Was haltet ihr vom Coming-Out am Arbeitsplatz?
Eine Bekannte von mir ist lesbisch und sie wird von ihrer Schwester dazu ermutigt, sich am Arbeitsplatz zu outen und eben reinen Tisch vor den Kollegen zu machen. Ich habe diese Unterhaltung eher unfreiwillig mitbekommen und um ehrlich zu sein fehlt mir da das Verständnis.
Ich gehöre aber auch zu der Sorte, die am Arbeitsplatz so gut wie gar nicht über das Privatleben spricht. Ich finde, das geht einfach gar keinen was an und wenn ich nichts zu sagen habe, was sich direkt auf die Arbeit auswirkt, dann lasse ich solche Informationen weg. Wenn ich zu bestimmten Besprechungen nicht kommen kann, weil ich da einen privaten Termin habe, sage ich das natürlich ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Aber ohne jeden Grund gleich das halbe Privatleben auszubreiten halte ich für überflüssig und wenig professionell.
Ich spreche daher auch gar nicht über meine Beziehung und schon gar nicht über meinen Partner. Ich schäme mich nicht für ihn, aber ich finde derartige Informationen einfach unnötig, weil sie sich nicht auf meine Arbeitsleistung auswirken. Ich habe daher nicht mal meine sexuelle Orientierung erwähnt und finde, auch das ist überflüssig zu erwähnen.
Daher spielt es für mich keine Rolle, ob man hetero oder homosexuell ist, solange die Arbeitsleistung stimmt. Ich finde es eher befremdlich, wenn manche Menschen derartige Privatinformationen jedem ungefragt auf die Nase binden müssen. Wie seht ihr das? Was haltet ihr von einem Coming-Out am Arbeitsplatz? Ist das unbedingt notwendig oder überflüssig?
Wenn das an ihrem Arbeitsplatz jeder so hält wie du, fände ich es auch sehr befremdlich, wenn sie zwischen Gesprächen über Akten und Meetings plötzlich etwas über ihr Privatleben anmerken will. Egal, ob es dabei um ihre sexuelle Orientierung geht oder um etwas anderes.
Aber das ist ja nicht an jedem Arbeitsplatz und unter allen Kollegen so. Wenn immer mal wieder jemand etwas Persönliches erzählt, wäre so eine Bemerkung ja viel weniger Fehl am Platz. Wenn dann eventuell noch gefragt wird, ob sie einen Freund hat oder was sie am Wochenende macht. Oder sogar Witze über Homosexuelle gemacht werden. Dann kann sie durchaus erwähnen, warum sie keinen Freund hat, dass sie mit ihrer Freundin in den Zoo geht oder dass sie solche Witze nicht lustig findet. Oder ähnliches.
Es kommt auch darauf an, wie sie sich dabei fühlt. Wenn sie das Gefühl hat, ihren Kollegen etwas zu verheimlichen. Oder wenn sie Angst hat, ihren Kollegen in der Freizeit im Beisein ihrer Partnerin zu begegnen. Wenn sie daher Angst hat, mit ihrer Freundin Händchen zu halten. Oder sie glaubt, ihre Kollegen ahnen etwas und behandeln sie daher anders. Dann sollte sie einfach das tun, was sie für das Richtige hält und wodurch sie sich am Arbeitsplatz wieder wohler fühlt.
Aber von Problemen hast du gar nichts erwähnt. Wenn es keine Gespräche gab, in denen eine Bemerkung passend wäre; wenn sie ihre Kollegen nicht bewusst anlügen muss; wenn es nicht nötig ist, Stellung zu beziehen. Dann muss sie auch nichts sagen. Schon gar nicht einfach ins Blaue hinein. Es geht ja auch niemand hin und outet sich als heterosexuell.
Ich finde es generell ein bisschen befremdlich, wenn man jedem erklären muss auf welches Geschlecht man steht. Das muss einfach nicht sein, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen. Ich bin aber auch eher der Typ Mensch, der auf Arbeit nicht so viel über private Dinge spricht und deswegen würde ich solche Sachen auch nicht intensiv mit Kollegen besprechen und mich dort outen, wenn es so wäre.
Ich stelle mir das auch ein bisschen blöd vor, wenn man das so gezielt macht. Immerhin kann man sich ja schlecht hinstellen und sagen, dass man lesbisch oder homosexuell ist, weil da einfach kein Zusammenhang vorhanden ist zwischen dem normalen Arbeitsalltag und dieser Aussage.
Schon komisch: Bei den monogamen Cis-Het-Klassikern heißt es nie, dass man Arbeit und Privatleben gefälligst getrennt halten soll und Ehehälften sowie Kinder möglichst unerwähnt zu bleiben haben.
