"Wilde Ehen" auch heute noch verpönt?
Als ich damals vor ungefähr 16 Jahren hier her gezogen bin, war es sehr schwer eine Wohnung zu finden, wo man auch als unverheiratetes Paar und dann auch noch mit Kindern hinziehen konnte. Ich wohne in einem sehr katholisch angehauchtem Gebiet. Ohne den Trauschein hätten wir noch lange gesucht und ich bekam den Schlüssel für die Wohnung von der Vermieterin auch erst, als ich diesen Trauschein vorweisen konnte.
Nun dachte ich, dass sich in den letzten Jahren nun doch etwas an der Toleranz der Leute hier geändert hat und war schon sehr erstaunt, als eine Bekannte von der bisher gescheiterten Wohnungssuche hier in der Gegend berichtete. Sie wollte mit ihrem langjährigen Freund zusammen ziehen und es scheitert immer wieder an den Vermietern, die sich gegen sie entscheiden und auch offen sagen, dass eben eine "wilde Ehe" nicht gerne gesehen wird in dem Haus.
Beruflich gesehen ist die Frau, nennen wir sie einfach mal A, um die es hier geht Erzieherin in einer staatlichen Einrichtung. Sie wollte wechseln in eine katholische Einrichtung im Ort und solange sie mit ihrem Freund nicht zusammen gezogen ist, würde das auch gehen und im Vorstellungsgespräch wurde das Thema angesprochen und da wurde auch gleich gesagt, dass eine Beziehung ohne Trauschein und dem Zusammenziehen dann auch ein Kündigungsgrund wäre. Für das Arbeiten in dieser katholischen Einrichtung muss sie sogar kirchlich verheiratet sein.
Wie kann es sein, dass heutzutage noch so viel Engstirnigkeit einem den Alltag so schwer macht? Kann eine Arbeit wirklich gekündigt werden, wenn man nicht verheiratet ist und zusammen zieht, auch wenn man schon in der Beziehung war, als man die Arbeit angenommen hat und das bekannt war?
Habt ihr schon erlebt, dass ihr keine Wohnung bekommt, wenn ihr keinen Trauschein vorweisen kann? Wird man so praktisch gezwungen zu heiraten, damit man zusammen leben kann? Warum ist es heute in manchen Gegenden noch so verpönt, dass man unverheiratet zusammen lebt?
Das hängt ganz von den Leuten ab, aber ja, vor ein paar Jahren habe ich das ähnlich bei einer Bekannten erlebt. Die hatte sich frisch von Vater ihrer Kinder getrennt, weil es einfach nicht mehr ging. Darauf hin wollte sie in eine eher ländlich konservative Gegend im Rheinland ziehen, die sie schön fand. Dort hatten auch Vermieter Probleme damit. Zum einen, weil wie jetzt allein erziehend war und eine Frau doch bitteschön die Ehe schätzen solle. Wenn sie dann erklärte, dass sie nicht verheiratet war, weil der Partner sie nicht heiraten wollte, und die Kinder nur in einer festen Beziehung entstanden waren, bekam sie auch zu hören, dass Menschen mit solch einem Lebenswandel in einem gutbürgerlichen Haus nicht erwünscht wären. Das ist ihr in der Gegend mehrmals passiert. Und das ist jetzt nur eine handvoll Jahre her und nicht etwa in den 50er Jahren passiert, wie mancher vielleicht meinen könnte. Allerdings ist die Region nicht katholisch, sondern in den Ortschaften sind die meisten evangelisch.
Besonders dreist fand ich die Aussage, die Frau hätte doch bei dem Mann und Vater bleiben sollen, so schlimm könne es doch nicht gewesen sein. Es gibt ja so viele Gründe, warum man sich trennt. Häusliche Gewalt, ständiges Fremdgehen, sexuelle Nötigung, Spielsucht und sonstige Süchte beim Partner. Warum muss man das sich und den Kindern bitte zumuten und alles ertragen, selbst wenn man verheiratet ist? Da verstehe ich manche Leute echt nicht. So eine Ehe ist doch kein Grab! In einer Ehe oder Beziehung verpflichtet man sich, gut füreinander zu sorgen. Und zwar nicht als Einbahnstraße, sondern gegenseitig.
