Wie ungesund sind harmonische Partnerschaften?

Ich las kürzlich einen Artikel, in dem es hieß, dass eine Beziehung, in der niemals gestritten wird, total ungesund sei und dass es daher besser wäre, wenn man ab und zu wenigstens streiten würde. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass absolut harmonische Beziehungen, in denen grundsätzlich nicht gestritten wird, absolut ungesund sind. Wie denkt ihr darüber? Meint ihr, dass da was dran ist oder seid ihr anderer Meinung? Wie sind eure Beobachtungen und Erfahrungen zu diesem Thema?

Warum sollte eine Partnerschaft, in der nicht gestritten wird, per se ungesund sein? Es kommt doch nicht darauf, dass nicht gestritten wird,. Es ist wichtig, warum nicht gestritten wird. Wenn einer sein Ding macht und der andere resigniert, ist das zumindest für einen ungesund. Wenn einer oder beide sich aus Angst vor Streit total verbiegen, kann das auch nicht gut sein. Über die Kombination, in der einer aus Angst vor dem anderen nichts sagt, brauchen wir nicht zu reden.

Aber was soll ungesund daran sein, wenn ein Paar eine Diskussionskultur entwickelt hat, die Probleme und gegensätzliche Interessen ohne Streit löst? Streit ist doch kein Qualitätsmerkmal für körperliche und geistige Gesundheit. Wenn niemand sich verbiegen muss und nicht immer nur einer verzichtet, dann läuft es doch. Wie man diesen Zustand erreicht und pflegt, das ist doch egal.

Also ich kann nicht behaupten, dass es prickelnd ist, wenn in einer Partnerschaft gestritten wird. Ich finde eher, dass die Streitereien auf Dauer eher nerven und einer Partnerschaft schaden können. Man muss sich wieder versöhnen und irgendwie bleibt aber danach wieder ein schaler Nachgeschmack über und man hofft dann immer, dass es doch der letzte Streit gewesen sein möge.

Ich halte den Umkehrschluss für falsch. Das Gegenteil von Liebe ist schließlich auch nicht (nur) der Hass, sondern eher die Gleichgültigkeit. Und es gibt unterschiedliche Gründe, weswegen in einer Beziehung nicht gestritten wird, außer dass alles so supertoll läuft, dass es keinen Grund zum Streiten gibt.

Beispielsweise kann es ja auch sein, dass sich ein Paar schon lange nichts mehr zu sagen hat, und zwar nicht streitet, aber dafür eben gleichgültig nebeneinander her lebt, weil es finanzielle Vorteile hat oder bequemer ist als die Trennung. Man hasst sich nicht und geht deswegen aufeinander los, dass die Fetzen fliegen, aber von Liebe ist eben auch gar keine Spur. Ich will beispielsweise gar nicht wissen, bei wie vielen Paaren einer fremdgeht und die andere Partei es nicht nur stillschweigend hinnimmt, sondern sogar insgeheim ganz froh ist, nicht mehr mit Avancen belästigt zu werden. Klingt das etwa gesund?

Oder das Machtgefälle in einer Partnerschaft ist so ausgeprägt, dass es gar keinen Streit geben kann, weil sowieso nur einer das Sagen hat. Wenn sich eine Hälfte nur unterordnen kann, weil die Abhängigkeit zu groß ist und es den Ärger nicht wert ist, seine eigene Meinung durchzusetzen, dann kann man auch stolz behaupten: Wir streiten nie! Klar, wenn er/sie nicht zu Wort kommt oder riskiert, ohne einen Cent abgeschoben zu werden, ist es einfach, nicht zu streiten.

Von daher würde ich also nicht davon ausgehen, dass alle Beziehungen, in denen gestritten wird, supertoll sind, aber umgekehrt eben auch nicht, dass alle Beziehungen, in denen nicht gestritten wird, dies aus Harmoniegründen ausbleibt.

Wenn die Partnerschaft nur deshalb harmonisch ist weil der eine immer zurücksteckt aus Angst vor einem Streit ist das auf Dauer sicher nicht gesund. Aber was ist mit den Paaren, die irgendwann mal gelernt haben, dass man Meinungsverschiedenheiten auch ohne Streit klären kann?

