Was tun wenn man Texte des Dozenten bewerten muss?

vom 03.12.2014, 23:43 Uhr

Ich habe ein Geschichts-Seminar zu einem speziellen Thema der Tiergeschichte. Nun ist es jedoch so, dass es nicht allzu viele bekannte Tierhistoriker gibt, wobei meine Dozentin zu den besten zählt, was sie zumindest selbst behauptet.

Da es nicht so viele oder zumindest nicht so viele bekannte Wissenschaftler in diesem Bereich gibt, müssen wir auch immer wieder Texte lesen, die meine Dozentin selbst geschrieben hat. Diese Texte sind dann immer die Basis für die jeweiligen Sitzungen und werden daher auch ausführlich besprochen und kritisiert. Allerdings finde ich es immer schrecklich, die Texte meiner eigenen Dozentin bewerten zu müssen und da wir auch nicht so viele Leute sind, würde ich auch nicht auf die Idee kommen, negative Kritik zu äußern.

Wir mussten auch schon zweimal jeweils zwei Texte miteinander vergleichen, wobei einer der Texte immer von meiner Dozentin selbst war und einer von einem anderen Wissenschaftler. Ich fand beide Male die Texte des anderen Wissenschaftlers deutlich besser und habe auch vor dem Seminar mitbekommen, dass es meinen Kommilitonen genauso ging. Trotzdem äußerte dann während des Seminars nur jeder Kritik an dem Text des uns nicht bekannten Wissenschaftlers, weshalb die Dozentin natürlich nur positives Feedback bekam.

Ich kann verstehen, dass sich die Texte der Dozenten selbst meistens am besten für die jeweiligen Seminare eignen, wobei ich es einfach daneben finde, dass man diese dann auch noch öffentlich bewerten und kritisieren muss. Ich denke, dass man durchaus Kleinigkeiten ansprechen kann, aber offen sagen, dass er den Text nicht gut fand, wird wohl ohnehin niemand. Außerdem kommt es für mich auch ehrlich gesagt etwas "eingebildet" herüber, wenn ein Dozent fast immer nur eigene Texte verwendet. Das kenne ich aus anderen Seminaren eigentlich gar nicht und noch nie hatte mir ein Dozent so sehr eigene Texte aufgedrängt. Stattdessen erwähnen die meisten Dozenten nicht einmal ihre Bücher, wohingegen uns die Dozentin des Tiergeschichte-Seminars ihr Buch quasi immer direkt vor die Nase hält.

Empfindet ihr es auch als unangenehm, wenn ihr die Texte des Dozenten bewerten müsst? Würdet ihr es euch trauen, offen Kritik zu äußern?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich denke es kommt drauf an, was für eine Veranstaltung das ist und wie sie bewertet wird. Gerade in Geschichte habe ich mitbekommen, dass man für manche Veranstaltungen eigentlich nur Leistungspunkte bekommt, wenn man sich zuvor elektronisch angemeldet hat. Man kann also nicht wirklich durchfallen und könnte es sich sogar leisten, in so einer Situation den Dozenten zu kritisieren, denn man ist ja fest angemeldet und es ist egal wie der Dozent auf die Kritik reagieren würde, man kann nicht rausgeworfen werden, weil die Anmeldungen über das Prüfungsamt laufen, komplett unabhängig vom Dozenten.

Dann gibt es Seminare, da zählt eigentlich nur die Anwesenheit und dass man ein Referat gehalten hat, wobei irrelevant ist, wie gut das Referat ist, weil es eh nicht benotet wird. Dann gibt es noch Seminare, wo man am Ende eine Klausur schreiben muss. Allerdings wird diese nicht wirklich benotet, es geht nur ums bestehen oder nicht bestehen.

Ich glaube gerade wenn man vom Dozenten abhängig ist, ist es schwierig, diesen zu kritisieren. Manche Menschen bekommen Kritik ja auch grundsätzlich in den falschen Hals und dann hat man als Student die A-Karte, gerade wenn man die Punkte für den Abschluss braucht.

