Wie mit Alzheimer des Partners umgehen? Bei ihm bleiben?
Der Opa eines Freundes hat ein großes Problem. Seine Frau ist schon viele Jahre als Alzheimer erkrankt und hat dies nun auch schon wirklich schwer, so dass sie ihn nicht mal mehr richtig erkennt. Nun sind die beiden verheiratet und hatten immer ein tolles Leben miteinander, weswegen er sich weitestgehend alleine um sie kümmert. Nun hat er vor kurzem eine alte Jugendliebe von sich getroffen und da waren schon einige Schmetterlinge im Bauch bei ihm. Nun hat er ein schlechtes Gewissen und weiß nicht, was er machen soll.
Ich weiß nicht, wie ich das machen würde. Wahrscheinlich würde ich versuchen mich selber etwas zu entlasten, indem ich zunächst eine Pflegekraft in Anspruch nehmen würde, um dann vielleicht auch Ausschau nach einer geeigneten Einrichtung zu schauen. Deswegen ist man ja kein schlechter Mensch und auf Dauer geht so eine häusliche Betreuung auch nicht gut, wenn man es ganz alleine machen muss. Wie seht ihr das? Was würdet ihr dem Opa raten?
Was hat jetzt die Begegnung mit der Jugendliebe und eventueller Unterstützung bei der Versorgung der kranken Frau miteinander zu tun? Wenn mein Partner krank ist und ich mir über Pflegekräfte Hilfe hole oder, weil es nicht anders geht, in eine Vollzeitpflege geben muss, dann ist das eine Sache. Damit trennt man sich ja nicht als Paar.
Wenn ich aber den Partner mehr oder weniger abschiebe, damit für eine andere Person in meinem Leben Platz wird, dann ist das etwas komplett anderes. Um es mal direkt zu sagen, empfinde ich so ein Verhalten als schäbig und man sollte hinterfragen, ob das gemeinsame Leben dann wirklich so toll war, wir behauptet wird. Eine Begegnung mit einer Jugendliebe sollte einem da nicht so aus der Bahn werfen.
Klingt mal wieder wie der Plot zu einem richtig schlechten Kitschfilm. Jeder, der Rosamunde Pilcher schaut, schreit jetzt natürlich als allererstes, dass Alzheimer kein Grund ist, "abgeschoben" zu werden, und dass man schon damit klar kommen muss, wenn deine langjährige Ehehälfte dich nur noch vage als "freundliche Pflegekraft" registriert oder dich wütend beschuldigt, nur auf ihr Geld aus zu sein, versucht abzuhauen und das Klo nicht mehr findet.
Mit anderen Worten: Alzheimer und vergleichbare Erkrankungen sind alles andere als romantisch und ich empfinde es als extreme Zumutung, einfach davon auszugehen, dass die Angehörigen - oft selber nicht mehr die Fittesten - ihre eigenen letzten guten Jahre mit Vollzeitpflege zubringen müssen, weil man die Leute ja nicht "abschiebt". Da hat im Endeffekt niemand was davon, wenn die Qualität der Pflege leidet und die Partner und Familien sich völlig aufarbeiten und die eigene Gesundheit ruinieren.
Was die "Schmetterlinge" angeht, maße ich mir erst recht kein "moralisches" Urteil an. Ich kann niemandem sagen: Opa, du verbringst den Rest deines Lebens als Vollzeit-Pflegekraft ohne Privatleben. Demenzerkrankungen verlaufen schleichend über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Ich wüsste auch nicht, wie ich mit einer vergleichbaren Situation klarkommen würde, aber ich bleibe dabei: Gerade von Außenstehenden, die vom Alltag mit AlzheimerpatientInnen absolut keine Ahnung haben, ist es schon ein starkes Stück, mit der Moralkeule zu kommen.
Für viele klingt es auch immer so leicht, einfach beim Partner bleiben und das Leben weiterleben lassen, wenn dieser an Alzheimer erkrankt ist. Dabei rede ich überhaupt nicht davon, eine heile Beziehung vorzuspielen, sondern im Allgemeinen.
Bestes Beispiel war eine Mutter eines Bekannten. Sie hatte Alzheimer und bereits den Ehemann sowie die Söhne nicht mehr erkannt. Sie war in der Zeitschleife ihrer ersten Wohnung gefangen und vermutete immer, dass sie in ihrem damaligen Haus zu Besuch sei oder gar vom Ehemann teilweise entführt wurde, wenn sie diesen mal wieder nicht erkannte. Es gab Tage, da fand der Ehemann sie einfach mit gepackten Koffern spazierend durch die Stadt wieder, weil sie in die alte Wohnung wollte. Dann fand er sie einfach mal im Auto sitzend, wo sie laut Nachbarn schon eine ganze Weile verweilte.
Es war für den Ehemann eine seelische Tortur, aber auch für die erwachsenen Kinder. Letzten Endes bekam sie einen schweren Schlaganfall, welcher in der Nacht dazu führte, dass die Geräte eingestellt wurden. Dies war für alle eine gewisse Erlösung und für die Mama auch. Denn sie wollte eben genau jene Situation nie haben.
Dem Ehemann hätte niemand einen Vorwurf gemacht, wenn er nebenher eine Frau gehabt hätte. Denn wir reden von seiner Ehefrau, die einfach nicht mehr bei Verstand ist und er sie niemals verlassen hätte, weil er ihr das nicht zumuten wollte. Er liebte aber eben eine ganz andere Frau, was man auch lernen muss zu trennen. Auch ich habe mir das immer so „leicht“ vorgestellt nach dem Motto: Da bleiben, dazustehen usw. Doch ich sah es mit an, was dort für ein Drama war und musste gestehen, das eine ist die geliebte Ehefrau und das jetzt ist die Ehefrau, die schwer krank war, die eigentlich nur gepflegt werden muss und nicht mehr von der Dame hat, die sie einst war.
Ich würde also weiterhin von mir behaupten, dass ich zwar körperlich und pflegemäßig für die Person da bin, aber von lieben kann man bei einem derartigen Zustand wohl kaum mehr sprechen. Ich liebe den Menschen, der sie/er war und in gewissen Momenten auch ist, aber letzten Endes bin ich dann eine Vollzeit-Pflege, die fernab von zwischenmenschlicher Nähe je nach Alzheimer-Zustand vor Ort ist. Das sind Unterschiede, die ich mittlerweile für mich erkannt habe.
Ich würde und könnte da überhaupt nichts raten. Ich weiß nicht, was ich in einer solchen Situation tun würde, und ich glaube, dass das niemand von vorneherein sagen kann. Ich finde es aber wichtig, dass man jede Entscheidung respektiert, die der Betroffene trifft. Und nicht anfängt zu reden, dass er seine Frau abschiebt oder dass er, falls er sich kümmert, auch an sich selber denken muss. Ich finde es unangebracht, überhaupt ein Urteil darüber zu fällen.
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