kostet in der Tat Geld, weil es eine Art Weiterbildung ist und man es nur braucht um eben eine eigene Praxis haben zu können
Nach dem Hauptstudium findet das glaube ich statt, nicht nach dem Grundstudium. Man hat dann schon ein Diplom und fünf Jahre lang studiert und muss dann nochmals fünf Jahre lang Weiterbildung machen. Darauf hätte ich auch keine Lust.
Als Psychologe erlebt man immer Rückschläge und Patienten, die nicht mit einem arbeiten wollen und die der Meinung sind, dass sie kein Problem haben. Wenn man damit nicht umgehen kann hat man sich wenn ich ehrlich bin absolut für das falsche Studium entschieden, weil man dafür auch ein gewisses Sozialverhalten aufzeigen sollte.
Und was soll er dann machen? Er kann doch nicht mit Mitte Dreißig nochmal neu studieren, dafür ist es nun zu spät. Er erwartet auch nicht, dass alle immer Freude an seiner Anwesenheit haben, aber er hat mir erzählt, dass manche Patienten gleich von Anfang an gegen einen Psychologen sind und er dann trotzdem zu den Leuten muss, was ich absolut sinnlos finde. Wenn die nicht wollen, würde ich die Leute eben in Ruhe lassen.
Aber wäre es nicht besser gewesen, wenn man das vorher irgendwie nochmal explizit gesagt bekommt?
Wenn man Informationen zum Studium haben will, gab es schon immer Möglichkeiten, da ranzukommen. Auch vor dem Internet. Ich muss mich da Ramones anschließen. Die Entscheidung zu einem Studium ist eine schwerwiegende. Da sollte man sich vorher schon ein bisschen bemühen. Ungefragt wird einem niemand irgendetwas erzählen. War er denn vor der Einschreibung auf diversen Veranstaltungen wie einem Tag der offenen Tür oder Studieninformationstagen?
Ich finde es ja nobel, wenn man einen Beruf erlernt, mit dem man dann Menschen helfen will. Aber die meiste Hilfe brauchen doch die, die davon noch gar nichts wissen wollen. Ich würde das als Herausforderung ansehen. Es bringt doch ungleich mehr Zufriedenheit, wenn man zu so jemanden durchzudringen vermag, sein Vertrauen erlangt und ihm dann tatsächlich helfen kann.
Und dass man alle Leute, die keine Lust auf einen Termin beim Psychologen in Ruhe lassen sollte, ist doch unsinnig. Viele brauchen oft einen Schubs in die richtige Richtung. Man kann doch nicht davon ausgehen, dass jeder seine Probleme erkennt, sich selber eine Diagnose schreibt und dann zum richtigen Fachmann dafür geht. Manchmal muss man eben auch helfen, bevor derjenige die Hilfe haben will, weil er selber noch nicht erkennt, dass er Hilfe braucht.
Erst das ist richtiges Engagement. Einem Obdachlosen ein bisschen Kleingeld zu geben, wenn er die Hände aufhält, kann jeder. Aber zu erkennen, dass jemand in einer Notlage ist, wenn kein Pappschild darauf hinweist, und ihm dann wirklich nachhaltig zu helfen, ist ein ganz anderes Kaliber.
Also meiner Meinung nach sollte dein Bekannter seine Einstellung zu diesem Beruf noch etwas überdenken. Auch der Wunsch, dass sich die teure Zusatzausbildung doch bitte durch ein hohes Gehalt irgendwann auszahlen soll, finde ich traurig. Ich hab es so verstanden, dass er durch die Zusatzausbildung in einem Bereich arbeiten könnte, der ihm mehr Spaß macht und wo er das Gefühl hat, mehr gebraucht zu werden und mehr helfen zu können. Würde es sich nicht dadurch "auszahlen"?
Psychologe ist eigentlich kein Beruf, sondern eine Ausbildung, mit der man verschiedene Berufe, zum Beispiel dem des Therapeuten, ausüben kann. Man kann beispielsweise auch Psychiater werden, oder als Berater oder in der Industrie als Personalreferent arbeiten. Ich denke sogar, dass eher weniger Psychologen Therapeuten werden, auch wenn man das wohl das bekannteste Berufsbild ist.
Man kann sich als Psychologe auch ohne die Therapeutenausbildung selbstständig machen. Dann arbeitet man eben als freiberuflicher Berater oder Coach. Man darf dann aber eben keine Leute behandeln und bekommt natürlich auch kein Geld von den Krankenkassen.
Es gibt von vielen Berufsgruppen das Vorurteil, dass man automatisch sehr viel Geld verdient, wenn man sich zu dieser Gruppe zählen kann. Aber es sind eben nur Vorurteile, egal ob bei Ärzten, Juristen, Betriebswirten oder Piloten. Es gibt zwar Leute, auf die dieses Vorurteil zutrifft, aber das ist meist nur eine Minderheit. Wenn man aufgrund eines solchen Vorurteils einen Beruf ergreift und dann mit der harten Realität konfrontiert wird, mag das nicht sehr schön sein, aber da ist man wohl einfach selbst Schuld.
Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich befremdlich, wenn Menschen meinen, sich irgendwo einzuschreiben ohne sich großartig vorher zu erkundigen und hinterher dann feststellen, dass sie den falschen Weg eingeschlagen haben bzw. nicht ganz zufrieden sind mit der nicht optimalen Situation, in die sie sich im Endeffekt hinein manövriert haben.
Ich finde, dass man sich schon während dem Abitur sehr ausführlich mit seinem potentiellen Studiengang beschäftigen sollte. Ich habe ein naturwissenschaftliches Fach und habe dennoch jedes Modulhandbuch fast jeder Universität durchgeblättert, die mein Studienfach anbietet. Dabei habe ich dann eben auch teilweise extreme Unterschiede sowohl inhaltlicher als auch organisatorischer Natur entdeckt und habe mich eben für die Universität entschieden, die meinen Wünschen und Vorstellungen am meisten entsprochen hat.
Ich hatte vorher das Vorurteil, dass alle Studienfächer in ganz Deutschland ähnlich aufgebaut sind und auch ähnliche Themen behandelt werden unabhängig vom Standort. Dem ist aber nicht so. Man ist teilweise eben zu sehr durch die Schule geprägt und geht davon aus, dass an allen Realschulen dasselbe gelehrt wird und an allen Gymnasien etc.
Da fällt mir das Beispiel von einer Tiermedizin-Studentin ein, die hier im Forum mal vor einiger Zeit thematisiert wurde. Sie schreibt sich "blind" in eine Universität ein und stellt dann nach einem oder zwei Semestern fest, dass die Tiermedizin an ihrer Universität einen komplett anderen Schwerpunkt hatte als sie sich gewünscht hat und dass sie sich lieber an der Universität XY hätte einschreiben sollen, da diese Universität genau auf ihre Bedürfnisse und Wünsche eingestimmt ist.
Bei sowas denke ich immer, selbst Schuld. Wenn man hier in Deutschland in die Grundschule gegangen ist und im Endeffekt auch Abitur hat und somit über 13 Jahre in der Schule war, dann gehe ich mal stark davon aus, dass man lesen und sich informieren kann.
Selbst wenn das Internet damals nicht so verbreitet und ausführlich genutzt wurde wie heute ist das in meinen Augen nur eine fadenscheinige Ausrede. Es gibt den Tag der offenen Tür und selbst wenn nicht, kann man immer spontan zu den Studienberatern hingehen oder sich in Vorlesungen setzen um zu sehen ob das was für einen ist. Am Tag der offenen Tür präsentiert man sich gezielt und stellt sich besser dar als man ist. Wenn man außerhalb dieser Zeiten auftaucht, sieht man eventuell auch Seiten, die man sonst nicht gesehen hätte.
Jede Universität bietet Infomaterial für Studieninteressierte an und sogar Studienberater, die über die Berufsmöglichkeiten aufklären. Da hätte dein Bekannter definitiv aktiv werden müssen. Jetzt ist es natürlich zu spät und da ist das Gejammere groß, weil 10 Jahre Lebenszeit verschwendet gewesen sein könnten. Eventuell wäre damals auch ein Gespräch mit einem voll ausgebildeten Psychotherapeuten angebracht gewesen, um sich über Vorteile und Nachteile des Berufs und der Ausbildung zu informieren. Mir kann keiner erzählen, dass es damals keine ausgebildeten Psychotherapeuten gab und dass man deswegen keinen hätte fragen können.
Außerdem schreibst du, dass er etwas studieren wollte, womit er den Menschen helfen kann. Gerade deswegen sollte man einen Beruf ergreifen, der einem Spaß macht und nicht wegen dem Verdienst. Nur ein Beruf, der einem Spaß macht, wird man auch 40 Jahre oder länger problemlos ausüben können. Mag sein, dass die Kosten für eine Therapieausbildung da noch mit reinfließen würden und man das Geld durch den späteren Verdienst nicht mehr reinbekommen würde. Aber am wichtigsten ist doch, dass man den Menschen helfen kann und dass man selbst jeden Monat nicht hungern muss.
Ich finde es ist keine Überraschung, dass die Menschen ihm als Psychologen nicht die Türen einrennen. Er war ganz schön naiv, das zu glauben. Psychische Probleme sind in dieser Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema, man spricht einfach nicht davon und dann sind sie auch nicht vorhanden. Vielen Betroffenen von psychischen Erkrankungen haftet eine Art Stigma an und um es eben nicht zu bekommen leugnet man eben auch seine Krankheit. Ich finde, da braucht er sich gar nicht zu wundern und das hätte er sich definitiv vorher überlegen sollen.
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