Welche Sachen haben mit Zeit an Bedeutung für euch verloren?
Ich habe festgestellt, dass mir mittlerweile viele Sachen nicht mehr so wichtig sind, auf die ich früher wert gelegt habe. Umgekehrt sind mir nun wieder andere Sachen wichtig, die mir früher eben nicht so wichtig waren. So habe ich mich früher beispielsweise viel mehr für Kleidung und Kosmetik interessiert, als jetzt. Dass ich mir jetzt mal Kleidung oder Kosmetik kaufe, kommt sehr selten vor und wenn, dann ist es meistens auch nur ein Teil. Dafür sind mir Reisen jetzt sehr viel wichtiger geworden.
Welche Sachen haben mit der Zeit an Bedeutung für euch verloren? Handelt es sich um irgendwelchen Hobbys und Interessen, Ziele und Wünsche oder vielleicht sogar um irgendwelche Personen? Kam das schleichend oder plötzlich?
Ich hatte eine immense Kosmetiksammlung. Diese Liebe hat sechs Jahre gehalten und ich habe auch eifrig darüber gebloggt und ständig etwas Neues angeschleppt. Mittlerweile bin ich an dem Punkt angekommen, dass ich vor Kurzem 10 Kilo Kosmetikprodukte rausgeschmissen habe und nur noch ein paar Produkte, die mir wirklich etwas bedeuten, behalten habe.
Es kommt immer mal ein Produkt dazu, es gibt Produkte, die ich wirklich liebe, aber diese Unmengen an Schminke haben mich eher erdrückt als erfreut und sie waren für mich bedeutungslos geworden. Da gibt es aber auch andere Dinge, die mit der Zeit an Bedeutung verloren haben.
Ich habe mal Figuren von Anime-Figuren gesammelt. Den größten Teil habe ich mittlerweile auch verhökert, weil sie mir nichts mehr bedeuten. Außerdem ist mir meine Zeit wichtiger geworden. Lange war es mir egal, hauptsache ich habe etwas erledigt. Mittlerweile teile ich mir meine Zeit anders ein und nutze sie sinnvoller und verbringe sie mit Menschen, die mir was bedeuten, als sie zu verschwenden.
Als ich noch Teenager war, habe ich mir ständig überlegt, was andere Leute und vor allem andere Gleichaltrige von mir denken und habe gehadert damit, wenn ich das Gefühl hatte, dass sie nicht das von mir denken, was ich wollte dass sie von mir denken. Mittlerweile bin ich in einem Alter, dass es mir relativ unwichtig geworden ist.
Klar möchte man vielleicht immer noch nicht, dass Leute Verleumdungen über einen verbreiten oder ähnliches. Aber mir ist völlig egal geworden, wer mich sympathisch findet, wem meine Person sympathisch ist und so lange man mich nicht anpöbelt ist es mir auch weitgehend egal, wie andere meine Frisur, meinen Kleidungsstil oder meine Figur finden. Das ist absolut der Vorteil des Älterwerdens und dass man dann im Allgemeinen auch sicherer in sich ruht, als in jüngeren Jahren.
Nur wenn nahe stehende Personen mich kritisieren, die ich auch mag, dann trifft mich das immer noch. Aber ich denke, das dürfte normal sein, dass man bei nahe stehenden Personen dünnhäutiger ist als bei Fremden.
Bei mir sind es vor allem Personen an denen ich die Bedeutung verloren habe und sich diese Kontakte dann auch entfernt haben mit der Zeit und inzwischen fast keiner oder auch gar kein Kontakt mehr besteht. Früher habe ich doch versucht krampfhaft an alten Freundschaften festzuhalten auch wenn die Entfernung dazwischen zu groß geworden ist, als das man einmal spontan auf einen Besuch vorbei kommen könnte. Auch ist es mir mittlerweile egal, wenn die Termine kurzfristig für solche Besuche abgesagt werden.
Ich sehe das mit den Personen inzwischen sehr locker, wer mich sehen will der sieht mich und wer daran kein Interesse hat und ohne wichtigen Grund kurzfristig vorher absagt, der hat einfach Pech gehabt. In dieser Hinsicht laufe ich niemanden mehr hinterher und bemühe mich um einen guten und regen Kontakt.
Auch andere Dinge finde ich inzwischen ein wenig unwichtiger als noch vor einigen Jahren. Früher war es mir schon wichtig, dass meine Wohnung immer gut aussieht und auch sauber ist wenn Besuch kommt. Inzwischen ist es mir reichlich egal was andere davon denken wenn noch Sachen auf dem Boden verteilt liegen oder auch der Haushalt noch nicht fertig gemacht ist. Meistens sieht es hier noch annehmbar aus und man sieht einfach das hier auch gewohnt wird. Irgendwann wenn ich dazu komme beseitige ich auch das Chaos was meistens erst spät abends ist wenn der Besuch schon wieder abgezogen ist.
