Welche Komplimente empfandet ihr schon als verletzend?

Wenn man ein Kompliment ausspricht, dann meint man es ja normalerweise gut mit jemandem und will ihm etwas Nettes sagen. Allerdings kann das auch nach hinten losgehen. Meine Freundin meinte mal, dass ihr Bekannter, den sie nach langer Zeit wieder gesehen hätte, meinte, dass sie ja jetzt total hübsch und schlank geworden sei und kein hässliches Entlein mehr wie früher.

Meine Freundin empfand sich selbst aber nie als besonders hässlich oder gar dick und ist nun schon ein wenig beleidigt, dass ihr Bekannter sie früher so gesehen hat. Von daher kann sie sich gar nicht darüber freuen, wie er sie jetzt sieht. Welche Komplimente empfandet ihr schon als verletzend? Wann kann ein Kompliment eurer Meinung nach schnell mal nach hinten losgehen?

Mein Cousin hat mir ähnliches mal vor ein paar Jahren gesagt. Wir hatten uns sehr lange nicht gesehen und so stellte er dann fest, dass ich ja gar nicht mehr hässlich bin und richtig gut aussehe. Das war schon ein wirklich komischer Abend, da er dann der Meinung war immer meine Nähe suchen zu müssen und in gewisser Weise auch mit mir zu flirten, das fand ich richtig eklig. Letztendlich habe ich mich als Kind aber auch nicht als hässlich empfunden, weswegen ich auch etwas gekränkt war dass er das so wahrgenommen hat.

Mir wurde einmal in einer Fortbildung, in der ich mich offensichtlich etwas zu viel eingebracht hatte, von mehreren Teilnehmerinnen gesagt, dass ich Politikerin werden sollte. Zuerst wusste ich nicht, ob ich das als Kompliment oder Kritik auffassen sollte. Aber als ich genau darüber nachdachte, war der Grund, warum ich mich nicht in der Politik sehe der, dass ich viel zu ehrlich bin und harte Kritik, die meistens unter die Gürtellinie geht, wenn den Gegnern die Argumente ausgehen, nicht wirklich gut weg stecken kann. Allerdings kann ich mich so nicht wirklich an ein Kompliment erinnern, welches ich als verletzend empfunden hätte.

Also wenn jetzt jemand sagt, dass ich abgenommen habe, dann freue ich mich und denke mir nicht, dass sich das Gegenüber denkt: "Kaum vorzustellen, dass du einmal noch fetter warst!", ich meine dann würde etwas mit meinem Selbstbewusstsein nicht stimmen. Wenn aber der Zusatz so kommt: "...nicht mehr so ein hässliches Entlein wie früher", dann liegt es klar auf der Hand- das wäre für mich dann auch kein Kompliment mehr.

Mir hat einmal nach ein paar Jahren ein Jugendfreund gesagt "Du hast dich aber toll rausgemacht!" Das war jetzt auch nicht gerade "das" Kompliment für mich. Ich nahm das dann so hin und wollte es nicht lang und breit ausdiskutieren. Aber innerlich war ich schon etwas konsterniert und nahm dann eher Abstand.

Ok, normal war ich schlagfertig, aber das was er zu mir sagte, hat mich doch etwas sprachlos gemacht. Damals war ich aber noch sehr jung. Ein paar Jahre später hätte ich gefragt: "Und bei dir so? Dein Spiegel immer noch kaputt?" Aber leider hatte er mich auf auf dem falschen Fuß erwischt, so dass ich gar nichts sagte. Verletzt hat mich das falsche Kompliment allerdings nicht.

Ich persönlich finde wenige Komplimente verletzend. Eigentlich wenn ich richtig nachdenke, so gar keines. Denn in den meisten Fällen ist es eben so, dass ich von Komplimenten leider sowieso gar nichts halte. Klingt komisch, aber für mich ist ein Kompliment immer eher eine Art einschleimen. Es ist meist so ein „Muss“. Wenn jemand weiß, dass man Diät macht, kommt direkt, oh hast du abgenommen? Sieht man! Finde ich absolut dumm.

Ich kriege schon Komplimente, aber irgendwie nehme ich sie dankend an, weil es höflich ist und mögen tue ich trotzdem keines davon. Ich empfinde diese nicht als beleidigend, aber irgendwie weiß ich nicht, was es damit auf sich hat, jemanden ständig auf etwas hinzuweisen. Nach dem Motto „oh die Haare sind heute aber schön“ waren sie gestern scheiße? Oh hast du abgenommen? War ich vorher fett?

