Welche Dinge können als Ersatzreligion betrachtet werden?
In der heutigen Zeit ist kirchliche Religiosität eher "unmodern" und viele Menschen suchen sich ihre Ersatzreligionen, um danach zu leben. Das kann eine bestimmte Art der Ernährung sein, das kann aber auch eine eigene Weltanschauung sein. Kürzlich las ich, dass früher die Menschen sogar Verschwörungstheorien als eine Ersatzreligion betrachtet haben.
Welche Dinge können eurer Ansicht nach noch als eine Ersatzreligion betrachtet werden und warum? Müssen dazu bestimmte Faktoren und Bedingungen erfüllt werden oder kann im Prinzip alles als Ersatz dienen? Welche Erfahrungen und Beobachtungen habt ihr in dieser Hinsicht gemacht?
Ich denke, dass viele auch ihr Hobby oder auch ihre Lieblingsgruppen als Ersatzreligion ansehen. Das kann ich aber nicht bewerten, weil ich dies nicht so handhaben würde. Auch Buddhismus oder Hinduismus sind doch Ersatzreligionen und eine Lebenseinstellung, die nichts Religiöses an sich haben.
Für mich gehört dazu alles, was dogmatische Züge annimmt. Also wenn man bestimmte Glaubensgrundsätze übernimmt und nicht kritisch hinterfragt. Zum Beispiel der Glaube der Veganer, dass der Verzicht auf tierische Produkte immer besser ist. Ist totaler Blödsinn, vor allem wenn die Ersatzprodukte nicht natürlichen Ursprungs sind, wie Plastik, aber das wird genauso wenig einer kritischen Prüfung unterzogen wie der Glaube an Götter.
Dann ist da natürlich die Einteilung in "uns" und "die anderen", wobei die anderen eine Art Feindbild darstellen oder zumindest Personen, die noch nicht bekehrt sind und die man deshalb bekehren muss.
Verschwörungstheorien und dieser ganze "Fake News" Glaube fallen auf jeden Fall in diese Kategorie und ich verstehe nicht, warum die meinst, dass das nur früher so war. Das Thema ist doch so aktuell wie nie. Extreme Ernährungsformen gehören da sicher auch dazu und allgemein alles, was mit Gesundheit zu tun hat. Es gibt auch sehr dogmatische Sportler und Fankulturen, die eher Fankulte sind.
celles hat geschrieben:Auch Buddhismus oder Hinduismus sind doch Ersatzreligionen und eine Lebenseinstellung, die nichts Religiöses an sich haben.
Ist klar. Sind ja nur zwei der größten Weltreligionen.
![:lol:](https://www.talkteria.de/images/smilies/icon_lol.gif)
Ja, ich habe auch ein Problem damit, Buddhismus und Hinduismus bestenfalls als pseudoreligiöse Ersatzbefriedigung abzutun. Es stimmt zwar, dass der Buddhismus in seiner Reinform eher eine philosophische Strömung darstellt, und keinen Gott oder ähnliches kennt, aber das ist meines Wissens den meisten Anhängern dieser Glaubensrichtung verständlicherweise zu hoch, sodass sie Buddha oder diverse Heilige durchaus vergleichbar mit anderen Religionen verehren.
Auch davon abgesehen finde ich, dass Cloudy mal wieder recht hat. Nach meiner Theorie haben viele Menschen ein Bedürfnis danach, sich an wie auch immer gearteten "höheren" Werten zu orientieren und sich einer Gemeinschaft anzuschließen. Früher hat da die organisierte Religion eine entscheidende Rolle gespielt, heutzutage gibt es daneben noch zahlreiche andere Lebensentwürfe, die dieses menschliche Bedürfnis erfüllen können. Mit allen Vor- und Nachteilen natürlich: Ich sehe es ebenso kritisch, sich blind einer Religion oder esoterischen Richtung anzuhängen wie einem Ernährungsstil oder dem berühmten Fitnesskult.
