Warum sind Studenten heute so angepasst?
Eine Lehrbeauftragte an meiner Universität hat vor kurzem ein kleines Büchlein herausgebracht, es heißt ''Warum unsere Studenten so angepasst sind'' von Christiane Florin. Ich habe mir das Buch gekauft, es aber noch nicht gelesen. Zu diesem Thema gab es an meiner Universität dann auch eine Podiumsdiskussion wo dann auch der Direktor und Professoren aus anderen Fakultäten eingeladen wurden.
Es wurde heiß diskutiert und im Nachhinein hatte ich eher das Gefühl, dass wenige der gleichen Meinung waren, die wie Autorin des Buches. Viele wiesen darauf hin, dass es vor Jahrzehnten und davor auch Bewegungen und Proteste an Universitäten gab, die das gleiche propagierten und sich ebenfalls über das Thema beschwerten.
Andere wiesen darauf hin, dass die Studienordnung mit dem Bachelor und dem Master heute kaum mehr zulasse, dass Studenten auch nach links und rechts guckten und sich mit anderen Dingen beschäftigen außer dem, was sie wirklich müssen.
Habt ihr selbst an eurer Universität auch das Gefühl, dass viele Studenten ''angepasst'' sind und nicht mehr diskutieren, kritisieren und hinterfragen? Denkt ihr, dass dies ein neuer Trend ist und wie beurteilt ihr diese Entwicklung?
Also ich kann das gar nicht unterschreiben. Als ich studiert habe - und das ist nicht so lange her - waren viele Studenten irgendwie aktiv. Viele waren in politischen Gruppen und gerade alles das, was so ein wenig in die links-alternative Ecke geht, war recht stark vertreten. Auch der Studentenrat hatte so einen linken Touch - die kann man nicht gerade als angepasst bezeichnen, weil sie sogar Protestveranstaltungen organisiert haben.
Eigentlich waren viele irgendwie nebenbei noch wo aktiv, etwa in einer Hochschulgruppe oder in einem Verein, haben Sport gemacht oder zahlreiche andere Dinge. Es gab zwar auch Studenten, die angepasst wirkten, aber das waren eher die typischen Streber, die vermutlich schon immer so waren, auch in der Schule. Genauso gab es Studenten, die im Business Outfit in die Vorlesungen kamen, was mir immer etwas befremdlich erschien, aber das war nur eine kleine Teilgruppe.
Nun hat man auch zu meiner Zeit schon gesagt, dass es ganz gut wäre, wenn man ein paar Extras im Lebenslauf hat, also vielleicht ein tolles Praktikum oder berufliche Erfahrungen oder irgendetwas neben dem Studium, was gut klingt. Und das habe ich mir auch in den Lebenslauf geholt, indem ich noch nebenbei etwas anderes studiert habe, um ein Alleinstellungsmerkmal zu haben und ich habe mich bei einer im Bereich Wirtschaft tätigen Studenten-Hochschulgruppe beteiligt. Das war eine studentische Unternehmensberatung und ich glaube, das hat sich tatsächlich ganz gut im Lebenslauf gemacht.
Vielfach meint man mit der Angepasstheit der Studenten ja auch, dass diese versuchen, den Anforderungen an einen hochwertigen Lebenslauf gerecht zu werden, dass es viele Firmen gibt, die praktische Tätigkeiten und Auslandssemester in der Vita sehen wollen und dass es aber auch immer mehr Studenten gibt, die das tatsächlich bieten können, sich also den Anforderungen anpassen. Insofern war ich auch etwas angepasst, weil ich auch den Anforderungen gerecht werden wollte, um keinen beruflichen Nachteil zu haben.
Zudem gab es Studenten, die sich richtig viele Gedanken über ihr Fach gemacht haben, die immer viele Fragen hatten und sich wirklich richtig für das interessiert haben, was sie machen, anstatt es einfach nur auswendig zu lernen. Ich denke, die waren auch nicht angepasst, sondern hatten eben das Bedürfnis, alles zu erfahren und alles genau zu verstehen.
Als ich studiert habe, gab es aber noch das Diplom. Ich habe in meinen zwei Fächern jeweils einen Diplomabschluss, keinen Bachelor oder Master. Und meine Studienordnungen waren recht entspannt, ich musste nicht zig Klausuren am Semesterende schreiben. Vielleicht war das, obwohl es noch nicht so lange her ist, eine andere Zeit. Kann sein, dass es heute anders ist. Ich arbeite aber an der Uni und mir ist aufgefallen, dass immer noch viele links-alternativ sind.
Dass sich Studenten gar nicht mehr engagieren seit Bologna kann ich nicht beurteilen, da ich keinen Vergleich damit habe, wie das vorher der Fall war. Ich könnte mir aber vorstellen, dass manche Studenten dann eben von Engagement absehen, weil sie sich von Bologna und der Regelstudienzeit unter Druck gesetzt fühlen: Das wird vermutlich aber eher eine Minderheit sein, da nicht jeder die Regelstudienzeit so furchtbar ernst nimmt und nur noch Uni im Kopf hat und auf alles andere im Leben verzichtet.
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