Warum wechseln so viele ihren Beruf?
Vor 30 oder 40 Jahren war es üblich, dass man mit 15 in die Lehre gegangen ist und seinen erlernten Beruf ein Leben lang ausgeübt hat. Es gab kaum Menschen, die ihren Beruf gewechselt haben. In der heutigen Zeit ist das jedoch anders. Viele, die eine Ausbildung absolviert haben, gehen danach studieren oder machen sogar noch eine zweite Ausbildung. Der Umzug in eine andere Stadt ist normal geworden und es ist ebenfalls nicht unüblich schon nach wenigen Jahren den erlernten Beruf nicht mehr auszuüben.
Aber warum ist das in der heutigen Zeit so? Woran liegt es, dass es das vor 30/40 Jahren nicht gab? Hängt es mit den größeren Möglichkeiten oder mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen? Wenn es an der Gesellschaft liegt, dann stellt sich mir außerdem die Frage, warum die Gesellschaft das heute mehr akzeptiert?
Ich denke, dass man heute einfach mehr Möglichkeiten hat, aber auch die Arbeitgeber verhalten sich anders. Heute wird man eben auch oft nach der Lehre sofort vor die Tür gesetzt und muss sich dann etwas suchen. Aber eigentlich finde ich es auch nicht schlecht, dass man immer wieder etwas Neues beginnen kann und sich neu finden kann. Immerhin muss man so auch keine ungeliebte Arbeit machen.
Es liegt ja nicht nur an den jungen Menschen, die die Ausbildung machen, sondern auch an den Arbeitgebern und anderen Faktoren. Eine Bekannte von mir beispielsweise hat nach dem Realschulabschluss eine Lehre als Bäckerin gemacht. Anschließend wurde sie jedoch nicht übernommen, weil der Bäckerei das Geld fehlte, sie zu übernehmen. Sie lebt in einer Gegend, wo massenweise Bäckereien dichtmachen und wirtschaftlich nicht überleben können. Da ist es kein Wunder, wenn sie dann seit über 7 Jahren zwangsweise in einem Beruf arbeitet, in dem sie keine Lehre gemacht hat.
Für den Berufswechsel gibt es viele Gründe. Einerseits hat sich der Arbeitsmarkt sehr verändert. Wer früher beispielsweise Bergmann wurde, der machte das bis zur Rente oder zur Berufsunfähigkeit. Aber wer in den 80-er oder 90-er Jahren dorthin gegangen ist, der muss sich jetzt etwas anderes suchen. Bei Opel Bochum war es auch so. Dort haben ganze Familien mit mehreren Generationen gearbeitet. Der Job war mal sicher, das war bei den Zulieferern nicht anders.
Das kenne ich heutzutage nur noch von Menschen, die bei VW in Wolfsburg arbeiten. Freunde von uns arbeiten bereits in der dritten Generation in der "Autostadt". Die haben bisher keinen Grund, sich nach etwas anderem umzusehen. Sie mögen ihren Job und werden ganz gut bezahlt.
Auf der anderen Seite haben sich die Arbeitsbedingungen in vielen Berufen verändert. Ein Altenpfleger hält heute den Job meist nur wenige Jahre durch. Danach ist er körperlich und emotional am Ende. Gut bezahlt wird auch nicht, der Anreiz, sich anders zu orientieren, wird mit den Jahren immer größer.
Viele Menschen finden bereits direkt nach der Ausbildung keinen Job im gelernten Beruf. Was bleibt ihnen anderes übrig, als sich einen neuen Berufszweig zu suchen? Sie können ja nicht jung ewig ohne Arbeit und ohne Perspektive bleiben.
Dazu kommt die Berufstätigkeit der Frauen. Frauen arbeiten heute weiter, auch wenn eine Familie entstanden ist. Aber nicht immer lässt sich der Job und die bisherige Berufstätigkeit mit den Anforderungen der Kinder und des Haushalts unter einen Hut bringen. Arbeitgeber bevorzugen oft Mitarbeiter ohne Kinder im "kritischen" Alter, es findet sich kein adäquater Betreuungsplatz oder die Eltern setzen andere Prioritäten als in der kinderlosen Zeit.
