Warum Vorurteil, dass Handschuhe vor Keimen schützen?

Ich arbeite ja neben dem Studium im medizinischen Bereich. Ich hatte davor schon eine Stelle, bei der ich oft mit einem Krankenhaus-Hygieniker zu tun hatte und von dem hatte ich über die Jahre so einige Sachen gelernt. So hat er beispielsweise immer gesagt, dass Gummihandschuhe wie diese hier zwar sehr oft in medizinischen und Pflegeberufen getragen werden würden, aber sie würden nicht vor Viren und Bakterien schützen, wie das oft fälschlicherweise angenommen wird. Denn Keime sind mikroskopisch klein und kommen auch durch mikroskopisch kleine Risse in den Handschuhen, die man mit bloßem Auge gar nicht sehen kann.

Deswegen hatte er auch immer die Ansicht (die er auch bei Hygiene-Schulungen empfohlen hat), sich vor dem Anziehen von solchen Handschuhen aber auch danach immer die Hände zu desinfizieren um auch Nummer sicher zu gehen.

In meinem jetzigen Nebenjob scheint dieses Wissen aber nicht vorhanden zu sein und ich habe schon genug gesehen um kurz vor einer Krise zu stehen. Obwohl das eine Arztpraxis ist, in der auch operiert und angeblich sehr viel Wert auf Hygiene gelegt wird, werden solche Kleinigkeiten gar nicht beachtet. So beobachte ich oft, wie sich die Kolleginnen oft die Hände gar nicht desinfizieren, sondern direkt in die Handschuhe schlüpfen und auch gar nicht großartig danach die Hände desinfizieren.

Woher kommt das Vorurteil, dass Handschuhe alleine schon vor Keimen schützen würden? Habt ihr eine Erklärung dafür?

Ich denke, es ist schlichtweg Unwissenheit. Die Menschen sehen ein nach ihrem Augenschein undurchlässiges Material. Da man den Glauben an durch die Wand gehende Geister für gewöhnlich irgendwann im Kindesalter aufgibt, vermutet man auch bei diesem Material, dass es wirklich dicht ist und nichts hindurchgeht.

Vielleicht wäre es ganz gut, wenn du dein Wissen mit den Leuten teilst und ihnen auch gleich die Quelle deiner Informationen nennst. So erfahren sie, dass deine Erkenntnis nicht dem "Voodoo" entstammt, sondern einer fachkundigen Person. Das wäre unter Umständen ein Weg, die Leute zum Umdenken und zu sinnvollerem Handeln zu bewegen.

Ich wusste gar nicht, dass die Handschuhe den Arzt vor Keimen schützen sollen. Ich dachte immer, dass der Patient vor den Keimen des Arztes geschützt werden soll, die der Arzt auf den Händen hat. Der Arzt fasst ja auch alle möglichen Türklinken und so an und da sammeln sich ganz viele Bakterien auf den Händen. In der Wunde eines Patienten könnten diese Keime eine starke Infektion auslösen.

Und auf den Handschuhen sollen sich meines Wissens nach weniger Bakterien ansammeln, als auf der Hand. Sie haben auf dem Handschuh eben keine besonders gute Lebensgrundlage. Das sie dann durch den Handschuh hindurch auf die Hand kommen wäre für den Patienten ja nicht sehr schlimm, sondern nur für den Arzt.

Die meisten Ärzte die ich kenne desinfizieren nur die Handschuhe beim Anziehen und meist auch vor dem Ausziehen. Wichtig ist in erster Linie ja, dass man die Keime nicht im ganzen Krankenhaus verteilt und zig Patienten mit etwas ansteckt, was nur ein Patient hat.

Und da die Ärzte in der Regel ja eher selten krank werden und sich mit irgendwas anstecken, gehe ich einfach mal davon aus, dass es ausreicht, wenn sie nur die Handschuhe und nicht die Hände desinfizieren. Sondern würden doch ziemlich viele Ärzte gesundheitliche Probleme bekommen oder nicht? Das wäre zumindest meine Interpretation.

Ich denke, der Schutz sollte in beide Richtungen wirksam sein. Der Träger der Handschuhe sollte sich nicht anstecken und der Patient natürlich auch nicht.

Die Argumentation, weniger Schutz sollte im Normalfall ausreichen, trifft auf den Normalfall außerhalb von Praxen und Krankenhäusern vielleicht (bis auf seltene Einzelfälle) tatsächlich zu. In Praxen und besonders in Krankenhäusern herrscht aber nicht der Normalfall. Das dort vorhandene Keimspektrum ist ein besonderer Cocktail, der nicht ungefährlich ist.

In Zeiten vermehrt auftretender resistenter Keime finde ich die Frage nach mehr Hygiene und das Beachten von möglichen Übertragungswegen recht wichtig. Viele Menschen sterben mittlerweile an Keimen, die nicht mehr behandelbar sind.

Wenn ich manchmal sehe, wie selbst bereits bestehende Hygieneregeln vom Personal mit Füßen getreten werden, wundere ich mich nicht über die Ausbreitung und Übertragung von Krankenhauskeimen auf Patienten.

Man kennt eben die Details nicht. So weiß man nicht, ob das Wissen tatsächlich nicht vorhanden ist, dass Handschuhe alleine quasi als Hygienemaßnahme ausreichend sind oder ob andere Umweltfaktoren - wie beispielsweise Zeitmangel - zu dieser Maßnahme zwingen oder das Personal sich dadurch gezwungen fühlt.

Vielleicht sollte man die Nutzung von Handschuhen einfach mal differenziert betrachten? Wer Handschuhe nutzt, um gebrauchtes Operationsbesteck zu reinigen, muss sich bestimmt nicht vorher die Hände desinfizieren. Da sollen die Handschuhe vor potenziell infektiösen Erregern schützen. Das Besteck wird hinterher sowieso sterilisiert und eine intakte Keimflora und nicht durch Desinfektionsmittel aufgeweichte Haut ist besser. Danach ist ausgeprägte Handhygiene sinnvoll. Möchte man dagegen operieren, sieht es ganz anders aus. Und das geht munter so weiter. Nicht immer ist das volle Programm richtig, an anderen Stellen ist es unerlässlich.