Selbst in meinem hoffnungslos überalterten Bürowürfel musste ich schon ein paarmal für einen Strampler spenden und auch einige wenige Babys wurden stolz während der Dienstzeit durch die Abteilungen getragen. Da war immer alles Ohh und Ahh und Wie süß!, und keine Silbe zu hören von: Ich will am Arbeitsplatz nicht wissen, dass du ohne Verhütung einen Mann gebumst und auch noch Nachwuchs rausgedrückt hast!
Nach meiner Erfahrung ist es am Arbeitsplatz genauso wie im Privatleben bestellt. Wenn du der Norm entsprichst, ist alles supi und wir sind die besten Freunde, oder tun zumindest so, wenn du abweichst, ist es Iiih und Bäh, darüber zu reden. Aber ich stelle es mir andererseits auch anstrengend und krampfig vor, überhaupt nicht über das Privatleben zu reden und sich selber zum reinen Büro-Roboter zu degradieren.
Von daher kann ich es schon nachvollziehen, dass manche Leute gerade in Arbeitsumfeldern, wo so getan wird, als seien alle die besten Freunde, irgendwann reinen Tisch machen und sich "outen", wie es so schön heißt. Und sei es auch nur, damit Frau Meier aus dem Sekretariat endlich aufhört zu fragen, wann frau endlich ihre Gebärmutter bestimmungsgemäß zu nutzen gedenkt.
Ich mag den Begriff outen nicht. Das hört sich für mich so an, als ob man vor versammelter Mannschaft etwas kundtut, also zum Beispiel Kollegen einberuft und erklärt, dass man in seiner Freizeit gerne im Keller an der Modelleisenbahn bastelt. Wenn es sich ergibt, erwähnt man das. Falls nicht, gibt es keinen Grund, das zu erzählen.
An meinen Arbeitsplätzen haben wir im engeren Umfeld oft über Privates geredet. Es wäre merkwürdig gewesen, wenn jemand so gar nichts darüber erzählt hätte, was er zum Beispiel am Wochenende gemacht hat, ob er verheiratet ist oder was seine Kinder so machen. Übrigens erzählen Männer sowas genauso gerne und intensiv wie Frauen, weil es immer heißt, dass Frauen eher über Privates reden. Das ist zumindest meine Erfahrung. Es gibt heutzutage keinen Grund mehr, zu sagen, dass man mit einer Freundin im Urlaub war, wenn es in Wirklichkeit ein gleichgeschlechtlicher Partner war. Oder nicht mit dem gleichgeschlechtlichen Partner zum Betriebsfest zu kommen. Wenn es gerade passt, muss man doch kein Geheimnis daraus machen.
Es gibt aber leider immer noch Arbeitsumfelder, wo es durchaus sinnvoll sein kann, das zu verschweigen. Aber ich will das hier nicht näher beschreiben, weil ich weiß, dass ich da Vorurteile haben, die vielleicht gar nicht stimmen. Ich kann es mir aber vorstellen. Aber es wird besser. Man sieht das am Beispiel von Fußballern, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen, siehe hier ein Artikel dazu.
So ganz selbstverständlich ist es aber leider noch nicht. Mein Sohn ist schon noch ab und zu blöd angemacht worden, wenn er in bestimmten Gegenden Hand in Hand mit seinem Partner ging. Er kann das aber mittlerweile ganz gut einschätzen, was wo geht. In seinem beruflichen und privaten Umfeld wird das aber genauso normal wahrgenommen, als ob er eine Freundin hätte.
Täubchen hat geschrieben:Ich gehöre aber auch zu der Sorte, die am Arbeitsplatz so gut wie gar nicht über das Privatleben spricht. Ich finde, das geht einfach gar keinen was an und wenn ich nichts zu sagen habe, was sich direkt auf die Arbeit auswirkt, dann lasse ich solche Informationen weg.
Naja, ich finde es ehrlich gesagt schon etwas kompliziert, wenn man so rein gar nichts Privates in der Arbeit erzählen soll. Schon wenn es um die Frage der Urlaubsplanung geht, ist man ja oft geradezu aufgefordert, etwas über den eigenen Familienstatus zu erzählen, wenn man beispielsweise zu einem bestimmten stark nachgefragten Zeitraum Urlaub haben möchte. Und auch sonst finde ich es wesentlich einfacher, wenn man nicht sämtliche privaten Themen komplett raushalten muss.
Sobald man aber etwas über das eigene Leben erzählt, kommt man oft kaum umhin, auch den eigenen Partner zu erwähnen. Und wenn dieser das gleiche Geschlecht hat wie man selbst, und wenn dies aus den eigenen Berichten zu entnehmen ist, hat man sich ja quasi schon "geoutet". Wenn man das komplett geheim halten will, dann muss man sich in seinen Erzählungen schon manchmal ziemlich verbiegen bzw. "um den heißen Brei reden".
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