Was wird aktuell in der Ukraine als Sachspenden gebraucht?
Wir haben bereits Geld gespendet. Dennoch fährt eine Arbeitskollegin meines Mannes, weil sie selber ursprünglich aus der Ukraine stammt, mit Sachspenden dorthin und hat dann eben gefragt, wer noch etwas spenden will. Natürlich sind wir da dabei. Ich denke mal abgepackte Lebensmittel sind wichtig, warme Kleidung aber was denn noch? Was wird denn aktuell gebraucht? Habt ihr selber auch schon Sachspenden abgegeben?
Bei uns geben die Hilfsorganisationen an, was gebraucht wird. Man sollte nichts einfach so vorbeibringen. Kleidung wird zum Beispiel im Moment nicht gebraucht. Unter den benötigten Sachspenden sind unter anderem Hygieneartikel, Windeln, Babygläschen, Rucksäcke, Kartons zum Verpacken und rezeptfreie Arzneimittel. Ich habe nicht viel und konnte nur eine Packung Paracetamol geben. Mein Sohn ist kürzlich umgezogen. Den werde ich noch bitten, seine Umzugskartons vorbeizubringen.
Ich würde nichts spenden, ohne vorher nachzufragen, sonst liegen da nur Unmengen an Sachen herum, die niemand braucht. Bei uns ist das sehr gut organisiert. Es gibt Listen, wo man eintragen kann, wie man helfen kann, zum Beispiel mit einer Unterkunft, als Dolmetscher, mit einem Auto oder LKW oder einfach als Hilfe zur Essensausgabe und so was. Also an deiner Stelle würde ich einfach nachfragen und nicht einfach irgendetwas einpacken.
Es wird doch in den sozialen Medien sehr gut kommuniziert was aktuell benötigt wird. Da kann man vorher nachfragen bzw. nachlesen. Wir wissen hier ja nicht wo die Lieferungen hingehen sollen im Land, daher kann dir auch niemand wirklich etwas dazu empfehlen.
Bei uns ist es zum Beispiel so, dass die Stadt eine befreundete Stadt in der Ukraine hat. Es werden Geldspenden erbeten, damit man gezielt das kaufen kann, was der Bürgermeister von dort als benötigt meldet. Andere Organisationen melden aktuell, dass genug Kleidung vorrätig ist und man mehr Hygieneartikel und haltbare Lebensmittel benötigt. Es ist also überall ein wenig unterschiedlich, was gerade gesammelt wird.
Ich habe gerade gestern einen Beitrag gesehen, in dem explizit darum gebeten wurde NICHT den Kleiderschrank auszumisten und das als "Spende" zu deklarieren. Dort, irgendwo an der Grenze, ersticken sie wohl fast in Altkleidern und den berüchtigten Kuscheltieren natürlich.
Natürlich kann es sein, dass solche Sachen doch irgendwo gebraucht werden, es gibt ja Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, aber so was erfragt man nicht in einem Forum sondern direkt bei den entsprechenden Organisationen.
Außerdem muss man auch nicht in die Ukraine fahren um zu helfen. Es gibt bei uns inzwischen genug Flüchtlinge, die wahrscheinlich nur das Nötigste dabei haben. Wir haben in der Firma zusammen mit anderen Firmen eine Geschichte für Büromaterial am laufen, damit die Kinder schnell mit Schulsachen ausgerüstet werden können ohne, dass erst Anträge ausgefüllt werden müssen.
Ehrlich gesagt war mein erster Gedanke, als es um "Sachspenden" ging auch: Herrje, jetzt räumen die Deutschen wieder ihre Kleiderschränke aus und sind dann enttäuscht, weil die ankommenden Menschen keine Winterjacke brauchen, weil sie selber schon eine anhaben.
Und allmählich sickern ja auch wieder die ersten Berichte durch, dass wie immer die Hälfte von dem Zeug unbrauchbar sei und Fragen wie Anstand und Menschenwürde hinter "Die sollen froh sein um jeden Brocken, den wir ihnen hinwerfen!" zurücktreten.
Ich sehe Sachspenden von privaten Initiativen generell kritisch, weil sie zwar oft "gut gemeint" sind, aber mehr Ressourcen binden als sie liefern. Ich meine, was ist effektiver? Einen Lieferwagen voll Verbandszeug bei Bedarf von Geldspenden vor Ort kaufen, oder aus 20 privat angelieferten Wagenladungen die Verbandskisten händisch herausfiltern? Oder schlimmer noch, aus 200 gemischten Kisten von Privatleuten jeweils die Packung Schmerztabletten und die fünf Müsliriegel unter den Altkleidern und den berühmten Kuscheltieren raus zu fischen? Dafür hat keiner Zeit, geschweige denn den Platz, die Tonnen von Zeug irgendwo zwischenzulagern, weil jeder Quadratmeter für Menschen gebraucht wird.
