Was macht eine Alzheimer-Erkrankung so lebensgefährlich?
Aktuell gibt es so viele Alzheimer-Todesfälle wie noch nie und rund die Hälfte aller klinisch behandelten Patienten verstirbt an der Erkrankung. Bisher habe ich Alzheimer immer mit einer Art Gedächtnisverlust gleichgesetzt und nichts lebensbedrohliches darin gesehen. Was macht denn eurer Meinung nach eine Alzheimer-Erkrankung so lebensgefährlich und welche Umstände sind dann für den Tod eines betroffenen Menschen verantwortlich?
Wenn es nur ein bisschen Gedächtnisverlust wäre ... Betroffene im Endstadium können sich kaum noch bewegen, nehmen die Umwelt nicht mehr wahr und haben große Schwierigkeiten beim Schlucken und Atmen. Typische Todesursachen sind Lungenentzündung durch mangelnde Belüftung oder eingeatmete Speisen oder Getränke sowie eine Sepsis durch eine Entzündung eines Druckgeschwürs. Ein Dekubitus liegt halt nahe, wenn der Körper nur noch bewegungslos liegt.
Es stimmt schon, dass man an Gedächtnisverlust nicht so schnell stirbt, aber das Gehirn ist ja bekanntlich die Steuerzentrale für den Rest. Wie schon erwähnt, vergisst man mit Alzheimer als bekanntester Demenzerkrankung nicht nur irgendwelche Telefonnummern, sondern irgendwann auch, wie man selber heißt oder dass man die eine Frau da mal geheiratet hat. Und in logischer Folge dann eben auch, wie man allgemein spricht, isst, aufs Klo oder sonst irgendwohin geht bis hin zur völligen Bettlägerigkeit und Unfähigkeit, sich mitzuteilen oder jemanden zu erkennen.
Dass diese Entwicklung in Kombination mit meistens höherem Alter nicht gerade gesundheitsfördernd ist, auch wenn das Herz vielleicht noch etliche Jahre tapfer pumpt und die Verdauung funktioniert, sollte unmittelbar einleuchten. Auch wenn die Betroffenen dann nicht an "Gedächtnisproblemen", sondern an einer Lungenentzündung oder einer anderen Begleiterscheinung sterben, kann man meines Erachtens schon Alzheimer als eigentliche Todesursache ansehen. Da die Krankheit über Zeit fortschreitet, können zudem schon etliche Jahre vergehen vom Auftreten der ersten Symptome bis zum völligen Zerfall sämtlicher Fähigkeiten.
Alzheimer oder andere Formen der Demenz mit reinem Gedächtnisverlust gleichzusetzen ist ungefähr so wie zu behaupten, nach einer Jahrhundertflut steht die Wiese ein bisschen unter Wasser. Ist nicht falsch, trifft aber den Kern nicht. Oder um bei einem anderen Beispiel zu bleiben: Wenn's im Cockpit brennt, würde man wohl nicht behaupten, dass alles gar nicht so wild ist, weil der Gepäckraum unversehrt ist.
Und so ist es auch bei den Demenzformen: Früher oder später stirbt jeder Betroffene an der Demenz, selbst wenn er bei Diagnose noch jung war, also nicht zwingend mittelbar durch Altersschwäche oder andere Leiden, sondern oft direkt durch die Folgen der Krankheit, nämlich Immunschwäche, Krampfanfälle etc. Leider wird Demenz von vielen Leuten unterschätzt und mit reiner Vergesslichkeit gleichgesetzt, dabei wird die Steuerungszentrale unseres Körpers und Seins zu einer matschigen, gammeligen Nuss. Eine sehr gruselige Krankheit, für die man nicht mal alt sein muss. Erst kürzlich hatte meine Freundin im beruflichen Kollegenkreis einen Fall, wo jemand mit Mitte 50 in relativ kurzer Zeit der Krankheit erlegen ist.
Im Sommer konnte die Person noch eigenständig wohnen, zwar mit vielen Ausfallerscheinungen und eigentlich ständig notwendiger Betreuung, aber zumindest noch in der eigenen Wohnung. Im Winter war sie nach einigen Wochen im Pflegeheim tot. Eine andere Freundin hat ihre Mutter in den Fünfzigern an die Krankheit verloren, und auch die erste bekannte Alzheimerpatientin, deren Arzt dem Leiden den Namen gab, war in den frühen bzw. mittleren Fünfzigern.
Aber der Glaube, dass Alzheimer nur Vergesslichkeit ist, scheint weit verbreitet zu sein. Vor einigen Tagen saß ich aufm Balkon und durfte meiner naseweisen und stets bemüht gehässigen Nachbarin dabei zuhören, wie sie über ihre demente Schwiegermutter lästerte, dass diese zwar Demenz hätte, aber ansonsten ja kerngesund (!) wäre und sich nicht ständig mit ihren der Schilderung nach neurologischen Beschwerden wie Schwäche und Schwindel in den Mittelpunkt setzen sollte. Wörtlich: die hat nur Demenz, ansonsten ist die kerngesund! Bei so viel Ahnungslosigkeit musste ich mir Ohrstöpsel holen, weil ich das alles mal wieder gar nicht mehr hören konnte und wollte.
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