Ich hoffe ihr versteht, wie ich das meine. Irgendwie kann jeder ein Kompliment auch negativ sehen und mir persönlich sind Komplimente irgendwie auch egal. Früher als Jugendliche fand ich das mega, aber im laufe des Lebens nicht mehr so richtig. Ich weiß auch nicht so richtig, wieso ich es nicht mehr mag, aber es ist für mich irgendwie etwas doofes geworden, wenn man ständig wegen irgendetwas Komplimente bekommt und gleichzeitig kann man sich auch irgendwo immer fragen, das dies eine Art Einschleimerei ist.

Ich habe auch ein gestörtes Verhältnis zu Komplimenten, weil ich damit einfach nicht viel anfangen kann. Ich habe immer das Gefühl, dass irgendwelche Hintergedanken dahinter stecken, sprich die schon erwähnte "Einschleimerei". Ich lege beispielsweise nicht viel Wert auf mein Äußeres, weswegen es mich eher befremdet, dazu Komplimente zu bekommen, oder ich frage mich, wie genau die Person mich begutachtet und bewertet, um meinen Lidstrich zu kommentieren.

Und dass ich vielleicht meine Arbeit gut mache und mich halbwegs anständig benehme, ist in meinen Augen nicht erwähnenswert, sondern der Mindeststandard für die Teilnahme an der Gesellschaft. Mir ist es daher viel lieber, keine "Bewertungen" zu bekommen, seien sie auch noch so positiv oder "gut gemeint".

Das bedeutet umgekehrt auch, dass mich "Komplimente" auch nicht so schnell verletzen können, weil ich nicht allzu viel darauf gebe, ob Person X der Meinung ist, dass ich viel schöner aussehe, wenn ich "etwas aus mir mache". Stimmt. Ist mir trotzdem zu blöd für alle Tage. Und die berühmten hinterfotzigen Pseudo-Komplimente, die als Beleidigungen gedacht sind im Sinne von: Toll, dass du dich so auf die Straße traust! finde ich eher lustig, weil sich hier offensichtlich jemand daran hochziehen muss, andere Leute zu beurteilen.

Ich denke eine solche Situation oder zumindest ähnliche Situationen aus deinem Beispiel haben schon viele (vor allem) Frauen erlebt. Gerade dieses „Hast du abgenommen. Steht dir gut.“ oder „Du siehst so schlank richtig gut aus.“ impliziert ja oft das man vorher auf denjenigen wohl nicht so attraktiv gewirkt haben muss. Und das kann unter Umständen schon schmerzen. Wobei ich glaube, dass diese Komplimente, die in gewisser Weise dann nach hinten losgehen, nie wirklich böse gemeint sind, auch wenn sie anders rüberkommen bzw. man sie anders auffasst.

Deshalb versuche ich mich von solchen Komplimenten nicht verunsichern zu lassen bzw. nehme sie einfach wirklich als Kompliment und unterstelle dem anderen nicht gleich, dass er mich beleidigen wollte. Eine Freundin von mir ist zum Beispiel von Natur aus Blond und hat sich irgendwann die Haare Dunkelbraun färben lassen. Fast alle haben Ihr daraufhin mitgeteilt, dass sie mit den dunkleren Haaren viel besser aussehen würde, als mit den blonden Haaren. Auch wenn sie durch die Blume gesagt haben, dass sie eben vorher nicht so hübsch aussah, hat sie sich trotzdem einfach über die Komplimente gefreut. Und dies ist vermutlich auch der beste Weg um mit solchen Komplimenten umzugehen.

Komplimente bezüglich des Äußeren finde ich häufig recht schwierig. Je nachdem, wer sie macht und in welchem Kontext, können sie einfach unangebracht sein. Sowas empfinde ich dann weniger als verletzend, als einfach als unangenehm und empörend.

Verletzende Komplimente kenne ich aber auch, ein Beispiel einer Kommilitonin fällt mir da ein. Als wir in einem Seminar zur Statistikvorlesung einige Aufgaben besprochen haben und eine Kommilitonin kurz die Aufgabenstellung an die Tafel schreiben sollte, wurde sie dafür von dem Tutor so überverhältnismäßig, fast überschwänglich, gelobt, dass es ihr dann auch sichtlich unangenehm war.

Es kann natürlich sein, dass er sich in dem Fall nicht über sie lustig gemacht hat, sondern es wirklich eigentlich nett meinte und ihr Selbstbewusstsein stärken wollte o. Ä. Die Interpretation ist ja auch immer eine Sache. Wenn ich einer Freundin sage, dass ihre Bluse ihr gut steht, sage ich damit ja nicht, dass ich quasi „rückwirkend“ jegliche andere Kleidung nicht schön fand.