Welche Verhaltensänderung durch reine Routine schaffen?
Ich habe gestern einen Livestream gesehen, in dem man einer Künstlerin beim Malen zuschauen konnte. Währenddessen hat sie ziemlich viel geredet und auch erzählt, wie sie eine Schaffenskrise überwunden hat. Sie hat sich eine Routine zugelegt. Da sie ein Abend- und Nachtmensch ist, hat sie sich angewöhnt, sich jeden Nachmittag um fünf Uhr hinzusetzen und bis mindestens bis elf Uhr irgendetwas zu malen. Am Anfang war es eine Überwindung, wenn sie so gar keine Lust hatte, aber nach etwas mehr als einer Woche hat sie es gerne und freiwillig gemacht. Es war ein ganz automatischer Vorgang, wie etwa das Frühstück oder die Körperpflege.
Ich habe auch schon einmal eine Verhaltensänderung rein durch Routine geschafft, nämlich das Intervallfasten. Am Anfang war es schwierig, bis mittags um 12 Uhr nichts zu essen, aber mittlerweile ist es normal. Ich habe gar nicht mehr das Bedürfnis zu frühstücken. Demnächst werde ich mal wieder versuchen, vom Computer und Handy loszukommen. Das wird hart werden, ist aber notwendig.
Habt ihr schon einmal eine Verhaltensänderung durch Routine geschafft? Es könnte sich zum Beispiel um sportliche Betätigung, regelmäßige Meditation, Lernen für die Schule oder fürs Studium oder eine Diät handeln. War der Erfolg langfristig? Habt ihr Routinen wie etwa den Computer morgens einzuschalten schon mal durch irgendetwas Sinnvolleres ersetzen können?
Ich weiß nicht, ob ich eine kreative Routine unbedingt als Verhaltensänderung bezeichnen würde. Es geht ja nicht unbedingt um das Verhalten - ich setze mich hin und male, schreibe, entwerfen ... - sondern um den kreativen Flow. Das ist wie beim Sport, wenn dein Ziel nicht ist, dass du jeden Tag Gewichte von A nach B bewegst sondern, dass du Muskeln aufbaust. Du trainierst also praktisch deine kreativen Muskeln durch eine immer wiederkehrende Tätigkeit. Mit dem Ziel, dass deine kreativen Arbeiten besser werden.
Für mich ist es generell sinnvoll für gewisse Tätigkeiten einfach gewisse Zeiten einzuplanen. Ich neige nämlich sonst schon mal schnell zu "ich würde gerne X machen aber ich habe dafür keine Zeit". Stimmt natürlich überhaupt nicht. Wenn ich Zeit habe mir auf Pinterest 20 Minuten Bilder von dunkel gestrichenen Schlafzimmern anzuschauen habe ich auch Zeit 20 Minuten in das Lernen einer Sprache zu investieren oder einmal den ganzen Körper zu stretchen.
Und du hast völlig recht, wenn man sich etwas abgewöhnen will funktioniert das besser wenn man ein positiv formuliertes Ziel hat. Sonst hast du den Fall, dass du zwar Abends den Fernseher früher ausschaltest aber dann gar nicht so recht weißt wofür eigentlich. Da muss man sich schon fragen, was eigentlich die Motivation ist. Mache ich das, weil ich es wirklich will oder weil es gerade angesagt ist?
Dass Disziplin und Wiederholung oft sinnvoller sind als das Warten auf "Motivation" und die richtige Stimmung, ist ja eine Binsenweisheit. Auch wenn es oft als langweilig und "unflexibel" gilt, bin ich ein großer Fan von Routinen und wiederkehrenden Abläufen, gerade bei Pflichtübungen im Alltag. Man spart einfach so viel Energie und Willenskraft, wenn man nicht immer wieder lange mit sich ringt und die Vor- und Nachteile abwägt, sondern sich einfach sagt: 17:00 Uhr, Zeit zum Joggen! und los trabt.
Ich bin allerdings auch der Meinung, dass intrinsische Motivation immer vorhanden sein muss, damit sich neue Gewohnheiten einschleifen können. Ich habe beispielsweise gerade in den Sozialen Medien schon oft gehört, wie toll und effizient es doch sein soll, morgens um fünf aufzustehen, erst mal Tagebuch zu schreiben, zu meditieren und mit einer Tasse Kaffee die Ruhe zu genießen, bevor der Rest der Familie an einem zerrt (diese Tipps sind merkwürdigerweise fast immer von Frauen für Frauen, meistens Mütter, gedacht).
