Wie steht ihr zu Werbeverbot für Abtreibungen §219a?
Es wurde ja entschieden, dass die Ärzte und Krankenhäuser keine Werbung für Abtreibungen machen dürfen. Das einzige, was gemacht werden darf ist, darüber zu informieren, dass Abtreibungen vorgenommen werden. Das darf aber, so wie ich es gehört habe nicht als Werbung gemacht werden, sondern nur als mündliche Information, wenn eine Schwangere von Abtreibung spricht und vor hat ihr Kind nicht zu bekommen.
Denkt ihr, dass es besser wäre für die Frau, wenn sie direkt wüsste, wo sie hingehen soll und wo eine Abtreibung vorgenommen wird? Denkt ihr, dass Werbung notwendig ist oder ist für euch die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch tabu? Denkt ihr, dass Ärzte bestraft werden müssen, wenn sie Werbung machen?
Ich finde das Verbot irre! Es geht schließlich nicht um Werbung im Sinne von Broschüren, Plakaten oder beklebten Straßenbahnen. Es geht im Prinzip nur um den Hinweis Schwangerschaftsabbruch auf einem Schild oder der Website. Und da finde ich es irre und auch unfair den Patientinnen gegenüber.
Denn erstens sollte eine Frau in einer solchen Ausnahmesituation leicht eine Praxis finden. Zweitens sollte eine Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch ablehnt, auf Wunsch, und ohne erst fragen zu müssen, selbst entscheiden können, ob sie lieber eine andere Praxis besuchen möchte. Ich finde diese Bevormundung von Frauen ätzend.
Wenn ich zu meiner Zahnärztin gehe, hängt in der Praxis ein Schild, das den kompletten Leistungsumfang zeigt. Da wird im Rahmen des normalen Werbeverbots für Ärzte dezent auf Bleaching, Zahnreinigung, Wurzelbehandlungen mit was auch immer und so weiter hingewiesen.
Sitze ich bei meinem Frauenarzt, liegen Mappen aus, die seitenweise erläutern, welche zusätzlichen Untersuchungen der Doktor anbietet, dass er Schamlippen verkleinert, Brüste strafft oder vergrößert und Jungfernhäutchen wiederherstellen kann. Wo läge das Problem, wenn da noch Schwangerschaftsabbruch stünde?
Ich finde es ja schon irre, dass der Abbruch verboten bleibt, und frau unter bestimmten Bedingungen straffrei ausgeht. Als ob Betroffene sich nicht so schon schlecht genug fühlen würden. Und dann darf der Doktor nicht "werben", weil das die Bereicherungsabsicht anzeigt. Als ob man mit Abbrüchen das dicke Geld machen würde. Wer arbeitet denn umsonst?
Wie sollte Werbung - das bedeutet verkaufsfördernde Informationen! - für einen Schwangerschaftsabbruch denn überhaupt aussehen? Bei zwei Abtreibungen gibt es die dritte gratis? Bei uns bekommen sie die besten Abtreibungen? Abtreibungen als neues "must have" der Saison?
Es geht hier schlicht und einfach um Informationen über einen medizinischen Eingriff. Ich werde mich nicht für eine Abtreibung entscheiden nur weil meine Frauenärztin die anbietet. Genauso wenig, wie ich mich für ein künstliches Hüftgelenk interessiere nur weil auf der Webseite meines Orthopäden steht, dass er zu dem Thema eine spezielle Sprechstunde hat.
Wenn man diesen absurden Paragraphen beibehalten will sollte man sich erst mal mit dem Begriff der Werbung auseinandersetzen und diesen Begriff im medizinischen Kontext klar definieren.
Vielleicht geht es beim Verbot darum, dass man Angst hat, es könnten zu viele Frauen sich einer Abtreibung unterziehen. Wahrscheinlich geht man davon aus, dass mehr Frauen das Kind bekommen, wenn nicht gezielt die Möglichkeit angeboten wird, sich über den Schwangerschaftsabbruch zu informieren. So habe ich es zuerst auch verstanden, dass da geworben wird, also das als etwas Gutes hergestellt wird. Aber wenn hier lediglich ein Link zu einer Information gegeben wird, finde ich so etwas durchaus moralisch vertretbar und denke nicht, dass es hier ein Verbot braucht.
Außerdem hätten es wirklich viele Kinder besser, wenn sie gar nicht erst geboren worden wären. Lieber keine Mutter als eine schlechte Mutter, sage ich immer. Denn für ein ungewolltes Kind ist das Leben auch sehr schlimm und es kann sein, dass es ein Leben lang psychische Schäden davon trägt. Außerdem sollte es einer Frau frei gestellt sein, wie sie sich entscheidet. Denn es ist ihr Körper. Außerdem gibt es auch noch leider die Dunkelziffer derjenigen, die zum Sex gezwungen wurden und eigentlich gar nicht wollten. Schon alleine denjenigen gegenüber finde ich es nur fair, dass sie sich informieren können.
