Warum Kollekte im Korb statt Klingelbeutel?
Früher gab es in vielen Kirchen die sogenannten Klingelbeutel, die mit Griffen an beiden Seiten ausgestattet waren. Diese Beutel wurden während der Kollekte von Bank zu Bank gereicht. Ich fand das immer ziemlich praktisch, weil jeder ganz diskret etwas hineinlegen konnte, ohne dass es groß auffiel. Außerdem war es irgendwie eine schöne Gemeinschaftsaktion, den Beutel weiterzugeben.
Heute sieht man stattdessen oft offene Körbe oder Schalen, die entweder herumgereicht, oft mit Begleitung der Helferinnen, die damit herumgehen. Ich muss zugeben, dass mich das manchmal verwundert, nicht nur weil es weniger diskret ist, sondern auch, weil der Gemeinschaftsaspekt des Weitergebens verloren geht. Weiß jemand, wann und warum dieser Wechsel stattgefunden hat?
Vielleicht hat es mit Praktikabilität zu tun oder damit, dass offene Körbe das Einsammeln erleichtern? Aber ich frage mich, ob dadurch nicht auch ein bisschen von der alten Tradition verloren gegangen ist. Zu verhindern, dass anderes hineingeworfen wird, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, da man gar nicht zuordnen kann, wer was hineingeworfen hat und wohl niemand sagen würde "hey, das ist aber eine ausländische Münze, ein Knopf etc." Wohl auch weil die Kollekte in katholischen Kirchen während der Opferung stattfindet. Wie seht ihr das? Was findet ihr praktischer oder schöner? Klingelbeutel oder Körbe?
Körbe und Schalen für die Kollekte sind ja keine neue Erscheinung, sondern waren bereits vor rund 50 Jahren absolut etabliert. Und das hat Gründe. Denn diese Lösungen sind viel günstiger als der Klingelbeutel, selbst wenn man im spezialisierten Handel einkauft.
Dazu kommt eben die soziale Kontrolle, weil viel deutlicher wird, ob ein Gottesdienstbesucher etwas gibt oder nicht. Das steigert die Einnahmen. Und das Weitergeben findet doch trotzdem statt. Jeder nimmt das Gefäß und gibt es weiter. Ein vom Ministranten am Stab durch die Reihen vorgehaltener Klingelbeutel, den gibt es schließlich nicht nur mit zwei Griffen, ist doch da viel unpersönlicher. Oder gar die Spende per App.
Aus meiner Kindheit vor 35 Jahren erinnere ich mich an Klingelbeutel mit Griffen. Damals saßen Gottesdienstbesucher nahe beieinander, zumindest an Tagen, wenn ich mit dem Kinderchor dort war. Heutzutage ist außerhalb von Hochfesten ein Weitergeben kaum möglich, da oft mehrere Bänke leer sind. Deshalb gehen die Ministranten oft von Reihe zu Reihe.
Soziale Kontrolle finde ich schwierig - schwierig vorstellbar. Selbst wenn jemand neben mir sitzt, bekomme ich vielleicht mit, ob er/sie die Geldbörse zückt, aber ob dann 10 Cent oder 10 Euro reingelegt werden, sehe (trotz guter Augen) nicht. Und viele Gottesdienstbesucherinnen sind doppelt so alt wie ich und sehen kaum selbst, welche Münze sie aus ihrer Geldbörse fummeln.
Ich wüsste auch nicht, was ich kontrollieren sollte und vor allem warum. In Ländern, in denen die Gemeinde quasi die Priester finanziert mag das anders sein und ich hörte, dass dort vor der Heiligen Messen teilweise schon am Eingang kollokiert wird und sich die Gemeinde abspricht, damit auch genügend Geld zusammen kommt, damit die Kosten und der Lebensunterhalt der Mitwirkenden finanziert werden kann. Das sehe ich aber auch weniger als Kontrolle, sondern eher als Gemeinschaft.
Ich kenne hier Priester, die öfter offen sagen, was sie von der Kollekten Bestimmung halten und teilweise auch direkt äußern, dass sie sicher sind, dass man am Bischofssitz genügend Geld hat und auf dem Kirchplatz Menschen sitzen, die das Geld dringender brauchen. Da müsste man dann eher die soziale Kontrolle nach draußen verlegen.