Das mit der Arbeit in einer kirchlich organisierten Firma ist wieder eine andere Sache. Die Bedingungen werden der Dame vermutlich schon bekannt gewesen sein, als sie den Job mit einem Vertrag angenommen hat. Und vermutlich ist sie auch kirchlich gebunden, sonst hätte sie meist so einen Job nicht bekommen. Denn die meisten kirchlichen Arbeitgeber fordern auch, dass man Mitglied in einer der dazu gehörigen Kirchengemeinschaften ist. Von daher ist das zwar nicht schön, aber wenn sie den Vertrag damals mit diesen Bedingungen unterschrieben hat, als noch kein Lebensgefährte in Sicht war, hat sie jetzt Pech. Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder man führt die Beziehung mit getrennten Haushalten weiter oder klagt vor dem Arbeitsgericht oder man heiratet. Alternativ kann man sich auch einfach woanders einen Job als Erzieher suchen und sein Lebensunterhalt bei einem toleranteren Arbeitgeber verdienen.
Ich denke, wenn man im katholischen Kindergarten arbeiten will, dann muss man sich an die Regeln halten, die die Glaubensgemeinschaft aufstellt. Da haben die Kirchen ihr eigenes Arbeitsrecht und das gilt dann halt. Ansonsten kann man sich ja auch einen anderen Job suchen. Denn warum arbeitet man im katholischen Kindergarten, wenn man diese Glaubenswerte gar nicht teilt? Man würde doch auch nicht im buddhistischen Meditationszentrum arbeiten, wenn man nicht daran glaubt und das lebt oder im Vegan-Bio-Laden, wenn man eigentlich liebend gerne Hack und Currywurst isst?
Als Linker arbeitet man nicht im Thor-Steinar-Szene-Shop und als Tierschützer lässt man sich nicht im Pelzwarenfachgeschäft anstellen. Eine Feministin arbeitet nicht beim Playboy und wer gern ganztägig bunte Punkerfrisuren trägt passt schlecht in eine Bank. Es gibt halt bestimmte Bereiche, wo man nicht nur einen Job macht, sondern auch eine Wertvorstellung verkörpert und da finde ich es ok, wenn man diese Wertvorstellung nicht hat, dass man dort auch nicht angestellt wird.
Nun im Allgemeinen ist eine sogenannte Wilde Ehe überhaupt nicht mehr verpönt. Ich bin jetzt 54 Jahre alt, und auch zu meiner Zeit an Twen war das schon nicht mehr so. Meine älteren Geschwister hatten so etwas noch erlebt, und ich allerhöchstens in meiner Kindheit. Ich sehe das ja mittlerweile andersherum und kann mich nur darüber lustig machen, wenn jemand heiratet, wo er doch wissen sollte, dass er statistisch gesehen in einigen Jahren sowieso wieder geschieden ist. Aber das ist eine andere Sache. Jeder kann tun und lassen, was er will, und in der Regel wird dies ja auch in unserer heutigen Gesellschaft anerkannt.
Man kann ja zu den Werten der katholischen Kirche stehen wie man will, aber in einem Punkt hat mein Vorredner ja Recht: Wenn man in der katholischen Kirche arbeiten will, dann kann man nicht entgegen ihrer Werte leben. Das geht nun wirklich nicht. S hat ja weniger mit irgendeinem Glauben zu tun, sondern mit dem Wertemanifest der Katholischen Kirche. Sie sieht eine wilde Ehe als eine Art Sünde an, und kann es sich nun wirklich nicht leisten, dies in ihrer eigenen Mitte zu dulden.
Ich denke nicht, dass das noch verpönt ist in der Gesellschaft. Wobei ich das durchaus normal finde, dass ein Arbeitgeber wie die Kirche auch niemanden haben möchte, der nicht nach deren Richtlinien und nicht im Glauben lebt. Es ist nun mal dann ein bisschen strenger, aber das weiß man, wenn man sich da bewirbt. Deswegen würde ich das nicht als Verpönen einer Lebensweise sehen, sondern einfach nur als Anforderung an einen Bewerber, die ja jeder Arbeitgeber hat.
Mittlerweile heiratet man ja auch gar nicht mehr zwingend und es gibt viele Paare, die ihr ganzes Leben zusammen sind, aber nicht heiraten wollen. Immerhin geht man damit ja auch Verpflichtungen ein, was ja nicht zwingend sein muss, wenn man sich in einer Beziehung einig ist.
Bisher habe ich zum Glück nicht die Erfahrung gemacht, dass unverheiratete Paare mit Kind noch benachteiligt werden und das finde ich auch gut so. Umso mehr überrascht es mich, dass es in anderen Gebieten anscheinend noch anders aussieht. Meine Eltern haben selbst erst sehr spät geheiratet, als ich schon erwachsen war und ich habe nie irgendwelche Nachteile bemerkt. In meiner Klasse gab es auch viele andere Elternpaare, welche schon ewig zusammen waren aber nicht verheiratet.