Von daher bin ich ebenfalls der Meinung, dass jeder Lebensstil zu einer Ersatzreligion führen kann, wenn sich Züge einschleichen, die sonst nur einer Glaubensrichtung vorbehalten sind. Das können die schon erwähnten Dogmen sein: "Wer das und das isst/tut, gehört nicht zu uns und wird aus dem Orden der Veganer/Gewichtheber/Vögelbeobachter ausgeschlossen!" oder die Existenz von Quasi-Gurus, Heiligen oder Lichtgestalten, die die Bewegung anführen und deren Wort in Bezug auf was auch immer Gesetz ist, sodass jemand, der etwas gegen Attila Hildmann sagt, von Vornherein einer von den "Bösen" ist. Überspitzt formuliert.
Auch die schon erwähnte Abgrenzung "wir" gegen die "anderen" würde ich dazu zählen, wenn sich eine Gruppe im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit zu sein wähnt, ist das immer ein schlechtes Zeichen, egal, ob dies nur der Identifikation dient oder ob man versucht, Andersdenkende aktiv zu missionieren. All dies ist mir in meinem Alltag schon öfter bei Leuten begegnet, die entweder fanatische Fans von irgendetwas sind oder sich einem bestimmten Ernährungsstil oder einer Sportart verschrieben haben. Ich glaube daher, dass prinzipiell alles vom Langlauf bis zur Kindererziehung zur Ersatzreligion werden kann, wenn man vom Charakter her dafür empfänglich ist, an etwas zu glauben und sich mit anderen zusammenzuschließen.
Ich würde so weit gehen zu sagen, dass jeder von uns mehrere "Götter" hat, die er verehrt und Zeit sowie Energie widmet. Es folgen zwei Beispiele.
Der "Fußballgott" / "Gott des Sports": Viele Deutschen investieren nicht nur viel Energie in Sport sondern auch in dessen Beobachtung, Bewertung und Verehrung. Wenn Fußballmannschaften gewinnen oder verlieren, fließen auch bei harten Männern Tränen. Es gibt Rituale, Dogmen, Priester (Spieler und Trainer), Propheten (Reporter und jeder Fußballfan), Gut und Böse.
Musik: Bestimmte Größen in der Musik erfahren eine fast religiöse Verehrung: Konzerte als Ersatzgottesdienste, Musik als (frohe) Botschaft, Bewusstseinserweiterung.
Das meiste wurde ja schon genannt, ganz vorne sehe ich auch Verschwörungstheorien, Esoterik, Veganismus, Homöopathie und den Glauben an eine heilbringende Natürlichkeit, die so gar nicht gegeben ist. In einem anderen Thread kam mal die Frage danach auf, ob man seine Plazenta essen würde. Das ist für mich ein perfektes Beispiel für fehlgeleiteten Glauben an die allumfassende Heilkraft der Natur. Dem einen sein Weihwasser, der anderen ihre Plazenta.
Umgekehrt können aber auch die Gegner von all dem fast genauso fanatisch werden und sich wie Kreuzzügler zusammenschließen, um all das oben genannte vehement und mit hohem Einsatz zu bekämpfen. Es gibt Leute, die ihre ganze Freizeit damit zubringen, sich mit ähnlich Vernunftorientierten zusammenzuschließen und die fehlgeleiteten Homöopathen oder Naturkinder zu kritisieren und zu verhöhnen. Es gibt sogar ein Antiveganer-Forum, wo Leute sich zusammengetan haben, um sich tagaus, tagein mit den fanatischen Veganern zu beschäftigen.
Das sind dann Sachen, wo ich denke, dass die extreme Fixierung auf ein Thema genauso bedenkliche Züge angenommen hat wie bei denen, die nur für die Sache leben. Das ist dann eben ein Gegen die Sache und ihre Anhänger leben. Im Endeffekt aber auch aufgebaut wie eine Ersatzreligion mit dem absoluten Wunsch, den anderen endlich die Augen zu öffnen.
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