Nun, was genutzt wird, das hängt doch von der jeweiligen Gemeinde und teilweise von der Art des Gottesdienstes ab. Und natürlich hast du die soziale Kontrolle mit dem Korb deutlich gestärkt. Denn da fällt es halt schon auf, ob jemand etwas hinein legt oder nicht. Und du merkst halt auch, ob der sehr Reiche neben dir Klimpergeld gibt oder einen Schein locker macht.
Und das ist alles diskreter als der alte Klingelbeutel mit Glocke am Stab, der bei entsprechend situierten, aber geizigen Gemeindemitgliedern nicht nur penetrant vor der Brust geschüttelt, sondern auch zum fordernden Anstupsen genutzt wurde.
Bis heute sehe ich tatsächlich immer noch alle Varianten von Sammelgefäßen, einschließlich der Opferbüchse mit zwei Griffen für die Kollekte und den fest installierten Opferstock bei der Kollekte als Opfergang am Altar.
Und selbst den "Nickneger" gibt es wieder. Bitte verzeiht mir diesen Begriff, aber er zeigt deutlich, mit welcher Geisteshaltung man den "armen Heiden" in Afrika oder Südamerika gegenübergestanden hat. Heute heißt das dann denkender Knabe oder dankendes Mädchen und die nickenden Figuren sind sehr westeuropäisch dargestellt.
@cooper75 Letzteres musste ich erstmal suchen, um ein Bild anzuschauen. Ich habe diesen Begriff noch nie gehört und auch noch nie gesehen. Weder früher, noch in den letzten sechs Jahren seit ich der kath. Kirche beitrat. Seitdem besuchte ich in meiner Region viele Dutzend Kirchen und ebenso in der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Rom, Medjugorje (Bosnien-Herzegowina) und einzelnen in einen anderen Ländern. Und ich bin mir sicher, dass mir dieses Dingen aufgefallen wäre! Wo gibt es sowas denn?
Kollekten Gefäße sah ich auch nur sehr selten, bzw. ist es dann eher ein Schale, die selbst schließt oder etwas ähnliches. Figürliches habe ich einmal bei einem Besuch gesehen. Und die Opferstöcke kenne ich auch nur am Eingang und nicht am Altar. Ich bin neugierig, wo es sowas am Altar gibt.
Wie gesagt gibt es hier außerhalb von einigen Hochfesten oder wenn Mitarbeiter der Gemeinde sterben keine Leute neben mir- es sei denn ich gehe mit ihnen zusammen hin und dann fühle ich mich dennoch keineswegs genötigt, was ins Körbchen zu werfen. Bei Exerzitien wurde schonmal extra gesagt, dass die Kollekte an einem Tag für die Ordensgemeinschaft ist und da gab es dann hauptsächlich Geldscheine. Aber selbst dabei habe ich nicht darauf geachtet, wie viel oder wenige die Leute neben mir spendeten. Auch mache ich meine Spende dann nicht von den anderen abhängig, sondern eher von meinen eigenen Mitteln.
Ich mag da anders sein, auch weil ich vor allem in lateinischen Messen mehr dem Messeablauf folge. Vor allem könnte ich es mir kaum merken, wie viel andere gegeben haben. Das ist bei mir ähnlich wie beim Trinkgeld, da könnte ich dir kurz nach dem Bezahlen schon nicht mal mehr sagen, wie viel Trinkgeld gegeben wurde- oder ich selbst gegeben habe. Es sei denn, es ist irgendwie ein besonderer Betrag oder es wird extra wegen dem Trinkgeld ein größerer Geldschein angebrochen, weil man den Betrag nur passend hat und alternativ den hundert Euro Schein auspackt.
Achten andere Menschen mehr auf sowas? Und was dann? Also selbst wenn nun jemand sehr hohes Trinkgeld oder Kollekte gibt, oder mir auffällt, dass jemand nur 20 Cent gibt oder in den Korb wirft (das würde ich auch nur bemerken, wenn sonst noch nichts drinnen ist), würde ich den Spender dafür weder loben noch tadeln.
Als Kind und auch zu Konfirmandenzeiten bekam ich damals wohl mal 50 Pfennig oder so, um dies in den Klingelbeutel zu werfen. Das habe ich aber auch nie als soziale Kontrolle wahrgenommen, sondern es war als Kind eher eine willkommene Abwechslung, ähnlich wie bei Spenden auf der Straßen für Straßenmusiker oder Bettler. Nun frage ich mich, ob und inwiefern andere da den Kontrollfaktor sehen und welche Auswirkungen das konkret hat?
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