Warum ist Veganismus von so einem negativen Stigma belegt?
Neulich kam mal wieder die Debatte in meinem Freundeskreis auf, ob Veganismus nun "gesund" sei, oder nicht, ob es eine Entlastung der Umwelt sei, sich so zu ernähren, oder ihr eher schadet. Auch dieses Mal wurde es mit der Zeit recht hitzig, nicht zuletzt deshalb, weil es einige Veganer/innen in unserem Freundeskreis gibt, die sich sehr angegriffen gefühlt haben von diesem negativen Stigma, dass am Veganismus haftet. Warum ist das eigentlich so?
Liegt es tatsächlich "nur" daran, dass sich wohl einige Veganer/innen durch ihrer Ernährungsweise eine Art monothematische Identität zulegen, und andere auf Teufel komm' raus davon überzeugen wollen, dass ihre Ernährungsweise die Richtige ist? Oder hat es noch andere Grüne? Wenn ja, welche könnten das sein?
Zum einen ist es ja so, dass eine tatsächlich vegane Ernährung ohne Nahrungsergänzungsmittel nicht funktioniert. Das verkennen die Veganer aber gerne mal. Ich finde es aber irgendwie hanebüchen mir eine Ernährungsweise als das Nonplusultra aufschwatzen zu lassen, wenn ich allein durch diese Ernährung in einen Mangelzustand komme. Bei Vegetariern sieht das ja anders aus.
Das große Problem dürfte aber wohl darin liegen, dass zumindest die meisten 100prozentigen Veganer, die ich kenne, schon ziemlich extremistisch in ihrer Einstellung zur Ernährung sind. Da gibt es zu wenige liberale Vertreter. Oftmals kommt dann doch eher eine missionarische Einstellung durch und als Nichtveganer wird man schnell verteufelt. Das scheint ja bei dir im Bekanntenkreis auch so zu sein. Nur weckt das eben meistens nur noch viel mehr eine Abwehrhaltung.
Auch darf man ja nicht vergessen, dass es bei Essgewohnheiten nicht darum geht, eine Gewohnheit abzulegen, die man seit ein oder zwei Jahren hat, sondern teilweise mehrere Jahrzehnte so gelebt hat. Für einen Veganer mag das nicht nachvollziehbar sein, aber ein richtiger Fleischfresser, der weiß gar nicht, was er den ganzen Tag ohne Fleisch essen soll. Dafür muss man aber Verständnis haben, sonst wird man da kaum auf einen Konsens hinauslaufen.
Zudem sollte man nicht vergessen, dass die Hintergründe für die Ernährung wohl verschieden sind. Die Veganer sind ja in der Regel nicht Veganer geworden, weil sie plötzlich entdeckt haben, dass veganes Essen viel besser schmeckt als nicht veganes Essen, sondern mehr aus den idealistischen Gründen, die Welt und die Tiere retten zu wollen. Der Allesesser ist halt, weil er satt werden will und weil ihm das, was er ist, eben gut schmeckt.
Ich esse ja kein Stück Fleisch, weil ich die Welt retten will, sondern weil es mir richtig gut schmeckt. Das heißt man muss überhaupt erstmal ein Bewusstsein dafür ausbilden, was mit der Ernährung für ein Einfluss auf die Welt und die Tierhaltung ausgeübt wird. Wenn einem das aber egal ist, dann kann man einen Fleischesser doch eh nicht überzeugen.
@Klehmchen: Also ich kenne nur Vegetarier und bei denen versucht niemand, den anderen etwas aufzuschwatzen. Und, es ist wirklich schwierig, wenn man jahrelang Fleisch gegessen hat, dann zu wissen, was man essen sollte. Ich bin jetzt seit zwei Wochen Vegetarierin und muss auch ständig überlegen, was ich jetzt schon wieder kochen werde oder einkaufen soll.