Ob jemand für sich persönlich den Trauschein als zwingend erachtet oder nicht bleibt in meinen Augen ihn selbst überlassen, allerdings finde ich es ein wenig lächerlich andere deshalb zu benachteiligen. Das ist in meinen Augen genauso, wie nach der Hautfarbe oder Religion zu urteilen. Nicht jeder der verheiratet ist für schließlich zwangsläufig eine bessere und sichere Beziehung, oft habe ich sogar Gegenteiliges erfahren.
Ich finde es schlimm heutzutage noch einen bestimmten Lebensstil aufzwingen zu wollen. Zum Glück kenne ich viele junge Christen, die das genau so sehen wie ich, so dass ich hoffe, dass sich das in den nächsten Generationen noch ändern wird und das hauptsächlich von älteren Generationen ausgeht.
Derartige Benachteiligung kommt doch immer noch vor, das hat nicht unbedingt etwas mit der Arbeit bei einer kirchlichen Einrichtung zu tun. Bei meiner letzten Wohnungssuche war es zum Beispiel so, dass verheiratete Paare oder Singles meinem Partner und mir ständig bevorzugt worden sind, gerade bei privaten Vermietern. Dabei standen wir finanziell oft besser da und hatten auch die gesicherten Jobs und Arbeitsverträge. So wurde einmal zum Beispiel eine Azubine bevorzugt, bei denen man ja nie wüsste, ob die auch das Geld für die monatliche Miete hätte und da nicht im Verzug kommen würde. Mein Partner und ich konnten beide eine positive Schufa vorweisen und hatten immer die Miete pünktlich gezahlt.
Ich sprach dann auch mit meiner Tante darüber gesprochen, die meinte, dass sie dieselben Erfahrungen gemacht hätte wie wir und dabei wohnt sie in einem ganz anderen Teil Deutschlands, der gar nicht religiös geprägt ist. Sie meinte auch, dass oft Familien bevorzugt worden wären, teilweise mit Kindern oder eben Singles. Aber unverheiratete Paare hätten kaum Chancen auf dem Wohnungsmarkt, weil sich bei vielen Vermietern eben das Vorurteil festgesetzt hätte, dass unverheiratete Paare nichts langfristiges suchen und die hätten wohl keine Lust auf den Stress, wenn es kurz nach dem Einzug zur Trennung kommt, sich einer von beiden die Wohnung nicht mehr alleine leisten kann und man dann noch mal nach neuen Mietern suchen muss.
Das ist in meinen Augen kompletter Unsinn und nicht mehr zeitgemäß. Auch Ehen können innerhalb kurzer Zeit scheitern und es ist ja keine Garantie, dass eine Beziehung hält, nur weil ein Trauschein vorhanden ist und vielleicht noch ein kleines Kind (berühmtes Beispiel, siehe Lombardis). Meine Tante hat aus diesem Grund (als unverheiratete mit Partner) nur über Genossenschaften eine Wohnung finden können. Die zig privaten Vermieter, wo sie Wohnungen besichtigt hatte, haben sie ständig abgelehnt und ich habe leider dieselben Erfahrungen machen müssen.
Na klar kommt das vor, auch wenn man das nicht immer auf das Butterbrot geschmiert bekommt. Eine Ehe ist halt Sicherheit auch für einen Vermieter. Da kann man sich nicht von heute auf morgen trennen und als Vermieter hat man das nachsehen nach seinem Geld, sondern die Scheidung dauert mit dem Trennungsjahr. Daher wird man auch nicht gerne als Mieter gesehen wenn man als Paar einziehen möchte, aber nur einer im Mietvertrag stehen soll. Denn oftmals ist es so, dass sich einer alleine die Wohnung gar nicht leisten kann. Geht die Beziehung dann die Brüche und der nicht im Vertrag steht zieht aus, dann wartet der Vermieter vergeblich auf seine Miete.
Ich bin dort ebenfalls Vorsichtig als Vermieter und achte auch darauf, dass beide unverheirateten auch Vertragspartner im Mietvertrag sind. So kann man sich auch bei einer Trennung nicht von seiner Zahlungsverpflichtung direkt entziehen und entsprechend haben bei mir auch beide im Vertrag zu stehen. Bei verheirateten reicht mir auch einer davon aus.