Meine Einstellung zum Konsum hat sich auf jeden Fall geändert, aber ich weiß nicht, ob mir der Konsum deshalb weniger wichtig geworden ist. Wenn ich jetzt ein hochwertiges T-Shirt statt fünf billigen kaufe mache ich mir deshalb ja nicht unbedingt weniger Gedanken über den T-Shirt Kauf. Ich mache mir vielleicht sogar mehr Gedanken, weil ich natürlich ein Teil möchte, das zu möglichst vielem in meinem Schrank passt. Bei fünf T-Shirts muss man sich da deutlich weniger Gedanken machen.
Bei anderen Sachen, die ich früher fleißig konsumiert habe ist der Bedeutungsverlust wohl weniger auf mich zurück zu führen als auf die allgemeine Entwicklung. Ich denke da zum Beispiel an CDs und DVDs. Die habe ich früher regelmäßig gekauft, aber inzwischen bin ich bei Musik und Filmen zum größten Teil auf Streaming oder Dateien umgestiegen und habe mich inzwischen sogar von einem Teil meiner Sammlung getrennt.
Bei mir kann ich zumindest seit relativ kurzer Zeit ehrlich sagen: was die Leute denken. Kühn behauptet habe ich das wie so viele Leute schon seit der Pubertät, aber erst in den letzten Jahren kann ich sagen, dass mir diverse soziale Konventionen und ungeschriebene "Spielregeln" wirklich egal geworden sind. Die Gesellschaft, in die mich der Zufall der Geburt hineingeworfen hat, funktioniert zwar im Großen und Ganzen glücklicherweise gut, aber allein deswegen muss ich ja nicht blindlings der Masse hinterherstolpern und exakt die gleichen Punkte in meiner Biografie abarbeiten wie alle anderen Leute meines Geschlechts und meiner Herkunft.
Trotz dieser erhabenen Erkenntnisse bin ich aber erst in jüngster Zeit dieses nagende Gefühl, trotzdem irgendwie "falsch" zu sein, losgeworden. Es ist zwar einfach zu behaupten, dass einem die Meinung der "Nachbarn", namenlos und uninteressant, egal sei, aber wie sieht es mit der gesellschaftlichen Mehrheit aus? Also von sehr vielen im Schnitt normal entwickelten Artgenossen? Oder mit der Meinung und dem Weltbild bzw. den Lebensentwürfen von Familie und Freunden? Da ist es meiner Erfahrung nach schon sehr viel schwieriger, sich zu lösen und nicht nur nach außen hin seinen eigenen Weg zu gehen, sondern auch die innere Freiheit zu finden, um zu sagen: Für dich ist dieser Weg richtig und stimmig. Für mich nicht.
Umso länger ich über das Thema nachdenke, umso mehr Dinge fallen mir ein. Konsum als solcher ist mir auch nicht egal geworden, aber insgesamt muss ich ebenfalls sagen, dass mir einige Bereiche wie Kosmetik sehr viel weniger wichtig geworden sind als früher. Vor kurzem befragte mich eine Bekannte zu einer bestimmten Gesichtspflege und dass es dahingehend doch auch einen Blog gäbe und wunderte sich, als mir ad hoc erstmal nicht einfiel, wovon sie redete. Mich interessiert das alles gar nicht mehr so sehr, und überhaupt haben Äußerlichkeiten im Laufe der letzten Jahre ganz sicher an Bedeutung verloren.
Das heißt nicht, dass ich den Rasierer in die Ecke schmeißen würde und nur noch ungeschminkt in Jute rumliefe, aber ich habe keine Motivation mehr, ernsthaft Geld, Zeit und viel Aufwand in eigentlich eher unwichtige Kleinigkeiten, die doch nicht lange halten, zu investieren. Mittlerweile bin ich an einem Punkt, wo es mich irritiert, wenn Frauen Tausende Euro in Kosmetik, Botox, Lifting oder sonst welche Dinge, die der reinen Äußerlichkeit dienen, stecken. Da mache ich nicht mehr mit, dazu bin ich nicht bereit.
Dass es mir grundsätzlich egal ist, was andere von mir denken, kann ich nun nicht gerade sagen. Sich von der Beurteilung durch die Herde freimachen zu können, fällt mir zwar leichter als früher, aber nicht in einer relativen Totalität, zumindest nicht so, wie es perfekt wäre. Auch wenn Mitglieder, die nicht zu meiner persönlichen Herde dazugehören, tatsächlich unwichtig genug geworden sind, um scheele Blicke von diesen zu ignorieren. Erst kürzlich habe ich etwas gesagt bzw. getan, was ich mich vor einigen Jahren in der Form sicher nicht getraut hätte. Lasse reden. Das gilt aber nur in einigen Situationen und nicht durchgehend.
Interessanterweise hat sich auch meine Bewertung der Bedeutung von Freundschaften verändert. Vielleicht würde ich nicht so weit gehen, zu sagen, dass diese an Bedeutung verloren hätten, aber was sicher nicht mehr so wichtig ist, sind Dinge wie Kontakthäufigkeit, Intensität von Freundschaften und ein großer Bekanntenkreis. Ich kann nicht ausschließen, dass sich das wieder ändern könnte, aber Stand heute ist es so, dass mir viele Kontakte nicht mehr so wichtig sind, wie es mal gewesen ist.
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