Manchen Menschen geht es auch wie mir. Sie können ihren ursprünglichen Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Dann lernen sie etwas anderes, das ihnen weniger liegt. Ich hatte das Glück, dass mit meinem Abschluss so ziemlich "alles" geht. Also habe ich rumprobiert, bis es mir gut passte. Und dann habe ich den Job nochmal komplett gewechselt, weil sich so die Karriere meines Mannes mit meiner Tätigkeit vereinbaren ließ.
Ich denke da steckt ein gesellschaftlicher Wandel dahinter. Natürlich hat es auch etwas damit zu tun, dass der Arbeitsmarkt etwas instabiler geworden ist, aber das gab es früher auch schon. Aber schließlich wurde früher auch einfach von allen erwartet, dass man den gleichen Beruf ewig ausübt. Heutzutage ist das anders. Da wechselt man lieber mal, wenn man sich wo anders höhere Chancen erwartet.
Ich kann das in meiner Region sehr gut beobachten. Hier herrscht eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit. Es heißt immer, hier herrsche Vollbeschäftigung. Das liegt daran, dass es einige Werke von großen Konzernen gibt, die teilweise tausende Leute beschäftigen und ihnen wegen Tarif sehr gut bezahlen. Dann gibt es viele kleinere Firmen, die Zulieferer oder Dienstleister für die Werke sind. Und auch Handwerksbetriebe leben sehr gut von den Vielverdienern.
Wenn die Auftragslage in einem solchen Werk sehr gut ist, bewerben sich dort zahlreiche Handwerker als Produktionshelfer, weil sie dort mehr verdienen als in ihrem gelernten Beruf, weniger arbeiten müssen und die arbeiten körperlich weniger anstrengend sind. Sie wechseln damit also ihren Beruf. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Auszubildende in den Werken, die weiter studieren möchten, weil ihnen die Facharbeiterjobs nicht anspruchsvoll genug sind. Wenn die Auftragslage wieder schlecht ist, werden auch wieder Leute entlassen und die gehen dann wieder zurück in ihren alten Beruf, machen eine Umschulung oder gehen studieren.
So entsteht ein ziemlich Kreislauf, der eigentlich dadurch entsteht, dass Leute nach einem höheren Gehalt und besseren Arbeitsbedingungen streben. Früher hat man die schlechten Arbeitsbedingungen eher akzeptiert, weil man die Alternativen nicht hatte.
Es gibt einfach Faktoren, die kann man einfach nicht vorhersehen. Das ist beispielsweise beim technischen Fortschritt der Fall. Es wird zur Zeit ohne Ende an Computern und Automatisierung gearbeitet, sodass man schon sagt, dass viele Arbeitsplätze dadurch wegfallen werden.
Auch hier in der Großstadt sehe ich immer mehr SB-Kassen in den Geschäften (sogar im Baumarkt), es gibt Online-Shops, aber auch neue Konzepte wie bei Amazon werden entwickelt, sodass ich mir die Frage stelle, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, den Job eines Verkäufers zu erlernen, weil der Job in einigen Jahren vermutlich eh wegrationalisiert und automatisiert wird, gerade wenn es um Geschäfte wie Supermärkte oder Baumärkte geht. Bei Bekleidungsgeschäften sieht es vielleicht noch anders aus.
Dann spielen natürlich gesundheitliche Folgen eine Rolle oder aber auch der Wohnort. Ich kenne zum Beispiel einen Mann, der in seinem Wohnort in seinem gelernten Beruf keine Arbeit mehr gefunden hat und fachfremd arbeiten muss, weil er standortgebunden ist. Gründe gibt es viele, den Beruf zu wechseln, vielleicht füllt einen der Beruf auch nicht aus und man sucht neue Herausforderungen?
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