Die Frage wäre natürlich auch, wer überhaupt beurteilt, welche Partnerschaft harmonisch ist und welche nicht. Ich habe mich zum Beispiel noch nie mit meinem Partner gestritten, aber wir hatten schon sehr lange Diskussionen. Und ich treffe immer wieder mal auf Leute, die den Unterschied zwischen einer Diskussion und einem Streit überhaupt nicht kennen, meistens weil sie selber nicht in der Lage sind in einer Diskussion sachlich zu bleiben. Die würden meine Beziehung sicher nicht als harmonisch bezeichnen.

Die These, dass Streit einer Beziehung gut tun würde, habe ich tatsächlich schon öfter gehört. Basiert meiner Meinung nach auf der Annahme, dass man sich nur in einem Streit richtig aussprechen kann. Aber wenn man bestimmte Themen nicht ohne Streit ansprechen kann ist das doch nun wirklich kein Zeichen einer gesunden Beziehung, oder?

Ich hätte eine harmonische Partnerschaft gar nicht so definiert, dass nie gestritten wird. Ich mag keine Streits, aber dass man hin und wieder nicht einer Meinung ist oder nicht völlig zufrieden mit den Aktionen der anderen Person, ist nichts ungewöhnliches, noch deutet es auf eine problematische Partnerschaft hin.

Ich finde nicht, dass man viel streiten sollte, das wäre echt nichts für mich, aber noch wichtiger als gar niemals aneinander geraten ist doch, wie beide damit umgehen und wie so ein Streit endet. Ignorieren und stumm böse aufeinander sein finden wir beide grässlich, dann wird die Sache eben ausdiskutiert, bis jeder den Standpunkt des anderen verstehen kann oder einem eben klar wird, dass das Verhalten so nicht richtig war.

Ich kann keine anderen Partnerschaften beurteilen, jedenfalls nicht gut genug um zu wissen, ob da oft, selten oder nie gestritten wird. Dass man mit einer Person auf alle Ewigkeit in völliger Harmonie lebt, kann ich mir irgendwie schwer vorstellen und wäre auch nicht mein erklärtes Ziel.

Wenn man miteinander die Dinge bespricht, die einem wichtig sind, dann ist es eine gesunde Beziehung. Sollte man über diesem offenen Austausch nicht in Streit geraten finde ich das gut und Menschen, die immer miteinander streiten sollten meiner Meinung nach nicht zusammen sein. Harmonische Beziehungen sind in meinen Augen Beziehungen, die länger halten und in denen man zufrieden ist.

Ungesund finde ich es nicht. Man kann ja dennoch zufrieden und glücklich sein. Sich ständig zu streiten finde ich viel lästiger. Ehrlich gesagt bin ich lieber mit jemanden zusammen, der die meisten Dinge so sieht wie ich und mir sehr ähnlich ist als mit jemanden, der alles anders sieht und mit dem ich ständig diskutieren muss.

Wenn man sich wirklich nie streitet, kann das ein Zeichen dafür sein, dass man Streitpunkte einfach nicht anspricht, weil man Angst hat, dass es dann eben zur Diskussion kommt, die der Beziehung schaden könnte. Viele Menschen sprechen ja nicht immer an, wenn sie etwas stört, weil sie Angst haben, dass der Haussegen dann schief hängt. Stattdessen fressen sie alles in sich rein und sind im Endeffekt unglücklich. Das kann natürlich auch der Beziehung schaden und eben auch noch mehr, als wenn man sich hin und wieder mal zankt.

Es ist absolut nicht schlimm, wenn man mal unterschiedlicher Meinung ist, sich mal zofft, in den Haaren liegt und auch streitet. Das gehört eben auch zu einer Beziehung dazu und schadet ihr auch nicht weiter, solange das nun auch nicht ständig vorkommt und man sich danach auch wieder versöhnt. Von daher sollte man eben nicht gezwungenermaßen auf harmonische Beziehung machen, wenn einen insgeheim doch viele Sachen stören.

Wenn es aber wirklich nichts gibt, worüber man sich streiten oder diskutieren könnte und man sich deshalb nie zofft, weil man mehr oder weniger immer der gleichen Meinung ist oder sich direkt arrangieren kann, ist das doch auch etwas Tolles. Wichtig ist nur, dass man eben Sachen, die einen stören, direkt anspricht. Wenn man das tut und beide völlig locker damit umgehen, so dass es nicht zum Streit kommt oder wenn es gar keine Sachen gibt, die einen stören, ist das auch völlig in Ordnung und in einem solchen Fall ist eine harmonische Beziehung dann auch alles andere als ungesund, wie ich finde.