Was ist der größte Fehler im deutschen Bildungssystem?

vom 26.03.2018, 05:35 Uhr

Ein Bekannter von mir ist der Ansicht, dass die Verbeamtung der größte Fehler im deutschen Bildungssystem wäre. Ich sehe das etwas anders und sehe eher die Fragmentierung der Bildung als Problem an.

Was empfindet ihr persönlich als größten Fehler im deutschen Bildungssystem und warum? Seht ihr da eher inhaltliche oder strukturelle Probleme? Wie könnte man diesen "größten Fehler" eurer Ansicht nach beseitigen?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich finde nicht, dass man pauschal "den größten Fehler" benennen kann. In meinen Augen fängt es schon während einem Studium im Bereich Lehramt an. Ich sehe im Bekanntenkreis, dass leider viel zu wenig praktische Erfahrung gesammelt werden und dann die Überforderung mit dem eigentlichen Beruf groß ist. Allerdings ist nach rund sieben Jahren Studium auch ein neues Studium oder ein genereller Perspektivwechsel nicht mehr so leicht möglich, daher stehen oft überforderte und unzufriedene Lehrer vor den Schulklassen.

Auch haben die meisten Lehrer keinerlei weitere Berufspraxis, musste niemals eine richtige Bewerbung verfassen und können daher kaum nachvollziehen, welche Inhalte für die Schüler wirklich wichtig wären. Natürlich geht es vor allem in der Grundschule auch um Pädagogik, jedoch sollten gerade Lehrkräfte in höheren Klassen den Schülern auch Kenntnisse vermitteln die speziell im zukünftigen Leben, Allgemeinbildung und der Wirtschaft wichtig sind.

Ebenfalls ist das Schulsystem in meinen Augen viel zu starr. In vielen Bundesländern haben Schüler kaum Wahlmöglichkeiten bei den Leistungskursvertiefungen, sodass wirkliche Begabungen kaum ausgelebt werden können. Nahezu alle der erfolgreichsten Menschen zeigen jedoch, dass es eben nicht darauf ankommt, in allen Bereichen gut zu sein, sondern die eigenen Stärken bewusst zu fördern. Das wird im deutschen Schulsystem, beispielsweise im Vergleich zu skandinavischen Ländern, viel zu sehr vernachlässigt.

Als letztes würde ich auch die starken Unterschiede zwischen den Bundesländern als Problem sehen. Das Abitur und die Chance auf Studienplätze ist dadurch sehr ungerecht verteilt. Die Verbeamtung selbst hingegen würde ich nicht primär als Problem sehen. Ich glaube sogar, dass es ohne die Verbeamtung leider noch weniger Lehrer in Deutschland gäbe.

» bambi7 » Beiträge: 1248 » Talkpoints: 16,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich würde mal sagen, Geldsparmaßnahmen. Sicher gibt es für G8 und die Profiloberstufe auch noch andere Gründe neben Geldsparen, aber ich wage mal zu behaupten, dass das das ausschlaggebende Argument war. Dabei bin ich der Meinung, dass Bildung nun wirklich zu einem Bereich gehört, wo nicht gespart werden sollte.

Erstmal die Profiloberstufe. Man kann immer noch wählen, ja, aber ganz frei würde den Schülern erlauben, noch mehr ihre Stärken herauszuarbeiten. Denn egal, welches Profil man war, man hatte immer Deutsch, Mathe, und eine Fremdsprache als Kernfächer und somit auf "höherem" Niveau. So weit, so gut, nur leider habe ich es recht häufig gesehen, dass die Mathe-Asse wenig sprachenbegeistert waren, und umgedreht die Sprachtalente wenig mit Mathe anfangen konnten. Natürlich nicht alle - Ich war auch so ein seltsamer Schüler, der Mathe mochte, aber war im sprachlichen Profil - aber die Tendenz kam mir immer sehr deutlich vor.

