Wie sieht euer beruflicher Maulkorb aus?

vom 11.12.2018, 05:17 Uhr

Im Moment ist Apple in den Schlagzeilen, weil die Mitarbeiter in den Stores nicht alles sagen dürfen, wenn die Kunden das Gerät reparieren lassen wollen. So dürfen die Mitarbeiter zum Beispiel nicht von einem "Fehler" sprechen, sondern eher von einer nicht vorhandenen Reaktion. So soll verhindert werden, dass Kunden mit der Marke etwas fehlerhaftes assoziieren.

Aber auch in anderen Berufen darf man nicht alles sagen, was man privat sagen würde. Ich darf zum Beispiel aus Datenschutzgründen nicht sagen, wenn ich für einen Kollegen ans Telefon gehen muss. Aber auch wenn ich etwas recherchieren soll und dafür Anrufe tätigen muss, darf ich nicht sagen, warum ich diese Informationen brauche, sondern muss mir Geschichten ausdenken und muss so tun als würde mich das privat interessieren. Also ich darf nicht sagen, wo dieser sich gerade befindet. Wie ist das bei euch? Wie sieht euer beruflicher Maulkorb aus? Wie seht fühlt ihr euch dadurch eingeschränkt?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich darf keine Internas nach Außen tragen, was manchmal schon schwierig ist, besonders wenn man etwas über seinen Job erzählen soll. Ich halte mich dann sehr kurz und erzähle in zwei Sätzen was ich tue, aber das war es schon. Ansonsten sage ich meistens alles was ich denke und darf das an sich auch. Manchmal schwäche ich kritische Situationen etwas ab, weil ich freiwillig nicht möchte, dass gröbere Fehler nach Außen dringen. Es schränkt mich nicht ein.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12586 » Talkpoints: 9,97 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Als ich noch beruflich tätig war, durfte ich alles sagen, was ich wollte, da ich keinen Kundenkontakt hatte. Mitarbeiter mit Kundenkontakt müssen natürlich die Firma positiv repräsentieren und dürfen auch keine internen Dinge ausplaudern. Das ist doch immer so an der Schnittstelle Unternehmen und Kunde.

Ich war mal als Vertretung in der Hotline, weil ich als fast Einzige nicht von der grassierenden Grippewelle erfasst worden war. Da durfte ich natürlich nicht sagen, dass ich keine Ahnung habe, sondern musste das anders formulieren, wie etwa, dass ich einen plötzlich erkrankten Kollegen vertrete und in dieser speziellen Materie nicht so drin sei. Die Hauptaufgabe war, Verständnis zu zeigen, den Kunden zu beruhigen und ihn davon überzeugen, dass es sinnvoll sei, am nächsten Tag noch mal anzurufen. Das würde ich aber nicht als Maulkorb bezeichnen, sondern als sinnvolles Kommunikationsverhalten.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Bei mir gibt es keine speziellen Anforderungen, dass ich lügen, Dinge beschönigen oder verschweigen muss, sondern es gelten nur die generellen Anforderungen, wie sie wohl für die meisten Arbeitnehmer zutreffen.

Sprich, ich sollte nicht öffentlich über meinen Arbeitgeber ablästern, Betriebsgeheimnisse ausplaudern oder in Gegenwart von Kunden über Dritte herziehen oder herzhaft zustimmen, dass Anweisung X oder System"eigenheit" Y wirklich Bockmist ist und den Leuten nur das Leben schwer macht. Aber das fällt mir auch nicht schwer, da ja sämtliche Lästereien wieder auf mich zurückfallen würden. Schließlich arbeite ich trotzdem weiter für den Laden.

Außerdem finde ich auch, dass es die Interaktionen mit Dritten etwas einfacher macht, wenn man zu gesichtswahrenden Beschönigungen greift und beispielsweise nicht sagt: Da haben Sie einen fetten Fehler gemacht! sondern eher: Das ist aber auch blöd formuliert in der Anleitung, haha!

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Bei uns darf offiziell niemand, der krankgeschrieben ist, als krank bezeichnet werden. Die Sprachregelung sieht vor, dass solche Personen als "abwesend" bezeichnet werden. Da dieses Wort allerdings nur für krankgemeldete Leute verwendet wird (ansonsten sagt man wie bisher auch, jemand wäre im Urlaub, auf Dienstreise etc.), ist "abwesend" inzwischen gleichbedeutend mit "krank" geworden.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Der Maulkorb ist mein Beruf. :D Wenn ich meinen Job gut mache, dann liefere ich ein Chamäleon, dessen fremde Herkunft nicht mehr erkennbar ist. Ich verknüpfe die typische Sprache einer Branche mit der Sprache eines Unternehmens oder einer Marke. Den ganzen Quatsch passe ich dann anhand von Adressant und Adressat an.

Es ist schließlich ein großer Unterschied, ob sich beispielsweise die Mitteilung über die Änderung im Steuerrecht an Fachleute, Unternehmer ohne Fachabteilung oder an Oma Müller richtet. Außerdem macht es einen Unterschied, ob z. B. der Jubelteil eines Geschäftsberichts aus der Finanzabteilung, dem Marketing oder Pressestelle heraus veröffentlicht wird.

Unter Umständen muss dann noch zusätzlich der typische Ton eines bestimmten Mitarbeiters einfließen. Schließlich soll niemand merken, dass der Chef-Analyst oder der Risiko-Manager das Ding weder geschrieben, noch auch nur gelesen hat.

Am Ende sollte kein Teil meines Stils und meiner Persönlichkeit mehr sichtbar sein. Die Wortwahl soll passend zur Branche und zum Unternehmen sein, die verbotenen Worte sollten nicht vorkommen, die gewünschten natürlich integriert sein. Der Stil soll einfach der Stil des Unternehmens sein, dem nur zu entsprechen, ist eigentlich zu wenig. Und wenn ein bestimmter Name dahinter steht, dann sollte der Leser das nicht nur glauben. Er soll bereits während des Lesens merken, wer hinter diesem geistigen Erguss steht. :lol:

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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