Außerdem muss ich auch ständig darauf achten, dass ich keine Kosmetika kaufe, wo etwas tierisches drin ist. Ich bin zwar nicht vegan, denn ich könnte auf keinen Fall auf Eier und Joghurt verzichten, oder gar Käse. Aber ich denke jetzt nicht, dass die Veganer so extrem sind. Ich kann es mir auf jeden Fall nicht vorstellen.
nordseekrabbe hat geschrieben: Aber ich denke jetzt nicht, dass die Veganer so extrem sind. Ich kann es mir auf jeden Fall nicht vorstellen.
Vielleicht habe ich dann einfach nur sozusagen, die falschen Veganer bisher kennengelernt. Aber irgendwie gab es doch von der Einstellung immer einen ganz deutlichen Unterschied zwischen Vegetariern und Veganern. Zwar kenne ich auch wirklich überzeugte Vegetarier. Aber das Gros ist da doch recht liberal. Da kann auch mal genauso im Garten gegrillt werden und für die Fleischesser kommen dann genauso Würstchen und Steaks mit auf den Grill. Bei den paar Veganern, die ich kenne, wäre das nie möglich.
Ich habe eine Bekannte, die Veganerin ist, damit aber ganz locker umgeht und auch niemanden verurteilt, der nicht vegan lebt. Aber ich habe einmal auf einer Reise einen Veganer am Tisch gehabt, der jeden niedergemacht hat, der Fleisch gegessen hat. Da hatte ich abends schon keinen Hunger mehr und ich kann mir vorstellen, dass der Veganismus wegen genau solcher Menschen vielleicht negativ behaftet ist.
In meinem sozialen Umfeld (privat und beruflich) kenne ich bislang keine Veganer. Daher kann ich bisher nur berichten, welche Reaktionen von Veganern mir in sozialen Medien und Internetforen aufgefallen sind. Da bin ich immer mal wieder über recht drastische Meinungsäußerungen gestolpert, und einige würden anscheinend am liebsten das Fleischessen gleich ganz verbieten. Manche regen sich furchtbar auf, wenn die eigene Familie oder der Partner nicht genauso konsequent mitmachen will wie man selbst. Mir fällt auch auf, dass oft ein nicht zu 100 Prozent umgesetzter Veganismus genauso abgelehnt wird wie regelmäßiges Fleischessen. Solche Beiträge wirken oft recht stressig und auch abschreckend.
Interessanterweise sind mir solche Aussagen im realen Leben eigentlich nie begegnet. Womöglich handelt es sich beim strengen, dogmatischen Veganismus eher um ein Internet-Phänomen?
Ich kenne etliche vegan lebende Menschen und ich habe den Eindruck, dass bei weitem nicht nur die Veganer daran schuld sind, dass sie ausgegrenzt werden. Es gibt zwar das Klischee, das immer wieder auch bestätigt wird, dass Leute, die sich vegan ernähren, ständig am Predigen sind und ihren Mitmenschen vom Schnitzel bis zum Eisbecher alles schlecht reden oder zumindest eine Fresse ziehen, wenn es jemand in ihrer Gegenwart wagt, etwas zu essen, was kein Salatblatt ist.
Aber viel öfter und intensiver habe ich bemerkt, dass sich Nicht-Veganer durch die bloße Existenz von Leuten, die nicht das gleiche futtern wie sie, massiv angegriffen fühlen und sofort wild in die Defensive gehen, wenn ein Veganer in ihrer Gegenwart nur atmet und still seinen/ihren Linseneintopf löffelt, ohne begeistert sabbernd auf besagtes Schnitzel zu geiern.
Da wird dann jede vegane Lebensäußerung als Predigen, Besserwisserei und Kritik ausgelegt, weil man sich selber nicht eingestehen möchte und/oder nicht damit leben kann, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt, die genauso gut oder schlecht sind wie der eigene. Dass Veganer verstärkt darauf achten müssen, auch an alle Vitamine und Zusatzstoffe zu kommen, halte ich dagegen für ein Scheinargument. Es kann mir doch völlig egal sein, wie es mit dem B12-Haushalt meiner Kollegin bestellt ist. Wieso sollte ich mich davon persönlich angegriffen fühlen?