Dazu noch muss jedes der drei Gebiete Sprachen, Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften im Abitur abgedeckt werden. Kurzum, es wird erwartet, dass die Abiturienten Allrounder sind, und wenn man alles so halbwegs kann, schneidet man besser ab als die, die in einer der Sachen absolute Spitzenklasse sind, im Rest aber eher mäßig. Das ist meiner Meinung nach wenig zielführend, denn später kann man sich ja auch deutlich mehr spezialisieren. Das geht aber nicht, wenn man wegen zu schlechtem Abitur abgelehnt wird, obwohl die schlechten Noten in Fächern sind, die man für das Studium nicht braucht. Ich sage ja nicht, dass der Rest nicht unterrichtet werden soll! Wichtig ist ein Grundwissen, ja, aber es sollte nicht unbedingt alles ins Abitur einfließen müssen.

G8 wurde auch eher schlecht umgesetzt. Ich war ja der letzte G9-Jahrgang, und durfte sehr häufig von den jüngeren Jahrgängen mitbekommen, wie schrecklich sie G8 fanden. Da sahen die Stundenpläne der fünften Klassen zweimal wöchentlich acht Stunden vor, während wir maximal sechs hatten. Und da waren wir noch recht weit vorne, weil wir uns freiwillig eine Fremdsprache mehr aufgehalst hatten als die anderen Klassen.

Daran kann man, denke ich, ablesen, dass der Lehrstoff nicht entsprechend angepasst wurde. Andere Länder haben auch nur 12 Schuljahre und es funktioniert; dafür braucht man aber auch einen darauf zugeschnittenen Lehrplan. Man kann nicht einfach versuchen, 9 Jahre Gymnasium auf 8 runterzustauchen. Oder, genauer gesagt, die 6 Jahre vor der Oberstufe auf 5, denn in der ersten Oberstufenklasse sollten alle gleichauf sein. Das sorgt natürlich für deutlich mehr Stress für die Schüler.

Wenigstens über die Studienzeit kann ich mich bisher nicht beschweren, oder eher, ich sehe sein, dass das, worüber ich mich sonst beschwere, eigentlich großteils sinnvoll ist. :roll:

» Kalu-chan » Beiträge: 718 » Talkpoints: 11,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich denke, wie meine Vorredner, dass es nicht den einen größten Fehler gibt. Die Verbeamtung ist meiner Meinung nach nicht der Grund dafür, dass einzelne ihre Arbeit schleifen lassen. Diese Menschen gibt es in jeder Branche. Das sind meist immer nur einzelne. Alle anderen sind mit großem Elan dabei.

Erst letztens meinte eine Kollegin, dass sie endlich mal wieder der Arbeit nachgehen würde, die sie auch studiert hat, nämlich das Unterrichten. Stattdessen muss sie in ihrem Unterricht immer wieder erzieherisch tätig werden, den Kindern beibringen, dass sie im Unterricht nicht wie in der Grundschule ständig rumlaufen sollen und andere Dinge.

In den höheren Jahrgangsstufen macht sich immer mehr die Meinung breit, dass man auch mit einem Vierer-Schnitt zufrieden ist. Dadurch ist es sehr schwierig sie überhaupt zum Lernen zu motivieren.

Wenn ich jetzt mal auf meine eigene Schulzeit zurückblicke und diese mit der heutigen Schulzeit vergleiche, dann finde ich nur wenig Gefallen am Ganztag. Bedingt durch den Ganztag muss es eine ausgedehnte Mittagspause geben. Zeit, in der ich damals mit meiner Familie zusammen saß, über meinen Tag berichtete und mich erholen konnte, bevor ich mich an die Hausaufgaben gesetzt habe.

Heute toben die Schüler über den Schulhof, sind umgeben von Lärm und können sich in dieser Zeit nur sehr schwer erholen. Im Anschluss an die Mittagspause haben sie noch zwei weitere Unterrichtsstunden. Allerdings ist um diese Uhrzeit meist nur sehr schwer an Unterricht zu denken. Die Tage sind einfach zu lang.

Ein offener Ganztag wäre meiner Meinung nach die bessere Alternative. Dann könnten auch kleine Förderkurse eingerichtet werden und die Vereinsarbeit besser integriert werden.

» pejosh » Beiträge: 19 » Talkpoints: 10,08 »



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