Wie sieht es bei euch mit Krankenhausschließungen aus?
Im Saarland geht mal wieder die Diskussion um Krankenhausschließungen an. In Ottweiler/Saar soll das Krankenhaus durch systematische Verlagerung der einzelnen Stationen nach St. Wendel ausgedünnt und dann geschlossen werden. Der Betreiber hat dies im saarländischen Dillingen schon einmal gemacht. Das Krankenhaus in Ottweiler wurde übrigens erst vor einigen Jahren aus kommunaler Betreiberschaft in christliche Obhut übergeben, damit es erhalten bleibt. Wenn dadurch nun Stationen leichter verlegt werden könnten, wäre dies ein dicker Hund.
Der Klinikbetreiber hatte dies zwar konkrete Pläne zur Schließung dementiert, aber Garantien wollte er auch keine geben. Bei der Schließung in Dillingen hat er auf den Krankenhausplan der Bundesregierung verwiesen. So schiebt es einer auf den anderen. Meiner Ansicht nach ist es ein abgekartetes Spiel, dass schon seit Jahren läuft. Wie seht ihr dies?
Das Krankenhaus in meiner ursprünglichen Heimatstadt ist schon vor Jahren geschlossen bzw. in eine lukrative psychosomatische Klinik umgewandelt worden. Das führt zu dem Dilemma, dass Krankenhausbetten im Landkreis allmählich knapp werden, und außerdem müssen Kranke und Besucher oft bis zu 30 km weit fahren, um ins nächste Krankenhaus zu fahren. Ein wichtiges Krankenhaus in der Region ist überdies nur mit dem Auto zu erreichen, weil es in einer ländlichen Ortschaft liegt.
Es gäbe zwar ein Krankenhaus in nur wenigen Kilometern Entfernung, aber da dieses nicht in Deutschland, sondern in Österreich liegt, werden die Behandlungen dort von den Kassen normalerweise nicht ohne weiteres übernommen.
Juri1877 hat geschrieben:Bei der Schließung in Dillingen hat er auf den Krankenhausplan der Bundesregierung verwiesen. So schiebt es einer auf den anderen. Meiner Ansicht nach ist es ein abgekartetes Spiel, dass schon seit Jahren läuft. Wie seht ihr dies?
Aber mal ganz ehrlich. Wie soll es denn anders auch laufen? Krankenhausplanung macht doch nur Sinn, wenn sie irgendwo halbwegs zentral gemacht wird. Kein normal denkender Lokalpolitiker würde doch auf die Idee kommen, egal wie sinnvoll es auch sein mag, sein Krankenhaus in seinem Wahlkreis zu opfern. Damit braucht man doch bei der nächsten Wahl gar nicht mehr antreten. Und genau das hat ja vielerorts dazu geführt, dass es teilweise Krankenhäuser gibt, die nicht einmal über 100 Betten verfügen und dafür aber dann vier oder fünf Abteilungen vorhalten sollen. Und da muss man sich dann schon fragen, wenn da nur zwei bis drei Operationen in allen operativen Fachrichtungen erfolgen, in wiefern da wirklich relativ konstant gute Qualität erbracht werden kann.
Und ich halte persönlich auch Fahrstrecken von 30 Kilometern für völlig unproblematisch. Wenn man dafür eine bessere Behandlung erhält, dann gewinnt man mit dem längeren Weg am Ende viel mehr als man verliert. Aber das darf natürlich kein alleiniges Totschlagkriterium für die Krankenhausplanung werden. Aber genauso macht es eben auch keinen Sinn auf Gedeih und Verderb jedes kleine Krankenhaus zu erhalten, wenn man dafür kein ordentliches Personal mehr findet.
Bei uns in der Gegend ist der Prozess mittlerweile eigentlich weitesgehend abgeschlossen. Wir sind hier bis auf die großen kreisfreien Städte mittlerweile eh dabei angekommen, dass es nur noch alle halbe Stunde ein Krankenhaus gibt. Das reicht für die Versorgung aus und ist nach meinem Dafürhalten jetzt auch eine relativ gute Krankenhausdichte. Da hier überall Pflege- und Arztmangel herrscht, wären mehr Krankenhäuser auch gar nicht möglich, da es dafür schlicht und einfach auch kein gutes Personal mehr geben würde. Und auch in Zukunft kann das noch viel mehr darüber entscheiden, ob Krankenhäuser geschlossen werden, als irgendwelche Politiker.
Klehmchen hat geschrieben:Und ich halte persönlich auch Fahrstrecken von 30 Kilometern für völlig unproblematisch.
Das sehe ich nicht ganz so, denn ich habe es in der eigenen Familie erlebt, wie problematisch solche Fahrstrecken werden können, wenn beispielsweise die Zeit drängt (z.B. bei Schlaganfall, Herzinfarkt etc.). Überhaupt sind solche Entfernungen nicht ganz unproblematisch, wenn die Patienten oder Angehörigen in einem höheren Alter und nicht mehr so mobil sind. Da steigt man dann häufig eben nicht mehr einfach so in ein Auto und fährt die 30 km, sondern man braucht einen Fahrdienst, der über eine solche Distanz schon eine Weile dauern und außerdem nicht billig sind.
Das ist aber der falsche Ansatz. Du magst ja im Recht sein, dass bei den von dir genannten Krankheiten der Zeitaspekt sehr wichtig ist. Nicht umsonst sind das ja Triggerdiagnosen, für die es im einem Eckpunktepapier für die Notfallversorgung Zeitvorgaben gibt, wann diese in einer Einrichtung sein sollen, wo sie auch behandelt werden können. Da werden übrigens 60 - 90 Minuten als Rettunsdauer für den Herzinfarkt veranschlagt.
Nun kommt es aber. Es geht nicht darum, dass Patienten mit Herzinfarkt oder auch einem Schädel-Hirn-Trauma/Schlaganfall in einem Krankenhaus sein sollen. Nein darum geht es nicht, da der Patient nicht von einer Versorgung im Krankenhaus gerettet wird oder davon profitiert. Er profitiert in erster Linie von einer Intervention, die sein Problem behebt. Das heißt beim Infarkt beispielsweise von einer Herzkatheteruntersuchung beziehungsweise bei einer möglichen Hirnblutung von einer Notoperation beziehungsweise bei einem Verschluss einer Thrombektomie. Aber genau diese Sachen können ganz einfach nicht alle Krankenhäuser leisten und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Und hier sind dann klare Empfehlung dass sowohl Katheter als auch Notoperationen binnen 90 Minuten nach Notruf beginnen sollen. Und das ist ein verdammt enges Zeitfenster, dass man eigentlich nur dann einhalten kann, wenn man gleich in ein richtiges Krankenhaus fährt.
Man rettet den Patienten nicht, wenn man ihn mit einem offensichtlichen Herzinfarkt (EKG/Schnelltest) in die nächstgelegene Kreisklitsche fährt, weil die nur 10 Minuten entfernt ist und dort dann 45-60 Minuten Diagnostik betreibt und sich dann um eine Verlegung in einer Herzkatheterlabor kümmert. Da ist nahezu jedes Krankenhaus in Deutschland, egal wie gut strukturiert die Notaufnahme und das Personal sind, nicht in der Lage das zu leisten. Dieser Patient hätte mit vernünftigem Notarzt in jeder Region Deutschlands auf direktem Weg binnen 30 bis maximal 45 Minuten in einem Katheterlabor sein können und in der Zeit schafft man locker 30 Kilometer Fahrstrecke und versorgt den Patienten eindeutig besser. Auch eine Neurochirurgie hat nicht jedes Krankenhaus (das ist sogar sehr überschaubar!) oder Stroke-Units respektive eine exzellente Versorgung von wirklich schwerstverletzen Patienten.
All diese Beispiel, die gerne für kurze Weg zu Krankenhäuser herangeführt werden, brauchen eben genau nicht das Krankenhaus um die Ecke. Die brauchen alle ein Krankenhaus, dass sie sofort in ausreichender Qualität behandeln kann. Und ein Krankenhaus ohne Neurologie oder Neurochirurgie behandelt nun einmal Patienten schlechter beziehungsweise deutlich langsamer im Fall der Fälle als eines mit diesen Abteilungen. Ein Krankenhaus ohne Katheterlabor behandelt nun einmal Patienten mit Infarkten am Ende des Tages qualitativ schlechter und eine schwerstverletzter Patient wird in einem lokalen Traumazentrum (oder sogar gar kein Traumazentrum) allenfalls erstversorgt und dann in einem kritischen Zustand auch nur weiter verlegt.
Bei jeder Krankenhausplanung darf es am Ende des Tages doch nicht darum gehen, ob man Patienten ohne Beachtung ihrer Diagnose einfach nur schnell in einem beliebigen Krankenhaus abladen kann. Nein es muss darum gehen, ob man Qualität abliefern kann und ob die Patienten davon profitieren, dass sie schnell in einem Krankenhaus sind und ob sie nicht genauso gut versorgt oder gar besser versorgt werden, wenn man am Anfang der gesamten Behandlung einfach mal 10 Minuten länger fährt.
Das Hauptproblem hier ist in meinen Augen einfach, dass man bei den ganzen Planungen einfach nicht auf die Menschen hört, die Ahnung davon haben und die Realitäten verkennt. Ein Politiker, der von Medizin keine Ahnung hat, der kann doch nicht entscheiden, wo welches Krankenhaus wirklich sinnvoll ist. Der muss auf Fachleute aus der Medizin hören. Ein durchschnittlich interessierter Bürger dürfte sich da genau so schwer tun, zu verstehen, wie Rettungswege laufen und wie lange die auch dauern und was man Patienten zumuten kann und ob vielleicht etwas längere Primärrettungszeiten am Ende sogar besser sein können. Und dann muss man natürlich schauen, ob man überhaupt alle Krankenhäuser so besetzen kann, wie man es gerne hätte. Denn was bringt eben ein Krankenhaus alle 15 Kilometer, wenn ich gar nicht genug Leute habe, die dort arbeiten können?
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