Ich war mal in einer ähnlichen Situation, das war aber in der Oberstufe. Damals wurden die Deutschkurse eben zusammengewürfelt und man hatte nicht wirklich die freie Wahl, in welchen Kurs man gehen möchte. Durch das Zufallsprinzip kam es dann so, dass wirklich die schüchternsten aus der ganzen Oberstufe alle in einem Kurs gelandet sind. Normalerweise ist das ja eher gemischt und es sind ein paar "Streber" dabei und auch ein paar Schüchterne, eben von allem etwas.

Aber in diesem Kurs war niemand, der sich auch sonst oft gemeldet hätte und der Lehrer ist mit uns jedes Mal verzweifelt. Er stellte eine Frage und niemand wollte antworten und das ging echt über Wochen und Monate. Der Lehrer hatte irgendwann den Verdacht, dass es an ihm und seinem Unterrichtsstil liegt und änderte Zwischendurch auch seine Methoden, aber es half alles nichts.

Eines Tages kam er mit einem Zettel, den er austeilte. Eine Art "Test". Dort sollten wir unsere Namen eintragen und dann ausführlich erläutern, was uns genau an ihm oder seinem Unterricht nicht gefällt und was in unseren Augen verbesserungswürdig wäre. Es hat sich aber keiner getraut da irgendetwas hinzuschreiben, weil wir eben alle Angst hatten, dass er uns hinterher allen eine 6 wegen der Kritik reinwürgt. Erst als er versichert und betont hat, dass die Kritik an ihn keine negativen Konsequenzen für uns hätte, haben sich die ersten getraut, offener zu sein und haben auch alles niedergeschrieben.

Es gab dann auch tatsächlich keine Konsequenzen und er hatte auch keinen auf dem Kieker oder so, aber so etwas weiß man als Schüler/ Student eben vorher nicht. Eben weil der Lehrer auch einen sehr strengen und autoritären Ruf hatte und man in seinem Unterricht schon Angst hatte, zu Husten weil man ja dadurch seine Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Er hatte schon den Ruf, manche Schüler vor der ganzen Klasse zu demütigen, wenn ihm danach war und sie nicht seinen Anforderungen entsprachen.

Ich würde mir zunächst folgende Sachen überlegen und davon meine Entscheidung abhängig machen. Ich würde zunächst einmal mir die Frage stellen, ob ich die Dozentin denn noch länger "ertragen" muss oder nur dieses eine Semester. Wenn es nur das eine Semester ist, kann man ja anders handeln als wenn man noch länger von ihr abhängig sein würde. Noch dazu würde ich mir die Frage stellen, ob eine Klausur geschrieben wird oder nicht und wer diese Klausur korrigieren wird.

Manchmal korrigieren die Dozenten die Klausuren ja nicht selbst, sondern beauftragen "Sklaven" damit. Aber ich glaube im Großen und Ganzen wäre es besser, wenn man sie einfach subtil fragt, ob "richtige" Kritik denn überhaupt erwünscht ist. Vielleicht gibt es ja auch ältere Semester, die diese Dozentin schon kennen und die eigene Erfahrungen zu berichten haben, wie sie auf Kritik reagiert?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Olly173 hat geschrieben:Dann gibt es Seminare, da zählt eigentlich nur die Anwesenheit und dass man ein Referat gehalten hat, wobei irrelevant ist, wie gut das Referat ist, weil es eh nicht benotet wird. Dann gibt es noch Seminare, wo man am Ende eine Klausur schreiben muss. Allerdings wird diese nicht wirklich benotet, es geht nur ums bestehen oder nicht bestehen.

So ist das bei uns leider nicht. Bei uns ist das schon etwas strenger und es gibt Anwesenheitspflicht und man muss Referate halten. Am Ende des Semesters muss man dann auch immer eine Hausarbeit von etwa 25 Seiten schreiben, die auch von den Dozenten selbst benotet wird. Da kann man natürlich nie wissen, ob die Benotung wirklich nur nach Leistung oder auch nach Sympathie vollzogen wird und deshalb hätte ich eben Angst, mich erst unbeliebt zu machen und dann auf eine gute Note zu hoffen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



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