Bevor in eine Diskussion eingetreten wird, sollte man erst einmal den Gesetzestext angesehen haben:
Gesetzestext Paragraph 219a. Bemerkenswert finde ich die einleitende Formulierung:
"...seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise..."
Darum geht es doch im Kern. Das wird mit Sicherheit bei der Gesetzesnovelle beibehalten bleiben.
Cloudy, der Werbegriff für den 219a ist der simpelste Ansatz, den es gibt. Wenn ich an meinen Bauernhof schreibe "Eier", dann erfährt der geneigte Kunde, dass ich Eier habe und die auch verkaufe. Das genügt, um als Werbung zu gelten. Und weil ich die Eier verkaufe, möchte ich mich natürlich bereichern. Also möchte ich einen Vermögensvorteil erlangen.
Das ist für fast jede Tätigkeit erlaubt und auch Ärzte dürfen das. Nur beim Schwangerschaftsabbruch da geht das nicht. Da gilt dieser ganz enge Ansatz für Werbung und da ist der verboten.
Im konkreten Falle der klageführenden Ärztin geht es eigentlich nur um die Veröffentlichung im Internet. Im Internet darf eben nicht alles gesagt werden.
Aber:
(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
Da ist es wiederum erlaubt. Die Frage, ob es zwingend notwendig war, auf der Internetseite der Ärztin Hinweise der angegebenen Art zu machen unter stringentem Ausschluss der Schleichwerbung, das ist hier die knifflige Rechtslage. Welchen Nachteil hätte die genannte Ärztin konkret zu erwarten gehabt, hätte sie auf als verboten geltende Werbung verzichtet. Hätte ihr nicht der Eintrag in der Liste der Kassenärztlichen Vereinigung genügt?
Gorgen, wie hoch möchtest du denn bitte die Hürde für Betroffene legen? Nicht jede Beratungsstelle gibt eine Liste mit. Und in vielen Regionen findest du keine Klinik, die den Eingriff vornimmt und auch kaum Praxen. Wem gegenüber sollen sich Frauen denn noch alles offenbaren?
Da steht die Konfliktberatung aus, die man in einem dörflichen Umfeld vielleicht lieber anderswo macht. Gut, die ist nicht unvernünftig. Dann kommt für viele Frauen die Krankenkasse, weil das Einkommen nicht reicht. Und dann müssen viele einfach Praxen anrufen, wo nicht immer nett reagiert wird, oder die Seiten von Abtreibungsgegnern nutzen, um Adressen zu finden.
Und dass es jetzt eine Liste geben soll, das ist ein Witz. Das wäre längst gegangen. Auf Länderebene sprach da nichts gegen. Aber man unterstellt Frauen eben immer noch, dass diese hilflosen Geschöpfe nicht mehr richtig verhüten und in Massen abtreiben, wenn man ihnen nur erzählt, so das geht.
cooper75 hat geschrieben:Cloudy, der Werbegriff für den 219a ist der simpelste Ansatz, den es gibt. Wenn ich an meinen Bauernhof schreibe "Eier", dann erfährt der geneigte Kunde, dass ich Eier habe und die auch verkaufe. Das genügt, um als Werbung zu gelten.
Klar. Weil du in diesem Fall bei dem Kunden einen Kaufimpuls auslösen könntest, was laut Definition das Ziel von Werbung ist. Aber wie passt das auf eine medizinische Leistung? Das ist ja keine Schönheitsoperation oder irgendwas in der Art.
Für Schönheitsoperationen und andere Eingriffe gelten "nur" die Beschränkungen der Berufsordnung und das Wettbewerbsrecht sowie das Heilmittelwerbegesetz. Und das ist immer liberaler geworden. Sachliche und berufsbezogene Informationen sind da schon immer erlaubt.
Denn, nur dann könne der Patient sein Recht auf freie Arzt- und Behandlungswahl wahrnehmen, sagt der Gesetzgeber. Denn da hat der Patient das Recht auf Information. Wenn aber eine Schwangere einen Abbruch möchte, dann soll die froh sein, dass sie nicht belangt wird.
Ärzten geht es da nicht besser. Der Schwangerschaftsabbruch wird im Studium nur theoretisch besprochen. Der Schwerpunkt liegt auf Ethik und Recht. Und in der Facharztausbildung kommt er meist auch nicht vor, weil kaum eine Klinik es anbietet. Informationen über den medikamentösen Abbruch bekommen Ärzte vom Hersteller und aus dem Ausland. Fortbildungen gibt es nicht. Bei rund 15 Prozent der Abbrüche hierzulande wird ausgeschabt, obwohl die Kürettage wegen der Risiken veraltet ist.
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