Was ist die deutsche Mentalität?

vom 25.01.2025, 17:56 Uhr

Es wird immer wieder über Mentalitäten gesprochen. Ich kann nachvollziehen, dass es einiges erleichtert, wenn einem bewusst ist, dass es Unterschiede zwischen Opfermentalität und Juristenmentalität gibt und dass sich die
kapitalistische und sozialistische Mentalität unterscheiden. Auch in den Religionen erkenne ich, dass sich Orthodoxe Christen oder Juden und Buddhisten unterscheiden in ihren Ansichten, ihrer Lebensweise, ihrem Glaubensalltag.

Auch erkenne ich durchaus Mentalitäten auf den Lebensstil bezogen, zum Beispiel die Abenteurer-Mentalität, Minimalisten-Mentalität, ländliche Mentalität, etc. Ich denke ihr wisst, was ich meine. Mit sowas kann ich mich teilweise auch identifizieren, sehe allerdings auch dabei Wandlungsmöglichkeiten.

Schwieriger fand ich immer nationale Mentalitäten, bzw. in unserem Fall speziell deutsche Mentalität. Ich erkenne durchaus, dass Pünktlichkeit in Deutschland eine höhere Wertigkeit hat, als in Kulturen, die weitgehend ohne Uhren leben. Und dass im afrikanischen Dschungel bei den Völkern Tradition und Familienzusammengehörigkeit einen höheren Wert hat, als hierzulande. Doch ich empfand deshalb nie eine deutsche Mentalität und kann auch nicht behaupten, dass jeder Ur-Deutsche dieselben Werte, Eigenschaften, Verhaltensweisen oder gar Vorlieben teilt.

Ich wüsste auch nicht, inwiefern sich die deutsche Mentalität beispielweise von der unserer (speziell deutschsprachigen) Nachbarländer unterscheidet. Zugleich erkenne ich erst recht keine europäische Mentalität, da aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung die Menschen zu unterschiedlich sind.

Wie seht ihr das? Könnt ihr definieren, was diese "deutsche Mentalität" ist und wo diese in eurem Alltag sichtbar ist?

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» Trisa » Beiträge: 3305 » Talkpoints: 34,27 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Die Niederländer finden an den Deutschen die Arroganz am störenden. Bei meiner beruflichen Tätigkeit als Grenzpendler hörte ich von meinem niederländischen Chef auch oft die Klage, dass es für die "Duitsers" so ganz typisch wäre, herumzumeckern.

Und das auch nicht nur außerhalb sondern vor allem während der Arbeit. Bei den Niederländern ist das anders geregelt. Beispielsweise sind Beschwerden über die Arbeitsbedingungen möglichst nicht als ständiges Genöle und schlechte Laune während der Arbeit gerne gesehen. Im Gegensatz dazu haben "Vakbonden", Gewerkschaften, auch während der Arbeitszeit freien Zutritt zu den Arbeitsplätzen, mit oder ohne vorherige Ankündigungen. Da können die Arbeitnehmer dann ihre besonderen Wünsche kundtun.

Der Grundsatz gilt: Bei der Arbeit hat man sich auf die Arbeit zu konzentrieren und sonst nichts. Gemeckert werden darf am Feierabend oder den "Vakbonden" gegenüber, oder zu Zeiten der eigens vorgesehenen "Meetings".

Und dass sich die Deutschen nicht daran halten, das finden die Niederländer so ganz typisch für Deutsche. Jedenfalls hatte ich den Eindruck. Die Erwartungshaltung der Niederländer am Arbeitsplatz führt im Endeffekt zu einer höheren Arbeitseffektivität und einem angenehmeren Arbeitsumfeld. Da können sich die Deutschen eine Scheibe von abschneiden. Jedenfalls wurde bei "unserer" Firma in den Niederlanden es sehr begrüßt, auch von den Deutschen, die zu Beginn ihrer Tätigkeit noch oft gemeckert hatten, dass das sehr schnell aufhörte, wenn man sie höflich aber bestimmt darauf hingewiesen hatte.

» Gorgen_ » Beiträge: 1160 » Talkpoints: 414,72 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Da es weder eine einheitliche deutsche Geschichte, noch eine einheitliche deutsche Kultur gibt, ist natürlich auch eine typisch deutsche Mentalität nicht vorhanden. Schließlich ist der Nordwesten eher niederländisch und englisch geprägt, was sich auch sprachlich zeigt. Im Nordosten ist es eher baltisch-preußisch im mittleren Westen mehr französisch und im Süden näher an Österreich und der Schweiz.

Allerdings finde ich schon, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern mit deutscher Sprache gibt. In Österreich lernt man sich im Meeting erst einmal kennen und kommt dann zur Sache. Dagegen findet man dieses Geplänkel Zeitverschwendung.

In Österreich gibt es selten schnell eine verbindliche Zusage, da bleiben die Optionen lange offen. Schweizer stecken zwar viel Zeit in Planung und Abstimmung, aber die Umsetzung ist top. Deutsche dagegen legen sich erst nicht fest und dann hapert es an der Umsetzung und man will nachverhandeln.

Deutschsprachige Schweizer sind erheblich mehr an Kunst und Kultur interessiert als Deutsche. In Deutschland zeigt man, was man hat. Das ist wiederum in Österreich verpönt, dafür sind dort Titel total wichtig und so weiter.

» cooper75 » Beiträge: 13426 » Talkpoints: 518,78 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Gorgen_ hat geschrieben:Beispielsweise sind Beschwerden über die Arbeitsbedingungen möglichst nicht als ständiges Genöle und schlechte Laune während der Arbeit gerne gesehen.

Da kommen mir frühere Promotion Jobs und Inventuren in den Niederlanden in den Sinn. Besonders in der Inventurkolonne war der Unterschied merklich zwischen deutschen und niederländischen Einsatzorten. Während wir in Deutschland manchmal fast angegiftet wurden, weil wir die Mitarbeitertoiletten nutzen und Pausen auf dem Parkplatz machten, gab es in den Niederlanden fast überall kleine Snacks. Und auch bei Fragen oder Schwierigkeiten war man (trotz Sprachbarriere) sehr viel offener.

Das hatte für mich aber nichts mit der Mentalität zu tun, sondern vielmehr damit, dass ein angemessener Umgang mit externen Personal natürlich auch zu weniger Beschwerden und höherer Zufriedenheit führt. Und ich denke umgekehrt wären Niederländer auch nicht begeistert, wenn sie bei Arbeitseinsätzen von oben herab behandelt werden.

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» Trisa » Beiträge: 3305 » Talkpoints: 34,27 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



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