Ich sehe das nach zwei deprimierenden Wochen mittlerweile pragmatisch. Die Ukraine als Staat braucht keine Müsliriegel, sondern Munition. Da bin ich raus. Die UkrainerInnen, die in belagerten Städten festsitzen, brauchen tragischerweise nicht darauf zu hoffen, dass sich ein Hilfskonvoi mit Windeln aus Bayern zu ihnen durchkämpft. Und die Menschen, die gerade jeden Tag mit mir im Zug unterwegs sind, brauchen offensichtlich erst mal ein Bett, eine Dusche, eine warme Mahlzeit und Internetzugang.
Von daher beschränke ich mich lieber auf Geldspenden und warte erst mal ab. In ein paar Wochen wird die Hilfs- und Spendenbereitschaft nämlich garantiert rapide nachlassen, wenn den Leuten dämmert, dass die Leute mit den Daunenjacken immer noch da sind und erst mal bleiben werden. Und immer noch keine Altkleider brauchen.
Medikamentenspenden, auch rezeptfreie Arzneimittel sind aktuell auch schwierig. Aufgrund der deutschen Beschriftung kann es durchaus zu Kommunikationsproblemen bekommen. Also ich würde dann eher auf Verbandsmaterial, Tragen, Erste-Hilfe-Koffer oder ähnliche Materialien setzen und keine Medikamente verschicken. Auch meinen es viele Menschen gut und schicken nicht verbrauchte oder abgelaufene Medikamente los. Das ist jedoch schlichtweg Abfallentsorgung, mag sein, dass die Medikamente noch brauchbar sind, aber ich finde es unsinnig.
Polen und andere Länder schicken schon Medikamente in die Ukraine mit verständlichen Beschreibungen, sei es auf Russisch oder Ukrainisch. Meine Partnerin unterstützt momentan viel beim Sortieren der Hilfsgüter und erzählt mir teilweise, dass manche Leute ihre gebrauchten und teilweise echt ungepflegten Sachen dort abgeben. Durchgelegene Matratzen, total versiffte Kleidungsstücke oder tonnenweise Spielzeug, welches eh nicht über die Grenze kommt. Geldspenden kommen dann eher und besser an als gutgemeinte Hilfsgüter.
Sie meinte aber auch, dass viele Güter gar nicht in der Ukraine ankämen. Für Medikamente und Verbandsgüter und medizinisches Material gibt es anscheinend einen offenen Grenzübergang, über den das Material auch transportiert werden darf. Vielleicht gehen auch Babygläschen oder Babyutensilien dort mit rüber. Die Krankenhäuser melden anscheinend auch ihren Bedarf und die Dinge, die dringend gebraucht werden und das wird dann dorthin transportiert. Aktuell scheint Polen übrigens auch Probleme mit der Lieferung von medizinischem Material zu haben, vielleicht kann man auch dorthin spenden, damit dort die Reserven auch wieder aufgefüllt werden.
Wir hatten uns auch schon informiert, um zu sehen, was gebraucht wird und was wir eventuell hätten und abgeben könnten. Aber überall heißt es nur, dass man auf keinen Fall irgendwelche Sachen spenden soll. Überall heißt es nur, dass man ausschließlich Geld braucht und nichts anderes. Da ist dann auch die Rede davon, dass schon große Berge an Kleidung an der polnischen Grenze liegen würde und man eben nur die Müllberge vergrößere.
Derzeit kann die Ukraine ja gefühlt alles gebrauchen. Das klingt an dieser Stelle etwas süffisant, aber es ist nicht so böse gemeint, wie es womöglich rüber gekommen ist. Es ist allerdings wirklich so, dass die Ukraine und die Bewohner einfach wirklich vom einfachen Wasser bis zum Desinfektionszeug über Kopfschmerztabletten zur Bekleidung, Tierfutter & Co benötigen. Denn das meiste ist in den Läden einfach nicht mehr verfügbar, weil viele natürlich einfach auch keinen Nachschub bekommen und andere aus Sorge geplündert haben.
Natürlich ist auch Geld wichtig. Damit wird sicherlich auch im Ausland irgendwie für Verpflegung zu Beginn gesorgt, etwaige Pässe besorgt usw. All das kostet ja auch hierzulande Geld und dieses muss man irgendwo ja auch aufbringen können. Es erwartet jedoch niemand, dass man all das mitgenommen hat in Angst und Schrecken vor den Raketen. Das würde ich gar nicht erwarten, aber dafür sind Gelder natürlich super, weil von Sachspenden bezahlen sich eben keine Passbilder usw.
Somit bleibt leider wirklich festzuhalten, dass die Ukraine und die Ukrainer selbst einfach alles brauchen, was für uns hier derzeit selbstverständlich wirkt. Von der einfachen Bekleidung über Seife, Nahrungsmittel, Wasser, Socken bis Geld. Das ist alles so trivial für viele, aber es ist genau das, was andere Menschen, die nun vor Krieg in die Obdachlosigkeit fliehen und irgendwo unterkommen müssen, nun brauchen.
Das was wir all den Menschen nicht geben können, ist eine friedliche Heimat. Eine Heimat, die ihnen gehört und nicht Russland. Das geht leider nicht und viele werden nie wieder zurückgehen können, weil alles zerstört ist und die Reparaturen und der Wiederaufbau Jahrzehnte dauern wird.
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