Warum zelebrieren die Deutschen das Essen nicht?
Ich habe mich neulich über Kochclubs in meiner Nähe informiert und da war auch einer dabei, der ziemlich bekannt ist und auch schon mal im Fernsehen war. Man konnte sich auf der Internetseite ein kurzes Video dazu anschauen und dort sagt der Inhaber dieses Kochclubs auch, dass Franzosen, Italiener, aber auch Asiaten und viele adere Kulturen das Essen und Kochen zelebrieren, während es in Deutschland eher nur der Lebenserhaltung gilt und die Deutschen keine große Sache daraus machen und daher auch wenig Geld ausgeben wollen.
Meine Eltern kommen nicht aus Deutschland und für mich hatten frische und gute Zutaten und ein leckeres Essen schon immer mehr Bedeutung, als beispielsweise für meinen Deutschen Freund. Dieser isst beispielsweise auch mal Fertiggerichte aus der Tiefkühltruhe oder aus der Dose, was für meine ausländischen Verwandten unvorstellbar wäre. Findet ihr auch, dass Deutsche das Essen nicht richtig zelebrieren können und sich das natürlich auch in ihren Kochkünsten niederschlägt? Ist euch das egal oder findet ihr die Deutschen dadurch unsympathisch.
Ich denke, dass es an der Erziehung liegt. Ich kenne Deutsche, die das Essen zelebrieren und großen Wert auf frische Zutaten und gemeinsames Kochen legen. Es gibt natürlich auch in Deutschland die Spezies, die das Essen nicht zelebriert und sich lieber Fertiggerichte reinpfeift oder der das Essen vollkommen egal ist, aber das wirst du überall finden.
In meiner Familie wurde das Essen nie zelebriert, ich stamme jedoch nicht aus Deutschland. Gemeinsames Essen gab es recht selten, erst später ist meine Mutter auf die Idee gekommen und hat begonnen frisch zu kochen und wir mussten uns gemeinsam am Esstisch einfinden. Das war jedoch erst mit ihrem zweiten Mann so, mit meinem Vater gab es eine gemeinsame Mahlzeit unheimlich selten.
Ich finde nicht, wie meine Vorschreiberin es nennt, dass man sich Fertiggerichte reinpfeift. Ein Fertiggericht ist ja prinzipiell nichts Schlechteres oder Minderwertigeres, es ist eben nur schon fertig und auch das kann Freude am Essen bereiten. Ich liebe beispielsweise die fertigen Lasagnen. Die genieße ich auch, ich löffle erst Stück für Stück die Soße von oben herunter, kratze dann die Nudelplatten ab und esse diese dann. Das kann man durchaus als Zelebrieren bezeichnen. Man kann auch Freude am Essen haben, wenn man es nicht aus superfrischen Bio-Zutaten selbst gekocht hat.
Auch gemeinsames Essen muss nicht ein Zelebrieren und für alle angenehm sein. Es kann ja auch belasten, wenn man immer mit der Familie zusammen essen muss, das mag gar nicht jeder. Ich esse viel lieber alleine, ich will mir beim Essen nicht irgendwelche Fragen stellen lassen müssen, sondern will meine Ruhe haben. Für mich ist das alles andere als zelebrieren, wenn ich immer mit der Familie essen muss.
Ich denke auch, dass man es nicht unbedingt verallgemeinern kann, dass die Deutschen das Essen, oder die Mahlzeiten im Ganzen nicht zelebrieren. Es ist einfach nur wohl häufiger so, dass es nicht zelebriert wird. Aber es gibt doch durchaus auch Anlässe, zu denen die gesamte Familie zusammenkommt und dann alle gemütlich an einem Tisch sitzen und ein gutes Essen zu sich nehmen. Nur passiert das vielleicht nicht jeden Tag, weil die Arbeit eben auch wichtig ist und dadurch ein gemeinsames Essen oft nicht möglich ist.
Ich finde es absolut nicht untypisch, dem Essen Zeit und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ich bin so aufgewachsen, dass am Morgen für das gemeinsame Frühstück mindestens eine Stunde Zeit eingeplant war. Mittagessen gab es passend zu den Zeiten, zu denen einzelne Familienmitglieder eintrafen. Da gab es einfach ein Brot, Eierpfannkuchen, Reibekuchen, arme oder reiche Ritter und was sonst schnell zuzubereiten ist.
Am Abend wurde dann wieder gemeinsam gegessen und, wenn es sich anbot, auch mit frischen Zutaten gekocht. Das war auch in den anderen Familien im Umfeld auch nicht anders. Nur war da oft das Mittagessen die große warme Hauptmahlzeit, die gemeinsam eingenommen worden ist.
Und genauso läuft es bei uns auch heute. Hier wird frisch gekocht, wenn es zeitlich passt gemeinsam. Zwei Mahlzeiten nehmen alle möglichst gemeinsam ein und wir nehmen uns Zeit. Bei meinen Nachbarn sieht es nicht anders aus, egal ob deutsch, türkisch oder russisch.
Ganz spontan würde ich darauf ja antworten "die Briten sind schlimmer", wobei man das aber auch nicht verallgemeinern kann. Es gibt überall Menschen, die Wert auf gutes Essen legen und auch die ganze Esskultur. Denn dazu gehört ja auch ein schön gedeckter Tisch oder die Tatsache, dass man sich zum Essen überhaupt an den Esstisch setzt und nicht im Wohnzimmer vor dem Fernseher hockt oder nebenbei im Internet surft.
Ich halte es auch für einen Mythos, dass man im Ausland so viel mehr Zeit und Geld in das Essen investiert. Da haben die meisten Leute unter der Woche auch keine Zeit und Lust sich stundenlang in die Küche zu stellen um ein aufwändiges Gericht zu zaubern.
Ich habe den direkten Vergleich mit Frankreich und die Leute, die ich dort kenne und die wie ich auch sehr gerne kochen und backen gehen ihrem Hobby auch hauptsächlich am Wochenende nach, während sie sich unter der Woche auf einfachere Gerichte beschränken. Und gerade tiefgekühltes Gemüse hat ja sogar mehr Vitamine als frisches Gemüse, deshalb spricht wirklich nichts dagegen auch mal das zu nehmen.
Wobei man es anderen Ländern auch viel einfacher hat. In den Niederlanden ist es beispielsweise traditionell üblich abends warm zu essen. Und das Kochen mit frischen Zutaten ist viel einfacher. Denn in jedem Supermarkt auch im Aldi oder Lidl findet man so ziemlich jedes Gemüse, Kartoffeln in jeder Variante und fertig geschnittene und zusammengestellte Stamppotvarianten und fertige Gemüsemischungen frisch im Kühlregal. Das macht das Kochen viel schneller.
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