Gerbera hat geschrieben:Es kann mir doch völlig egal sein, wie es mit dem B12-Haushalt meiner Kollegin bestellt ist. Wieso sollte ich mich davon persönlich angegriffen fühlen?
Gibt es das wirklich, dass Menschen da so offensiv reagieren, wenn jemand am Tisch sich vegan ernährt? Ich muss zugeben, dass mir das gar nicht ohne weiteres auffallen würde, wenn der vegane Tischpartner nicht absichtlich darauf hinweist. Angenommen, jemand bestellt beispielsweise in einem Restaurant eine vegane Linsensuppe, ohne das explizit zu betonen, dann würde ich mir darüber keine Gedanken machen und auch nicht das Gespräch darauf lenken.
Solange mir umgekehrt keiner mein nichtveganes Gericht madig machen will, oder mir deswegen ein schlechtes Gewissen einreden will, sollte doch jeder am Tisch essen können, was ihm schmeckt.
Man kann Mangelernährung vermeiden als Veganer, auch ohne dabei Nahrungsergänzungsmittel schlucken zu müssen. Aber es ist halt sehr aufwändig die richtigen Lebensmittel zu bekommen. Allerdings habe ich bisher auch die Erfahrung gemacht, dass die meisten Veganer sehr aggressiv auf Menschen reagieren, die weiterhin tierische Produkte konsumieren. Es gibt da zwar auch Ausnahmen, aber sind leider sehr selten.
Besonders hoch kocht die Stimmung immer dann, wenn diese Veganer noch mit dem Umweltschutz kommen und man das auskontern kann. Diese Leute vergleiche ich gerne mit ehemaligen Rauchern. Die sind dann später auch meist recht aggressiv gegenüber Menschen die weiterhin rauchen.
Das Problem ist in den meisten Fällen wohl nicht die Ernährungsweise sondern die Menschen, die diese Ernährungsweise wie eine Art Ersatzreligion zelebrieren. Wenn dogmatische Veganer nicht ständig auf Missionierungskurs wären und behaupten würden, dass ihre Ernährungsweise "gesund" sei würde darüber wahrscheinlich kaum jemand diskutieren.
Man diskutiert ja auch nicht ständig mit dem Fast Food Liebhaber im Freundeskreis über seine Ernährung. Der macht sein Ding und isst das, was im schmeckt und versucht nicht den ganzen Freundeskreis zur McDonalds Diät zu überreden. Das Nervpotential ist hier im Gegensatz zum dogmatischen Veganer einfach nicht vorhanden.
Mir tun nur immer die Veganer leid, die nicht dogmatisch veranlagt sind und selber total genervt sind von den Dogmatikern. Oft genug müssen die dann darunter leiden, dass jemand irgendwann mal schlechte Erfahrungen mit einem dogmatischen Veganer gemacht hat und nun alle Veganer in einer Schublade steckt.
lascar hat geschrieben:[Gibt es das wirklich, dass Menschen da so offensiv reagieren, wenn jemand am Tisch sich vegan ernährt?
So einem Modell bin ich tatsächlich schon begegnet und ich bin nur Teilzeitvegetarierin. Ich hatte einen Salat mit Pommes bestellt und er hat mich die ganze Zeit damit genervt, dass ich kein Steak auf meinem Teller habe. Irgendwie hatte er wirklich ein Problem damit, dass ich keine Lust auf Fleisch hatte und ihm nicht den Gefallen getan habe ihm das groß und breit zu erklären. Er wollte wohl eine Diskussion und "ich hatte Lust auf Pommes und Salat" hat einfach keine Munition geliefert.
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