Auch ist es kein Geheimnis, dass man hier schon verloren hat auf dem Wohnungsmarkt wenn man Kinder oder Haustiere hat. Hat man beides dann findet man hier so gut wie nichts, egal ob man einen Trauschein in der Tasche hat oder auch nicht. Zu manchen Wohnungen bekommt man auch nur Zugang wenn man einen Trauschein vorweisen kann, da die katholische Kirche hier auch viele Grundstücke mit Wohnungen hält und man sich ohnehin die Wunschmieter aus einer ellenlangen Liste aussuchen kann und nicht den erstbesten nehmen muss.
Warum es richtig sein sollte, dass die Kirche einem als potentieller Arbeitgeber vorschreibt wie man Privat zu Leben hat ist auch nicht mehr Zeitgemäß und schon lange nicht mehr die Regel überall so. Da gibt es durchaus auch aufgeschlossene Bereiche und andere halten an ihrem Altmodischen Kram fest, wie überall und in jedem Bereich.
Aber z.B. setzt die Kirche als Erzieher hier nur noch voraus, dass man getauft worden ist aber ob man einen Trauschein hat oder nicht spielt dabei gar keine Rolle mehr. Auch wenn ich das Taufen ebenfalls als eine persönliche Entscheidung ansehe, hat man damit nicht die Rechte und Pflichten die man eingeht wie z.B. mit einer Ehe. Das ist dann schon einmal ein ganz anderes Kaliber und nur für eine Arbeitsstelle würde ich mir sicherlich nicht den Ring zum Knechten anlegen lassen.
Ich würde nicht sagen, dass eine "wilde Ehe" verpönt ist, aber es kommt eben darauf an, wo man letzten Endes leben möchte. Wer natürlich den Katholiken fragt wird feststellen, dass er wilde Ehen verpönt oder jedenfalls der größte Teil. Die sind aber auch so verbohrt, das ist natürlich nicht das Problem deiner Bekannten, die eben in wilder Ehe lebt. Sie hat leider nur die "Arschkarte".
Muss aber trotzdem sagen, dass ich das als Diskriminierung laut Grundgesetz empfinde. Denn ob ich in wilder Ehe lebe oder nicht, das spielt keine Rolle, wenn ich meine Miete ordnungsgemäß zahle. Wenn ich jedoch genau deswegen abgelehnt werde, empfinde ich das diskriminierend. Immerhin sollen wir Menschen doch trotz Religion, Sexualität, Lebensweise & Co gleich behandelt werden, was man hier natürlich nicht so sehen kann. Aus allem wird ja bekanntlich ein Fass aufgemacht, würde ich hier im Ernstfall dann extra auch tun!
Wilde Ehen sind natürlich nur dann verpönt, wenn man selber am besten hochgeschlossen der katholischen Regeln folgt. Dann klar. Da ist Ehe, Kinderzeugen & Co vorgesehen und nicht Lesben, Schwule, nicht verheiratete etc. Armselig ist das für mich.
Mein Partner und ich haben im letzten Jahr bei der Wohnungssuche tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass man einem Ehepaar den Vorzug gibt. Ein Vermieter gestand bei der Besichtigung, dass er wirklich lieber ein verheiratetes Paar als Mieter hätte - mit der Begründung, dass man sich in einer Beziehung ohne Trauschein ja jederzeit einfach so trennen könne, egal wie lange die Beziehung schon läuft. Das fand ich fast schon zu kurios um eine Diskussion darüber zu starten - als würde die Ehe mich im Härtefall davon abhalten, den Partner kurzerhand zu verlassen.
Und ob ein Pärchen, dass sich seit drei Jahren kennt und eines davon verheiratet ist so viel verlässlicher sein wird als ein unverheiratetes, dass seit 11 Jahren zusammen ist, möchte ich auch bezweifeln. Noch kurioser war aber, dass die Vermieter aber zugleich Bedenken bei verheirateten Paaren hatten, da diese alsbald Nachwuchs produzieren könnten und für die Wohnungen bevorzugte man kinderlose Paare. Man soll also ordentlich verheiratet sein, zugleich aber bitte nicht an Kinder denken. Irgendetwas war immer falsch.
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung 1072mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Rubbelfeld · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung
- Palmen für die Wohnung 3015mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Dreddi · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Palmen für die Wohnung
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun? 1862mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: helgak62 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun?
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel? 1358mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Wawa666 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel?