Wegen utopischer Wunschvorstellungen Beruf ergreifen wollen?

vom 17.05.2017, 20:45 Uhr

In der Oberstufe hatte ich eine Mitschülerin, die sich immer sehr schnell angegriffen fühlte. Sie wehrte sich verbal dann auch entsprechend und sie hatte schon einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dementsprechend war sie der Meinung, dass Anwältin eben der ideale Beruf für sie wäre und nach dem Abitur nahm sie tatsächlich ein Jura-Studium auf.

Ich fürchte nur leider, dass sie mit vollkommen falschen (Ideal-)Vorstellungen das Studium aufgenommen hat. Denn Recht haben und Recht bekommen sind oft zwei verschiedene Paar Schuhe. Ist eben alles Auslegungssache und wie die Gesetze interpretiert werden und die Richter hinterher auch entscheiden, ist nicht immer gerecht. Als Anwalt muss man ja auch seine persönlichen Gefühle ausklammern können und darf nicht direkt alles persönlich nehmen, was ihr aber leider nicht möglich gewesen ist.

Sie konnte nie sachlich argumentieren und flippte immer direkt aus, wenn sie sich diskriminiert fühlte. Kennt ihr auch Menschen, die wegen utopischer Wunschvorstellungen einen Beruf ergreifen wollten, der so gar nicht zu ihnen passte? Sind diese Menschen selbst Schuld, wenn sie sich vorher nicht wirklich informieren oder seht ihr das anders?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



In einem anderen Beitrag über das Lehramtsstudium habe ich heute erst von Kommilitonen berichtet, die das Studium aufgenommen hatten, um später mal ihre eigene Schulform zu gründen. Also tatsächlich eine neue Schule zu erfinden, neben den staatlichen Schulen, Waldorf und Montessori.

Das halte ich auch für ziemlich utopisch. Ich bin mir nicht sicher, wie ernst das gemeint war, weil das Menschen waren, mit denen ich mich nur mal kurz unterhalten habe und keine guten Bekannten. Davon zu träumen und das wirklich als Motivation zum Studium zu nehmen, sind ja auch noch mal verschiedene Dinge.

Aber letztlich haben doch viele Wunschvorstellungen von ihren Berufen. Immerhin kann man mit ein und demselben Ausbildung verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen ausüben. Als Einzelhandelskauffrau kann man bei Rewe oder in einem coolen Start-Up arbeiten. Als Friseur kann man in einem kleinen Laden den Dorfbewohnern Dauerwellen machen oder aber Stars für ihre großen Auftritte frisieren.

Kaum jemand wünscht sich die langweilige Variante seines Berufes. Die aufregenden Varianten sind aber schwieriger zu bekommen, man muss richtig gut sein in seinem Job und sich zielstrebig voranarbeiten. Dass das nicht jeder schafft, ist klar. Ich denke, im Laufe der Jahre werden dann einige auch etwas bodenständiger und passen ihre Vorstellungen der Realität an. Das heißt ja noch lange nicht, dass sie vollkommen fehl am Platz sind in dem betreffenden Beruf.

Aber bei einigen ist das Ankommen in der Realität auch schmerzhafter. Ich hatte auch eine Mitschülerin, die schon immer vorhatte, Medizin zu studieren. Etwas anderes kam nicht in Frage und sie hat viel gelernt, um den nötigen Notendurchschnitt zu erhalten. Tja, nach einem Semester hat sie ihr Studium beendet, weil es doch nichts für sie war. Wenigstens hat sie es früh gemerkt und konnte noch umlenken.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


So schlimm finde ich das nicht, denn ich glaube, dass viele Menschen einen Beruf aufgrund irgendwelcher Ideale ergreifen. Wer Krankenschwester wird, identifiziert sich ja auch weniger mit Schieber wegräumen oder Hintern abwischen, sondern eher mit einer gewissen idealisierten Vorstellung der helfenden Schwester. Wer Ingenieur werden will stellt sich vielleicht auch etwas anderes vor als Kundenangebote ausrechnen usw.

Irgendwie hat man doch bei der Berufswahl immer ein anderes Bild und sieht nicht die negativen Seiten oder die langweiligen Aspekte. Wenn man immer ein realistisches Bild hätte, auch vom Negativen, dann würde das vielleicht so abschrecken, dass man gar keinen Beruf mehr attraktiv findet.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Zitronengras hat geschrieben:So schlimm finde ich das nicht, denn ich glaube, dass viele Menschen einen Beruf aufgrund irgendwelcher Ideale ergreifen. Wer Krankenschwester wird, identifiziert sich ja auch weniger mit Schieber wegräumen oder Hintern abwischen, sondern eher mit einer gewissen idealisierten Vorstellung der helfenden Schwester. Wer Ingenieur werden will stellt sich vielleicht auch etwas anderes vor als Kundenangebote ausrechnen usw.

Das sehe ich ebenfalls so und viele ergreifen Berufe ohne sich vorher Informiert zu haben oder sich das ganze mal real angeschaut zu haben. Das habe ich im Rettungsdienst gesehen was dort aufgeschlagen ist, dort dachte man auch man kann Leuten helfen und hat nicht einsehen wollen, dass man auch Leute beim sterben begleitet und nicht immer etwas machen kann. Eben auch, dass nicht alles voller Spannung und Action ist, sondern auch mal langweiliger Einheitsbrei oder auf dem Sofa liegen oder die stupiden Abrechnungen zu machen und Schubladen zu putzen mit der Zahnbürste in der Fuge.

Wenn es danach ginge, dann müsste ich Medizin studieren und in die Neurochirurgie gehen. Denn nach der Schule hatte ich vor allem den Wunsch, dass ich in Leuten herum stochern und wühlen wollte. Das Hirn fand ich besonders Interessant einfach bei einem wachen Menschen mal rein pieken und schauen was passiert. Immer noch eine nette Vorstellung und habe ich das gemacht? Nein habe ich nicht, ich habe mich informiert und aus anderen Gründen das Medizinstudium sein gelassen und mich anderweitig orientiert. Zudem auch die Frage gewesen wäre, hätte ich mit der Ausbildung hinterher tatsächlich in Hirnen stochern können wie es mir beliebt, mit Sicherheit nicht. Das Stochern in den Menschen kann ich auch anderweitig mit weniger Aufwand, ist dann vielleicht nicht das Hirn aber auch andere Dinge sind "nett" und haben mich Interessiert. Nur hat das auch mit der Zeit dann nachgelassen und ich mache inzwischen auch wieder etwas anderes.

Das was man ich vorstellt weicht nicht selten von der Realität ab und auch wenn man sich das vorher anschaut mit einem Praktika, deckt eine Woche oder wenige Tage auch nie alles mit ab, dass man wirklich alles gesehen hat was man hinterher auch machen muss. Zudem das auch noch unterschiedlich ist je nach Unternehmen und Kompetenzen die man dann übertragen bekommt. Gleicher Beruf und zwei Unternehmen können dann schon Unterschiede wie Tag und Nacht sein.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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