Wieder zurück ins Leben finden müssen?

vom 18.10.2015, 22:31 Uhr

Ich habe vor kurzem einen Beitrag im Fernsehen gesehen, in dem es um eine depressive Frau ging. Sie ist wohl nun auf dem Weg der Besserung, wobei auch gesagt wurde, dass sie nun versucht, wieder zurück ins Leben zu finden. Während ihrer schlimmsten Zeit hatte sie sich völlig abgeschottet und niemanden mehr an sich herangelassen, so dass sie am Leben vorbeigelebt haben soll.

In welchen Fällen sagt man allgemein, dass jemand wieder zurück ins Leben finden muss? Musstet ihr schon einmal wieder zurück ins Leben finden? Wie schwer fiel euch das?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich musste vor einigen Jahren wieder zurück ins Leben finden. Meine Vergangenheit hat mich dermaßen eingeholt und gelähmt, dass ich über mehrere Wochen hinweg nur noch funktioniert habe, aber nicht mehr gelebt habe. Meine Gefühle waren eingefroren, ich habe an sich nur noch gearbeitet und zu Hause habe ich mich dann endgültig abgeschottet. Irgendwann habe ich mich dann wieder zurückgeholt und dann ging es mir auch wieder besser.

Ich denke, dass es viele Konstellationen gibt, bei welchen sich Menschen wieder zurück ins Leben holen müssen. Opfer von Gewalt, Menschen mit einer harten Vergangenheit, traumatisierte und depressive Menschen oder aber normale, gesunde Menschen, die einen gewaltigen Schlag abbekommen haben; sie alle kann es treffen und sie müssen sich ins Leben zurückkämpfen.

Für mich war es damals recht schwer, ich musste mich regelrecht dazu zwingen wieder raus zugehen. Ich wollte es nicht, aber irgendwann habe ich eine Routine eingeführt und bin einem Sportverein beigetreten und dann musste ich raus. Das war auch gut so, sonst hätte ich mich nur noch weiter eingemummelt und wäre aus dem Loch wahrscheinlich nie mehr heraus gekrochen.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12582 » Talkpoints: 9,16 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Mich hatte der Tod meines Opas sehr mitgenommen. Ich war völlig fertig, habe zwar meine Aufgaben erledigt, aber ich war einfach nicht mehr ich selbst, habe viel geweint und nachgedacht. Irgendwann wollte ich aber einfach nicht mehr so sein, dass hätte er sich auch nicht gewünscht, denn er war ein froher Mensch. Ich habe mich dann wieder zurückgekämpft und bin nun wieder wie vorher, natürlich fehlt er mir, aber ewige Trauer bringt ja nichts.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann mit solchen Floskeln immer wenig anfangen. Nach meinem Eindruck gibt es eine Handvoll Phrasen, die in den Medien immer verwendet werden, wenn es um einen wie auch immer gearteten Schicksalsschlag geht. Anstelle dass man die Betroffenen selber zu Wort kommen und schildern lässt, wie sie ihre Situation empfinden, haut man immer die gängigen Klischees heraus.

Entweder es bleiben "Narben auf der Seele", oder bei physischen Folgeschäden heißt es durch die Bank "Trotz seiner Behinderung hat sich XY seine Lebensfreude bewahrt." Und wenn jemand lange in der Reha war oder sonst irgendwie im Job oder in der Öffentlichkeit pausiert hat, musste die Person eben "zurück ins Leben finden". Irgendwas muss man schließlich schreiben oder aus dem Off kommentieren.

Ich musste wie die meisten Menschen, die schon ein paar Jahre leben, ebenfalls Schicksalsschläge einstecken, nach denen ich erst einmal keine Lust auf Party und Geselligkeit hatte, sondern mich erst einmal in der Einsamkeit neu sortiert habe. Ich würde aber nicht behaupten, danach wieder ins Leben zurück gefunden zu haben. Krankheit und Trauer sind genauso ein Teil des Lebens wie Zirkus und Halligalli. Was sollten sie auch sonst sein?

Deswegen halte ich es für ziemlich bescheuert, wenn man nur die geselligen und positiven Seiten des Lebens wahrnehmen will und so tut, als seien Menschen, denen es gerade aus welchen Gründen auch immer schlecht geht, quasi aus dem Leben gefallen, nur weil ihnen nicht die Sonne aus dem Allerwertesten scheint.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Das sehe ich ebenfalls so und was hier genannt worden ist, geht doch einfach nur in die Richtung einer Phase und nichts was man nun wirklich als dieses betiteln könnte. Für mich wird das hier auch nur einfach missbraucht und daraus dann etwas eigenes gemacht. Jemand der sich ins Leben zurück kämpft, der muss vorher schon Tod gewesen sein, ansonsten klappt das nicht. Nur ein wenig heulen, Aufgaben erledigen und in Selbstmitleid suhlen weil jemand den Löffel abgegeben hat, ist das noch lange nicht auch wenn man selbst sich da mit als den Helden küren möchte, dass man es geschafft hat die vier Trauerphasen zu bewältigen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Meiner Oma ist es mal passiert, dass sie nach einer längeren Zeit, in dem sie an Krebs litt, plötzlich wieder geheilt war. Das war in sofern auch schwierig, weil die Ärzte eigentlich sagten, dass sie diesen Krebs nicht überleben würde und sie deswegen die Hoffnungen schon aufgegeben hatte.

Als es dann aber plötzlich doch hieß, dass sie geheilt sei, fand meine Oma es erst schwierig, dies zu akzeptieren und auch zu begreifen. Denn wenn jemand eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen hat und es dann plötzlich doch weiter geht, kann ich mir vorstellen, dass man sich erst wieder daran gewöhnen muss. Auf jeden Fall musste meine Oma dann auch erst wieder ins Leben zurückfinden und fing dann nach und nach an, jeden Tag wieder zu genießen und auszukosten.

Auch bei depressiven Menschen, wie in dem oben geschilderten Fall, kann ich mir vorstellen, dass diese wieder zurück ins Leben finden müssen. Bei der Mutter meiner ehemaligen Klassenkameradin war es der Fall, dass ihr Mann nach vielen Ehejahren plötzlich bei einem Autounfall gestorben ist und sie höchstgradig depressiv geworden ist. Irgendwann hat sie aber den Mut gefasst, sich für das Leben zu entscheiden und hat allmählich gelernt, mit diesem schweren Schicksal zu leben und es auch anzunehmen.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich persönlich kann von mir glücklicherweise nicht behaupten, dass ich schon mal zurück ins Leben finden musste. Jedenfalls nicht in Richtung des folgenden Beispiel. Ich gehe dabei nicht von einer Lebensphase aus, sondern schon von etwas, was einen grundlegend verändert hat und das ist meist nichts Gutes.

Mein angeheirateter Onkel hatte vor kurzem einen zum Glück nur leichten Schlaganfall. Nachdem er behandelt wurde und am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen wurde, würde man ihm nicht ansehen, dass er einen Schlaganfall hatte. Lediglich, wenn man weiß, dass es so war, achtet man auf die Feinheiten beim Reden, Lächelt etc. Er muss jetzt in Reha und danach auch wieder zurück ins Leben finden.

Er ist Handwerker und kann nicht mehr ganz so geschickt mit der Hand umgehen wie vorher, jedenfalls noch nicht. Auch hat er viele Hobbies, bei denen man etwas Fingerfertigkeit braucht. Das alles muss er nun wieder lernen. Ich denke da kann man von einem Zurückfinden ins Leben sprechen.

» Antalis » Beiträge: 539 » Talkpoints: 0,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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