Was versteht ihr unter einem Kulturschock?
In einem Thread hier kam das Wort Kulturschock vor. Trotz Recherche kann ich mit dem Begriff nicht so wirklich etwas anfangen. Ein Schock ist doch etwas, was plötzlich auftritt, für kurze Zeit sehr schlimm ist und meistens Nachwirkungen hat. Es muss schon eine völlig andere Kultur sein, in die man unvermittelt hineinkommt, dass man einen Schock bekommt, etwa eine Kultur mit grausamen oder sehr ekligen Angewohnheiten, die man schwer erträgt.
Wie versteht ihr den Begriff Kulturschock? Er scheint laut meiner Recherche ein länger andauernder Anpassungsprozess zu sein. Ist der Begriff Schock dann überhaupt passend? Gibt es ein anderes Wort für Kulturschock, der aussagekräftiger ist?
Unter einem Kulturschock ist kein Schock im üblichen Sinne gemeint, sondern eher eine Art Anpassungsstörung, wenn man längere Zeit im Ausland ist und mit den Gebräuchen, dem Alltag, dem Klima, den Lebensumständen etc. nur schwer zurecht kommt. Wobei es meistens nach einer längeren Zeit doch zu einer Gewöhnung kommt, sodass der Effekt des Kulturschocks im idealen Fall nach einer Weile abnimmt und man sich doch noch eingewöhnen kann.
"Grausame oder sehr eklige Angewohnheiten" gibt es in jeder Kultur, nur dass sie in der "eigenen" nicht so sehr stören, weil man es nicht anders kennt. Aber das nur am Rande. Auch der Begriff "Schock" muss in meinen Augen nicht auf etwas sehr "Schlimmes" hinweisen. Klar gibt es den Schock im medizinischen Sinne, aber wenn man über die Strompreise, Helene Fischers Bühnenkostüm oder irgendein Promi-Skandälchen "geschockt" ist, heißt das ja nicht, dass man ins Krankenhaus muss oder erst mal ein paar Tage außer Gefecht ist aufgrund des schockierenden Busenblitzers oder was auch immer.
Ein gewisser "Kulturschock" kann sich meiner Meinung nach recht schnell einstellen, sobald man nicht nur 14 Tage am Strand liegt, sondern sich auf eine andere Kultur tatsächlich einlässt. Ich war beispielsweise vor etlichen Jahren ein paar Monate in Polen. Man möchte meinen, dass es kulturell keinen großen Unterschied gibt und die Polen nicht "grausamer oder ekliger" sind als die Deutschen.
Das sind sie auch nicht , aber beispielsweise gehen da noch ganze Familien geschlossen sonntags in den katholischen Gottesdienst einschließlich Beichte und Zeug. Das kannte ich aus meiner Heimat nur noch von ganz konservativen alten Leutchen und habe mich echt gewundert, dass gesunde Teenager Sonntag morgens pünktlich um halb neun mit Oma, Mama und Papa und sämtlichen Geschwisterchen im ordentlichen Zwirn vor dem Altar antreten. Und solche kleinen und großen kulturellen Unterschiede können sich schon summieren und dazu führen, dass man sich als "Außenstehende" nicht von Anfang an perfekt wie zu Hause fühlt, sondern eher verunsichert, verwirrt oder manchmal schlicht genervt.
Gerbera hat geschrieben:Das sind sie auch nicht , aber beispielsweise gehen da noch ganze Familien geschlossen sonntags in den katholischen Gottesdienst einschließlich Beichte und Zeug.
Ich glaube, das würde bei mir auch einen Kulturschock auslösen, zumal ich selbst gar nicht religiös bin. Zwar bin ich katholisch aufgewachsen, habe aber schon während des Studiums weitgehend meinen Bezug zur Religion verloren. Wenn der sonntägliche Kirchgang in Polen flächendeckend eine große Rolle spielt, würde ich mich wahrscheinlich an den Sonntagen tatsächlich fremd und ausgeschlossen fühlen.
Und speziell beim Thema Religion fällt es meiner Ansicht nach auch schwer, sich an die lokalen Gepflogenheiten anzupassen, wenn man selbst ganz anders "tickt". Ich könnte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, den anderen zuliebe jeden Sonntag mit in die Kirche zu dackeln, weil mir das "Glaubensfundament" fehlt.
Meine Schwester hatte letzte Woche einen Kulturschock. Sie fährt gerade mit Caravan, Hund und Mann durch Europa und war sehr erstaunt, dass die Dänen mit dem Auto an den Strand bis direkt ans Meer fahren. Sie fand das als Grünen-Mitglied (SUV schlecht, Caravan gut) anscheinend nicht so toll. Ich finde das aber besser, als hinter dem Strand, wo was wächst, einen Parkplatz zu bauen. Für mich wäre das ein positiver Kulturschock gewesen.
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