Wieso sind moderne Kunstwerke oft so riesig?
Ich mag es nicht, wenn Bilder so groß sind, dass sie erst von Weitem ihre Wirkung entfalten. In der Münchener Pinakothek der Moderne hängen zum Beispiel Bilder von Anselm Kiefer oder Georg Baselitz und im Museum Brandhorst, ebenfalls in München, ist ein großer Raum mit riesigen Bildern von Cy Twombly bestückt, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Für seine moderneren Werke muss Gerhard Richter auf eine Leiter steigen, damit er sie überhaupt malen kann. Mir gefallen die älteren, nicht abstrakten Werke von ihm wesentlich besser.
Habt ihr auch den Eindruck, dass die Künstler immer monumentalere Werke schaffen? Warum ist das wohl so? Gefallen euch riesige Bilder? Oder mögt ihr so wie ich auch lieber Bilder in "normaler" Größe, die man auch von Nahem betrachten kann?
Das Letzte, woran ich den künstlerischen Wert und Kunstgenuss von bildender Kunst festmachen würde, ist die Größe in Quadratmetern. Genausogut könnte man ein Buch nach der Dicke beurteilen und kritisch fragen, wieso eine Fantasy-Schmonzette immer 600 Seiten umfassen muss, wo Goethes Werther doch mit sparsamen 150 Seiten ausgekommen ist. Oder sich fragen: Wieso ist der Ringzyklus von Wagner mit 16 Stunden netto an Gesang und Gefiedel denn so lang? Weil der Komponist es so wollte, nehme ich an?
Ich kann mit "Bildern" im Allgemeinen, egal ob groß oder klein, Renaissance oder 21. Jahrhundert, von meinem Naturell her nicht viel anfangen. Hin und wieder verirre ich mich zwar durchaus in ein Kunstmuseum oder eine Ausstellung und gebe mir auch redlich Mühe, die Werke dann auf mich wirken zu lassen. So viel Grips habe ich auch, um zu kapieren, dass es bei Kunst nicht nur um die mehr oder weniger virtuose Abbildung der Realität geht. Aber ich habe mir noch nie gedacht: Igitt, das ist mir aber zu groß! Schließlich hat der Künstler oder die Künstlerin das Werk nicht dazu geschaffen, dass es dekorativ an die Wand in meinem Wohnzimmer passt, auch wenn ich mir über den eigentlichen Schöpfungsgrund häufig nicht so ganz im Klaren bin. Aber nur weil ich etwas nicht kapiere, ist es deswegen ja nicht sinnlos oder "schlecht."
Gerbera hat geschrieben:Oder sich fragen: Wieso ist der Ringzyklus von Wagner mit 16 Stunden netto an Gesang und Gefiedel denn so lang? Weil der Komponist es so wollte, nehme ich an?
Wenn ich mich recht erinnere, ist es bei Wagners Ring auch zum Teil einer gewissen kreativen Weitschweifigkeit zu verdanken, dass es vier lange Opern geworden sind. Soweit ich weiß, wollte Wagner eigentlich zunächst nur eine einzelne Oper zum Thema "Siegfrieds Tod" komponieren, aber er fand, man müsse auch die Geschichte davor und danach mit in die Oper einbeziehen. Und so ist zunächst der Text immer länger und umfangreicher geworden. Und weil der Text von ihm selbst stammte (und wahrscheinlich für gut befunden wurde), hat er ihn dann beim Komponieren auch nicht mehr oder nur wenig gekürzt.
Die ganze weitschweifige Handlung mit den ausgiebigen, auskomponierten Gesprächen und Diskussionen der diversen handelnden Personen haben dann schließlich vier komplette umfangreiche Opern ergeben. Das hätte man sicher auch erheblich kürzen oder straffen können, aber Wagner wollte (oder konnte?) das eben nicht.
Was hat die Größe eines Bildes denn mit der Qualität zu tun? Und warum ist ein Bild schlechter wenn ich weiter weg gehen muss um es im Gesamten auf mich wirken lassen zu können? Und warum muss man überhaupt unbedingt immer weiter weg gehen?
Ich war vor einigen Jahren in einer Ausstellung zum Thema Fotorealismus und direkt das erste Bild war riesig, man dachte das sei eine Fototapete, als man den Raum betreten hat. Richtig gewirkt hat das Bild auf mich dann tatsächlich erst als ich näher ran gegangen bin und gesehen habe, dass das kein Fotodruck ist sondern mit Acrylfarbe gemalt. Aus der Ferne war es ein nettes Bild, von Nahem war es ein Kunstwerk.
Aber wenn wir uns mal ganz naiv und frei von Kunstkritik und subjektiver Meinung mit deiner Frage befassen gibt es sicher Gründe. Zum Beispiel, dass die Materialien heute günstiger sind. Acryl auf Leinwand kannst du dir selbst als Kunststudentin im Großformat leisten, der reine Materialwert dieser Bilder ist nicht besonders hoch. Als man sich die Ölfarben noch aus teilweise seltenen Pigmenten zusammen mischen musste war das anders.
Oder natürlich die Frage für wen oder was man gemalt hat. Natürlich wurde auch früher schon im Großformat gemalt, es gab Maler, die ganze Kirchen ausgemalt haben, aber die meisten Auftraggeber wollten wohl eher was für die heimische Galerie. Für Museen oder Sammler hat man früher wohl eher nicht gemalt.
Und zum Schluss doch noch ein bisschen Kunstkritik und subjektive Meinung von mir: Es gibt Bilder, die tatsächlich eine gewisse Größe brauchen um zu wirken. Ich werde dir jetzt nicht mit moderner Malerei und der Wirkung von Flächen und solche Sachen kommen sondern mit Claude Monet. Seerosenserie. Ich hatte so viele Abbildungen davon gesehen, nett, aber nicht unbedingt mein bevorzugter Stil.
Und dann habe ich die Bilder in Paris im Museum gesehen, in Räumen, die speziell für diese Bilder gestaltet wurden. Und die Wirkung war überwältigend, die Postkarten und Kalender und Poster und was es sonst noch so gibt, haben die Wirkung in Originalgröße überhaupt nicht einfangen können.
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