Nur zerrt nun mal morgens niemand an mir und ich schaffe mein Tagespensum an Job und Haushalt auch ganz gut, wenn ich später aufstehe und meine Tasse Kaffee morgens im Zug in Ruhe genieße. Ich könnte mir also wahrscheinlich durch Geduld und Wiederholung so eine "Morgenroutine" antrainieren, aber das wäre ein an sich sinnfreier Akt, der mir von außen eingeredet wurde und entsprechend hätte ich objektiv betrachtet nicht viel davon außer latentem Schlafmangel.
In meinem Leben herrscht schon immer viel Struktur und Routine, und in den allermeisten Fällen hat sich das auch positiv ausgewirkt. Ich konnte mich beispielsweise bisher immer darauf verlassen, pünktlich zu einer Prüfung genug gelernt zu haben, und auf der Arbeit gelingt es mir bis zum Feierabend in aller Regel, meine Aufgaben zu schaffen. Wenn ich mich auf neue Umstände einstellen muss, dann baue ich diese auch als feste Routine in meinen Alltag ein, und dann kann ich mit genügend Disziplin quasi von jetzt auf gleich auch Verhaltensänderungen durchsetzen.
Vor größeren Prüfungen entwickele ich beispielsweise ein Lernsystem und tue fast jeden Tag etwas für die Vorbereitung. Dadurch, dass ich Entspannungsaktivitäten und Hobbies entsprechend zeitlich nach hinten verschiebe und mich diesen erst nach verrichteter Arbeit widme, verhindere ich Prokrastination und zu große Ablenkung. Im Frühjahr 2020 habe ich aufgrund der Corona-Krise mein Sportprogramm von Fitnessstudiobesuchen zweimal pro Woche auf ein kürzeres, dafür aber tägliches Home-Workout umgestellt und dieses - bis auf seltene Ausnahmen - bis heute durchgezogen.
Und auch in puncto Freizeit habe ich mir die Routine angeeignet, einen Filofax zu führen, der mich zumindest jeden Tag für ein paar Minuten zu kreativer Betätigung motiviert. Ich setze mir immer realistisch erreichbare Ziele, sodass der Zeitaufwand insgesamt überschaubar bleibt, aber durch die Kontinuität gelingen mir so Stück für Stück auch größere Schritte. Daher finde ich Routinen persönlich sehr hilfreich - auch, wenn sie manchmal zugegebenermaßen auch etwas lästig sind.
Mir helfen Routinen auch sehr, auch wenn ich erst einmal die Motivation brauche, um mir diese Routine zu erstellen beziehungsweise vorzustellen. Aber beispielsweise habe ich so angefangen, morgens immer das Bett zu machen. Das mag jetzt vielleicht albern klingen, aber in der Kindheit habe ich mein Bett nie gemacht, weil ich ein Hochbett hatte und da nur sehr schwer dran kam. Als ich dann daheim ausgezogen bin, habe ich zunächst auch nicht das Bett gemacht - ich kannte es ja nicht anders.
Aber schon nach kurzer Zeit ist mir aufgefallen, dass das Schlafzimmer immer so unordentlich aussieht, wenn ich das Bett nicht mache, also habe ich diesen Punkt zu meiner Morgenroutine hinzugefügt. Zusätzlich zum Aufschreiben im Kalender hatte ich mir eine App auf dem Handy herunter geladen, wo ich das auch eintragen konnte und eine Erinnerung stellen konnte. Das hat schon nach wenigen Wochen geklappt. Heute denke ich gar nicht mehr aktiv daran, sondern mache es einfach.
Yoga ist auch so eine Sache, die bei mir erst durch eine Routine geklappt hat. Ich wusste immer, dass es mir gut tut, nach der Arbeit Yoga zu machen, aber der innere Schweinehund war dann doch leider oft zu groß. Seit ich mir dafür einen festen Zeitslot eingerichtet habe, klappt es sehr gut und ich freue mich auch immer darauf, nach der Arbeit Yoga zu machen.
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